Was macht denn der da oben?

Es gibt sie wirklich – die Beförderung bis zur vollkommenen Unfähigkeit. Doch wie kann es soweit kommen? Wie kann so jemand durch die Qualitätskontrollen rutschen? Oder ist es sogar Kalkül? Diana Roth wirft einen kritschen Blick auf die Beförderungskultur.

Wie oft erlebe ich Coachees, die sich für eine Firma entscheiden, weil die Firma so einen guten Namen auf dem Markt hat, tolle Goodies, großartige Karriereaussichten oder Homeoffice und Personalentwicklungsmaßnahmen bietet. Dabei übersehen sie geflissentlich den Vorgesetzten, der bereits im Anstellungsgespräch eigenartige Andeutungen machte. Auch Auszeichnungen wie »Arbeitgeber des Jahres« helfen so gar nicht, wenn man vom Chef gemobbt beziehungsweise gebosst wird.

Die harte Realität jedoch: Häuptlinge bleiben, Indianer gehen! Insbesondere die Häuptlinge, die es lieben, Macht auszuüben.

Loyal zu sein, durchzuhalten und immer das Beste zu geben, das zeichnet die Mitarbeitenden unter solchen Häuptlingen aus. Sie warten jeden Tag darauf, dass die Firma den Chef endlich enttarnt und unter Schimpf und Schande von dannen schickt. Das passiert jedoch nie! Personaler beobachten eher das Gegenteil: Einem Indianer nach dem anderen wird gekündigt, der Häuptling wird nicht hinterfragt.

Schlechte Chefs sind teuer

Wir alle schuften ab und zu für einen inkompetenten Chef, der launisch, fies und hinterhältig ist. Und meist harren wir aus, weil der Ruf des Unternehmens so gut ist und wir wissen, dass uns das bei einem geplanten Jobwechsel Vorteile bringen wird.

Richtig! Bewerber aus guten Unternehmen werden 2020 beinahe überall bevorzugt. Nur bitte: Wer sagt denn, was gut und was schlecht ist?

Es gibt verschiedene Statistiken, die zum Thema gute und schlechte Führungskräfte kursieren. Alle haben jedoch den gleichen Nenner: Wenn Mitarbeiter kündigen, kündigen sie sehr oft wegen ihres Chefs. Damit wird klar: Schlechte Chefs sind teuer. Sie demotivieren, machen krank und lösen eine hohe Fluktuation aus.

Ganz spannend ist dies zu beobachten, wenn man als Personaler jährlich die Abwesenheitsstatistik (Fachbegriff: Absenzenstatistik), geordnet nach Lang- und Kurzabsenzen, auswertet. Ist die Führungskraft verhasst, unbeliebt und macht sie den Mitarbeitenden das Leben schwer, dann ist das durchaus ersichtlich. Diese Führungskräfte haben im Vergleich mit Kollegen vergleichbarer Positionen höhere Absenzen in ihrer Mitarbeiterschaft vorzuweisen. Das betrifft nicht nur die Kurzabsenzen wie Freitag-/Montag-Fehltage, sondern auch Abwesenheiten aufgrund von Burn-out, Depressionen et cetera.

Nicht ohne Grund laufen die Kurse »Gesundes Führen«, die von den Krankenkassen promotet werden, so besonders gut. Längst ist bekannt, dass es zwischen der hohen Anzahl von Krankheitstagen eines Mitarbeiters und dem Verhalten der Führungskraft eine Verbindung gibt. Ausnahmen bestätigen hier die Regel.

Du nickst? Und fragst dich, warum denn keiner darauf reagiert? Diese Frage hat mich als Personaler auch lange umgetrieben. Da passiert ein Führungswechsel und die Krankheitstage in der Abteilung schnellen nach oben. Die Zahlen werden der Geschäftsleitung vorgelegt und die sagt, die Mitarbeiter müssten sich eben erst an den neuen Vorgesetzten gewöhnen. »Er hat auch seine guten Seiten.«

Ein Mitarbeiter nach dem anderen kündigt, begründet in Austrittsgesprächen und manchmal sogar im Kündigungsschreiben, der Grund sei die Führungskultur, und was passiert? Augenscheinlich nichts!

