Corona hat die Virologen schlagartig ins Rampenlicht der Öffentlichkeit katapultiert. Doch nach einem halben Jahr virologischer Dauerbeschallung fällt das Fazit ernüchternd aus: So viel sie von Viren verstehen, so wenig beherrschen diese die Grundregeln der Krisenkommunikation. Dass sie nicht offen diktatorische Durchgriffe der Politik fordern, ist eher Zufall als Überzeugung – meint Zukunftsdenker und Kommunikationsexperte Dr. Klaus-Ulrich Moeller.
Bis heute hatte ich mir geschworen, öffentlich kein Wort über die Rolle der Virologen in der Corona-Krise zu verlieren. Dieses Versprechen kann ich nicht mehr halten, zu entsetzt bin ich inzwischen über das, was sie kontinuierlich Tag für Tag öffentlich in die Welt setzen. Entsetzt über ihre verheerende Art, konjunktivistisch über künftige Gefahren herum zu schwurbeln, ohne auch nur im Geringsten die Folgen zu bedenken, die ihre Szenarien des Könnte und Vielleicht und Eventuell haben. Sie sind alle exzellente Wissenschaftler. Dass sie streiten und sich oft gegenseitig gerne das Messer in die Kehle rammen würden, ist im Wissenschaftsbetrieb nicht unnormal. Und dass der Aufmerksamkeitsschub in der Krise nicht gerade die beste Voraussetzung für eine gesunde Erdung ist – geschenkt. Uns würde es auch nicht anders gehen. Und natürlich sind ihre Zahlen, Analysen und Vorschläge wichtig. Wenn es denn nur dabei bliebe.
Vermutungen helfen uns nicht weiter
Würde etwa ein Verkehrspilot bei einem Problem an Bord den Passagieren mitteilen, dass das ganze auch mit einem tödlichen Crash auf der Wasseroberfläche enden könnte? Würde ein Unternehmer seinen Mitarbeitern lockerhand sagen, er könne sich gut vorstellen, dass die Firma demnächst den Bach runtergeht? Würde ein Arzt ohne ausreichenden Grund seinem Patienten erklären, er könne sich gut vorstellen, dass er, der Patient, in Kürze auch stirbt? Abstruse Szenen – und es wird sich so nicht ereignen, weil die Beteiligten sich auf professionelle Kommunikation verstehen. Doch im Vermutungs- und
Konjunktivreich der Virologen sieht das völlig anders aus. Der eine vermutet, wir könnten unser ganzes Leben Masken tragen müssen, weil das Leben nie mehr normal werde. Nur tags später erfahre ich, dass das Virus nicht nur meine Lunge, sondern auch mein Gehirn zersetzen und mich vollständig lähmen könne – eventuell. Gerade mental erholt, muss ich lesen, dass sich Herr Wieler vom Robert-Koch-Institut eine totale Abschottung einzelner Hot Spots in Deutschland vorstellen kann. Man kann es ja mal in den Raum werfen. Und ins nächste Mikrofon würde der nächste virologische „Man könne sich vorstellen“-Satz gesprochen: Bundeswehr zur Überprüfung der Haushalte? Warum nicht? Kann das Virus durch Trinkwasser übertragen werden? Nicht auszuschließen. Denkbar. Hilft eine Impfung? Wahrscheinlich nicht. Können wir uns zweimal anstecken? Nicht zweimal, viele Male mehr, solange sie leben. Na, dann lieber gleich bei der ersten Ansteckung sterben.
Virologen würden Diktaturen wählen
Die Kreativität der virologischen konjunktivistischen Visions-Entfaltung würde auch bei Fragen nach der Herrschaftsform nicht halt machen: Durchregieren, befehlen, anordnen, lockdownen, bestrafen? Wäre wohl das Beste. Wuhan muss in virologischen Köpfen wie Balsam auf die Virus-Seele sein. Gute Kommunikation – gerade in Krisenzeiten – besteht aus wenigen Grundregeln. Eine davon lautet, mich nicht in wilden Vermutungen über die Zukunft zu ergehen. Was ich mir vorstellen kann, sorry, interessiert niemanden. Das Mögliche, das Eventuale, die Vermutung sind das Gift für jede professionelle Kommunikation. Es ist eine der journalistischen Fragetechniken, auf die ich in meiner langen Karriere als Kommunikationschef fast jeden meiner Vorstände vorbereiten musste. Fragen wie „Können Sie ausschließen?“, „Können Sie sich vorstellen?“, „Würden Sie folgende Maßnahme für möglich halten?“ – sie führen alle auf schwer vermintes Medien-Gelände, denen ich nur durch professionelle Antworten begegnen kann. Aber mein Eindruck ist eher, dass diese Professionalität im expertistischen Virologenlager gar nicht gewollt ist, sondern überlagert wird durch Selbstzentrierung, Profilierungsdrang und der völligen Unkenntnis darüber, dass Menschen aus mehr bestehen als aus Viren, Gehirn, Muskeln und Fieberschüben.
Menschen bestehen auch aus Geist, Gefühl, Emotionen, Hoffnungen und dem Versuch, sich ständig in der Welt neu zu verorten. Und Hoffnung zu schöpfen, dass es alles gut wird. Vielleicht könnte einer der Chef-Virologen uns einmal so eine Botschaft überbringen. Wir würden ihn küssen und herzen – sorry, natürlich NEINNEINNEIN – wir würden ihn mit dem Unterarm abklopfen. Aber letztlich ist er selbst daran schuld, oder?
Dr. Klaus-Ulrich Moeller arbeitet als langjähriger Top-Manager in Konzernen und als Begleiter mittelständischer Unternehmen heute selbstständig als Wirtschafts-Futurist, Autor und Business KeyNote Speaker. Er zählt zu den TOP100-Unternehmern bei der Redneragentur Speakers Excellence und ist Autor des Buches „Der Skoptimist – Gedankenskizzen zur unfertigen Zukunft“.