OKR on Stage – Wer spielt welche Rolle?

Ab heute machen wir OKR – ein gerne praktizierter Ansatz, der aber nicht wirklich funktioniert. Denn damit OKR die volle Wirkung entfalten kann, sollte man den Blick auf die Akteure im Unternehmen werfen. Denn mit ihrer Einbindung und Bereitschaft mitzumachen, steht und fällt OKR.

In der Auseinandersetzung über Erwartungen, Kommunikation und wie die Methode gelebt wird, ist es hilfreich, sich auch über die Schlüsselpersonen Gedanken zu machen. Im folgenden werden wir einen Blick auf die wichtigsten Akteure im Rampenlicht werfen. Dazu zählen eine echte Sponsor:in, Führungskräfte, die Teams und je nach Unternehmenskontext verschiedene Stakeholder und ein OKR-Champion

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Sponsorship

OKR braucht einen echten Sponsor in der Organisation und das am besten auf der Geschäftsführungsebene. Das klingt jetzt vielleicht nach einem Allgemeinplatz und dennoch kann ich nicht oft genug darauf hinweisen, dass es insbesondere um das Wort »echt« geht. Damit sind mir vor allem zwei Facetten wichtig: Erstens wird OKR vorgelebt mit allem, was dazu gehört, wie beispielsweise eigene OKR-Sets zu schreiben und zweitens wird die Umgebung geschaffen, in der eine Feedback- und Mut-Kultur entstehen kann.

Vorleben bedeutet: Es werden OKR-Sets definiert, es werden die Events, insbesondere der Check-in während des laufenden Zyklus regelmäßig durchgeführt und es wird sich an die definierten Spielregeln gehalten. Hat sich zum Beispiel eine Organisation dazu entschieden, über OKR stärker zu fokussieren, so gilt das selbstredend auch für die Geschäftsführung.

Zweitens sollte eine Führungskraft die bestmögliche Umgebung schaffen. Es geht um die klaren Botschaften, die ein:e Sponsor:in senden kann und sollte. Dabei ist nicht nur der Erfolg wichtig, sondern auch, wie mit Misserfolgen umgegangen wird. Dazu zählt insbesondere das beobachtbare Verhalten, das ein:e Sponsor:in an den Tag legt – die Wortwahl, der Tonus, die Gesten.

Führungskräfte

Für Führungskräfte gilt gleichermaßen das Verhaltensset wie beim Sponsorship: Vorleben und eine adäquate Umgebung schaffen. Dennoch, wie bei vielen anderen Veränderungsthemen auch, kommt dem Mittelmanagement eine spezielle Rolle zu. Sie sind Übersetzer:innen.

Übersetzungsarbeit kann in verschiedenen Dimensionen notwendig sein. Verstehen die Teammitglieder die strategische Ausrichtung? Erkennen sie den Nutzen des OKR-Prozesses für ihren konkreten Fall im Team? Verstehen sie, warum es wichtig ist, ihre Ziele gegebenenfalls zusammen mit anderen Bereichen anzugehen? In der Praxis empfehle ich, diese Fragen immer wieder mit den Führungskräften zu thematisieren, zum Beispiel in dezidierten OKR-Coaching-Sessions. Das ist auch eine gute Gelegenheit, mit der jeweiligen Führungskraft über deren Verantwortung im OKR-Prozess zu sprechen. Eine der größten Fallen, in die ein OKR-Coach tappen kann, ist, eben genau diese Fragen für die Führungskraft zu beantworten.

Die Frage ist nun, wie diese Überzeugung stattfinden kann. Dazu ein paar Anregungen zum Ausprobieren:

  • Mit der Führungskraft den persönlichen Nutzen von OKR sammeln. (»What’s in it for me?«)
  • Mit der Führungskraft die Fragen in einem 1:1 thematisieren und gemeinsame Antworten erarbeiten, die dann die Führungskraft an die Teams kommuniziert.
  • Die Führungskraft befähigen, die tangierenden oder umliegenden OKR-Sets transparent zu machen.

Zusammenfassend würde ich mir wünschen, dass Führungskräfte viel sichtbarer im OKR-Prozess werden. Sie sind keine Statisten, sondern stehen zusammen mit ihrem Team auf der Bühne.

Teams

In den Teams entsteht die eigentliche Wertschöpfung. Sie sind der Maschinenraum und die Quelle für Innovation und Verbesserung. Die Reihe an Fachbüchern zur Teamentwicklung lässt die Regale einiger Bibliotheken knarzen. Deshalb beschränke ich mich hier auf zwei für unseren Kontext relevante Dimensionen.

Was heißt Team im OKR-Prozess?