Nun, ganz so ist es nicht. Natürlich passiert etwas, aber das ist für die Mitarbeitenden nicht sichtbar. Zum Beispiel wird der Vorgesetzte zum Big Boss gerufen. Ihm wird kräftig der Kopf gewaschen, er verteidigt sich und nennt zahlreiche Gründe, warum es nicht geklappt hat. That‘s it.

Ich weiß es genau, weil ich diese Gespräche begleitet habe und meinen sonst so toughen Geschäftsleiter oftmals nicht mehr wiedererkannt habe. Geschäftsleiter sind die schützende Hand über Führungskräften.

Das heißt also, dass Geschäftsleitungen genau wissen, was los ist. Trotzdem halten sie an dem Mann oder der Frau fest, auch wenn sie diese hinter verschlossener Türe kräftig zusammenfalten. Nach dem Anpfiff geht es dann für alle sichtbar gemeinsam in die Kantine. Sie trinken zusammen einen Espresso, scherzen und gehen anschließend gut gelaunt auseinander. Der Grund dafür ist: Grundsätzlich ist es leichter, einen Mitarbeiter zu finden, der zu diesem Chef passt, als einen Chef, der zum ganzen Team passt.

Im Übrigen gibt es oft einige wenige Mitarbeiter, die ihre Vorgesetzten durchschauen: Sie kennen die Tabuthemen, die Vorlieben, und mit diesem Wissen manipulieren sie geschickt. Sie führen ihre Chefs! Und deklarieren sogar ihre eigenen Interessen als die des Chefs.

Wenn diese Strategie klug durchdacht ist, kann das sogar gut funktionieren. Wichtig ist aber auch hier, sich nicht zu verdrehen und verleugnen.

Aber, und das ist mir hier sehr wichtig: Es gibt sie noch, die guten Chefs. Ich erlebe sie täglich und winde ihnen an dieser Stelle ein Kränzchen. Führen ist eine herausfordernde Aufgabe – auch weil jeder Mitarbeitende seine eigenen Vorstellungen hat, wie er gut geführt werden will. Das wiederum bedeutet für die Führungskraft, weder zwischen Tür und Angel zu kritisieren, was das Zeug hält, noch ständig mit dem gespitzten Rotstift durch die Abteilungen zu hechten.

Gute Führungskräfte halten auch nichts von der Zuckerbrot-und-Peitsche-Politik, selbst wenn sich der Glaube daran, dass sie die vielleicht wirksamste sei, immer noch hält. Gute Führungskräfte wissen: Worauf ich täglich herumtrampele, darauf kann nichts wachsen. Sie wollen mündige, wachsende, leistungsfähige und motivierte Mitarbeiter. Und sie vergessen dabei nicht, dass diese Mitarbeiter auch ebensolche Chefs wollen.

Fazit

Zu wissen, was man braucht, um gut mit einer Führungskraft zusammenzuarbeiten, ist der erste Schritt dahin, dass es mit der guten Zusammenarbeit auch wirklich klappt. Du bist keine Führungskraft, willst jedoch geschickt vorgehen? Hier prüfen (https://dianarothcoaching.com/bücher) findest du Themen, die einen guten Chef ausmachen. Fokussiere dich auf zehn Eigenschaften und gleiche ab, ob du sie hast.

Diese zehn Kernkompetenzen zeigst du ab heute ganz bewusst und deutlich und jede Woche aufs Neue. Thematisiere sie auch in Mitarbeitergesprächen.

Lass dich überraschen – vieles wird sich ändern, weil die Chef-Mitarbeiter-Beziehung ein dauerndes Spiegeln ist.

Das Peter-Prinzip

»Wie konnte der nur Chef werden?« – Hast du dir diese Frage auch schon mal gestellt? Oftmals empfinden wir einen Vorgesetzten als unfähig und als den sprichwörtlichen Elefanten, der ständig durch Porzellanläden trampelt.

1969 entdeckten Laurence J. Peter und Raymund Hull das Peter-Prinzip. Demnach werden manche Vorgesetzte so oft befördert, dass sie auf einen Posten gelangen, auf dem sie als total inkompetent wahrgenommen werden. Das Fazit der beiden US-Autoren: In jeder Firma gibt es Mitarbeiter oder Führungskräfte, die einen Posten bekleiden, den sie nicht ansatzweise ausfüllen können.