Mir sind bisher zwei Varianten begegnet, die gegensätzlicher kaum sein könnten, wenn es darum geht, die gesetzten Ziele für die Iteration umzusetzen. Die eine befähigt die Teams aus dem Maschinenraum heraus zu Verbesserungen. Das bedeutet, sie docken an OKRs aus ihren Bereichen oder den Ressorts an, haben aber auch die Möglichkeit, eigenständige Team-OKR-Sets zu entwickeln, zum Beispiel, wenn sie glauben, dass sie dadurch eine wesentliche Innovation im kommenden Zyklus voranbringen könnten (zum Beispiel in der IT die Code-Qualität, Automatisierung eines Standardprozesses). Der Vorteil hierbei ist, dass das Team im besten Fall schon gut zusammenarbeitet, Expert:innen ihrer Themen sind und sich nicht groß in eine Thematik einarbeiten müssen. Der Nachteil: Vielleicht sieht das Team nicht die Notwendigkeit, an einem bestimmten strategischen Thema zu arbeiten und priorisiert dies weg. Das kann insbesondere dann zum Risiko werden, wenn bestimmte übergreifende Themen angegangen werden müssen. Hier setzt genau die zweite Variante an. Für die definierten OKR-Sets werden dann die Teams für den jeweiligen Zyklus zusammengestellt, quasi nach dem Task-Force-Prinzip. Dies eignet sich insbesondere dann, wenn einem Thema spezielle Beachtung geschenkt werden soll. Ebenso können gezielt die benötigten Fähigkeiten zur Umsetzung der Ziele in die Teams gezogen werden. Dies stellt mitunter auch ein großes Risiko der ersten vorgestellten Variante dar. Auf der anderen Seite gilt es, eine gewisse Anlaufzeit mit einzupreisen, da Teams sich mitunter erst einspielen müssen.

Wie können wir die Teamgesundheit mitdenken?

»OKR ist ein Spiegel für die Teamgesundheit. Deshalb stellen wir uns auch die Frage, zum Beispiel in den OKR-Workshops: Was sagt uns das über uns als Team aus?«

Lin Liu, SAP

Das Team als Nukleus der Wertschöpfung rückt in meiner Wahrnehmung in den vergangenen Jahren immer stärker in den Vordergrund, wie beispielsweise Studien zu High-performing-Teams oder Initiativen zur Teamgesundheit. Das Projekt »Aristoteles« von Google oder die Forschung von Amy Edmondson über »Psychologische Sicherheit« weisen auf Einflussfaktoren hinsichtlich der Teamgesundheit eines Teams hin. Die Events der Planung und Zusammenarbeit aus OKR machen deutlich, wie gut Teams bereits zusammenarbeiten. Eben deshalb macht es Sinn, die Teamgesundheit immer auch mit auf dem Radar zu haben. Beispielsweise kann es durch die Fokussierung und Priorisierung von Themen dazu kommen, dass einzelne Mitarbeitende vermehrt und andere weniger sichtbar werden. Stefanie Junghans (SAP) berichtet dazu: »Das ist aber auch ok so, da OKR nicht alles im Tagesgeschäft abbilden sollen, sondern die strategisch wichtigen Themen für das Team. Wichtig ist es, das im Blick zu haben. Und im nächsten Zyklus kann es dann auch wieder ganz anders ausschauen.«

Insbesondere Workshops wie Planning, Alignment oder auch die Retrospective bieten gute Beobachtungsmöglichkeiten und die Chance, Datenpunkte zu sammeln. Hier kann es hilfreich sein, den Moderator:innen der Workshops Beobachtungsleitfäden an die Hand zu geben. Die aggregierten Ergebnisse können anschließend mit den Führungskräften aus dem jeweiligen Bereich beziehungsweise einer im Unternehmen existierenden OKR-Community diskutiert werden.

Die nachfolgenden Beobachtungselemente kannst du beispielsweise in einem übergreifenden Workshop reflektieren:

  • Wie engagiert sind die Mitarbeitenden?
  • Wie groß ist die Bereitschaft, sich in die Ziele anderer hineinzudenken?
  • Wie sehr bin ich als Person der Meinung, dass diese Ziele mich betreffen?
  • Welcher Führungsstil ist hier gegebenenfalls zu erkennen?
  • Wie sprechen die Teams beziehungsweise Teammitglieder übereinander?

In vielen agilen Teams ist der Team-Health-Check verbreitet. Dazu wird kontinuierlich, zum Beispiel zu Beginn einer Retrospective auf einer Skala von 0 (sehr unglücklich) bis 5 (sehr glücklich) ein Stimmungsbild der Teammitglieder eingeholt. Diese Methode geht sehr schnell und bietet einen guten Einstieg in vertiefte Diskussionen.

Stakeholder

Gründer:innen, Aufsichtsrät:innen, Vorstandsetagen, Schwesterfirmen, Konzernmutter, interne Leistungsempfangende und – erbringende, Zuliefer:innen und natürlich die Mitbestimmung, sprich der Betriebsrat, die Liste möglicher Menschen und Interessensgruppen kann ganz schön lange werden.  Insbesondere Betriebsräte können hellhörig beim Thema OKR werden. Hat der Betriebsrat die Sorge, dass OKR zu einem Instrument der Leistungs- und Verhaltenskontrolle wird, kann dies die Verankerung des Rahmenwerks in der Organisation erschweren.

Eine klare Botschaft der Geschäftsführung zusammen mit HR sollte meines Erachtens sein: Wir messen, um zu lernen und nicht, um zu kontrollieren. Ferner sehe ich auch großes Potenzial, insbesondere Multiplikator:innen aus den Reihen der Mitbestimmung gezielt einzubinden. So erleben diese, was es heißt, gemeinsam Ziele zu setzen und daraus zu lernen. »Erleben lassen statt erklären« ist hier meine Devise.

OKR-Champion

Meine Interpretation der Rolle des OKR-Champions im Sinne eines ganzheitlichen Transformationsansatzes lautet. Wann immer möglich, sollte der OKR-Champion aus der Rolle des Regieführenden wirksam werden und weniger selbst im Rampenlicht stehen. Schlussendlich geht es um Skin in the Game und das sollten insbesondere die Führungskräfte und die Teams auf der Bühne spüren. Die Verantwortlichkeiten des OKR-Champions werden wir en détail in Kapitel 4 betrachten.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine Auseinandersetzung mit den relevanten Schlüsselpersonen und deren Einfluss bereits in der Anfangsphase sehr hilfreich ist. Unterschiedliche Menschen verfolgen in Organisationen so gut wie immer unterschiedliche Ziele. Mit und durch OKR stehen damit alle Beteiligten durch die veränderte Steuerungslogik vor neuen Herausforderungen.

Erfolgreiches scheitern

Neben der Reflexion der Schlüsselpersonen ist ein weiterer wirksamer Ansatz, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie ein mögliches Worst-Case-Szenario im Rahmen von OKR aussehen könnte. Nicht nur bei der Einführung von OKR, sondern auch im weiteren Lebenszyklus, ziehe ich dabei immer wieder meine »Checkliste für erfolgreiches Scheitern mit OKR« zu Rate. Diese hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr ermuntere ich die Beteiligten, diese zu ergänzen und sich dadurch bewusst zu machen, was im Umkehrschluss besser gemacht werden soll.

Die ultimative Checkliste für erfolgreiches Scheitern mit OKR:

  • Mach deutlich, dass das Streben nach der Unternehmensvision reine Zeitverschwendung ist.
  • Sage deutlich in der Öffentlichkeit, dass Kundenzentrierung das A und O ist, fokussiere dich im Tun allerdings ausschließlich auf interne Prozesse.
  • Beschreibe eine strategische Richtung so schwammig, dass auch wirklich keiner was damit anfangen kann.
  • Starte OKR als Geheimprojekt und erzähle allen, dass da was im Busch ist.
  • Falls es doch schon offiziell ist, fasse den Nutzen mit »Google macht das auch« zusammen.
  • Bist du in der Geschäftsführung, übertrage das Mandat für die Einführung von OKR irgendeiner Person im Unternehmen, die dich am wenigsten davon abhält, weiterhin über Command and Control zu steuern.
  • Dann solltest du aber noch hinzufügen, dass das hundert Prozent top-down funktionieren wird.
  • Damit das funktioniert, nimmst du einfach dein heutiges Zielsetzungssystem und schreibst OKR drüber.
  • Setze den Fokus weiterhin darauf, möglichst viel gleichzeitig anzuzetteln und bitte die Teams, kontinuierlich ihre Tasklisten öffentlich zu pflegen. Key Results eignen sich dafür besonders gut.
  • Hilfreich ist dabei auch, mit großem Brimborium zu Beginn des Jahres überambitionierte Ziele auszurufen und nie wieder darauf zu schauen.
  • Löse dabei am besten keine existierenden Probleme deiner Kund:innen und erzeuge keinerlei Mehrwert für dein Unternehmen.
  • Bitte deine Mitarbeitenden, sich selbstständig Informations- und Lernmaterialien im Internet zusammenzusuchen.
  • Knüpfe die OKRs an persönlichen Boni und Incentives, so sind alle so richtig motiviert.
  • Streue auch gerne ein paar Gerüchte, was mit Mitarbeitenden passiert, die ihre OKR-Sets nicht erreichen. Ein bisschen Angst hat noch keinem geschadet.
  • Verhalte dich stets gegensätzlich zu dem, was du von deinen Kolleg:innen erwartest.

Das Motto dieses Artikels ist »Lernen aus den Erfahrungen anderer«. Die beschriebenen Fallstricke und Empfehlungen wollen dir Denkanstöße für deinen (Unternehmens-)Kontext geben, sodass du hinsichtlich Erwartungsmanagement, Klarheit in der Kommunikation und der Zusammenarbeit mit den Schlüsselpersonen gewappnet bist.  

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