Provokant! Aber wie gut beobachtet ihre Annahme ist, zeigt jeden Tag die Praxis: Herr Muster ist so ein guter Servicetechniker, dass er zum Werkstattchef befördert wird. Auf dem neuen Posten scheitert er kläglich. Er mag weder managen noch Mitarbeiter führen.

Noch deutlicher zeigt sich dieser Missstand bei den sogenannten Pseudobeförderungen. Der Geschäftsleiter weiß schon lange, dass die Abteilungsleiterin unfähig ist. Trotzdem befördert er sie zur Filialleiterin – mit deutlich höherer Lohnstufe – und damit nimmt das Unglück seinen Lauf. Als Abteilungsleiterin wurde sie weg-befördert und als neue Filialleiterin befindet sie sich nun in einer Art Parkposition – der Komfortzone ziemlich ähnlich.

Sie präsentiert ihre neue Hierarchiestufe sehr deutlich: größeres Büro, größerer Dienstwagen und natürlich ein großer Schreibtisch. Sie plant auf Teufel komm raus die ihr anvertraute Filiale umzubauen und hält damit in der Hauptsache andere von der Arbeit ab.

Sie liebt es, Aktenberge um sich herum aufzubauen. Ihr Rotstiftblick findet jeden Rechtschreibfehler und Makel. Sie mutiert in kurzer Zeit zum Bedenkenträger der Firma. Sätze wie: »Da muss ich Ihnen aber heftig widersprechen. In Paragraf zwei unseres Spesenreglements ist dies anders deklariert!« liebt sie. Ihre neue Rolle füllt sie mit Eifer und Dankbarkeit aus. Manchmal wirkt sie jedoch sehr überfordert und verweist taktisch auf einen diensttieferen Vorgesetzten.

Beförderung bis zum Scheitern

In den Ausbildungsseminaren zum Führungsfachmann bezeichne ich das Peter-Prinzip gerne als Beförderung bis zum Scheitern. Und das nicht grundlos: Viele neue Vorgesetzte scheitern tatsächlich erst in den letzten drei Jahren ihres beruflichen Wirkens. Und zwar, weil sie nicht bemerkt haben, dass sie ein Opfer eben dieses Peter-Prinzips geworden sind.

Vorgesetzte sind auch nur Menschen. Und als solche machen sie auch Fehler. Sie stehen unter besonderer Beobachtung, denn ihre Fehler können viel Schaden anrichten – einerseits in dem Unternehmen und andererseits bei den Menschen, die ihnen anvertraut sind.

In meiner Personalerzeit in einem internationalen IT-Unternehmen lernte ich einen vorbildlichen Abteilungsleiter kennen. In seiner Abteilung gab es eine langjährige Mitarbeiterin, die es liebte, als Intrigantin manche gute Stimmung aufzumischen. Zudem war sie eine Heimlichtuerin und es gab Spekulationen darüber, ob sie es war, die das Kaffeepulver, Toilettenpapier oder anderes Büromaterial mitgehen ließ.

Gemeinsam mit besagtem Abteilungsleiter führte ich einige Gespräche mit dieser Frau. Zusätzlich wurde ihr ein Coach zur Seite gestellt. Nichts war erfolgreich. Auch drei Abmahnungen später hatte sich nichts geändert. Im Gegenteil, es wurde schlimmer: Kunden beschwerten sich vermehrt und Mitarbeiter kündigten.

Schließlich wurde ihr gekündigt. Die Kollegen waren entsetzt, zum Teil sogar sehr aufgebracht. Sie sahen nur die in ihren Augen nicht verhältnismäßige Reaktion des Vorgesetzten gegenüber einer langjährigen, treuen Mitarbeiterin. Was im Vorfeld alles passiert und unternommen worden war – davon wussten und erfuhren sie nichts.

Damit müsse er leben, meinte ihr Chef seinerzeit zu mir. »Ich bin Führungskraft aus Leidenschaft. Die Werte, die ich hier deklariere, muss ich auch umsetzen. Ich weiß, damit mache ich mich unpopulär und angreifbar. Aber hätte ich ihr nicht gekündigt, wäre ich einer von vielen, die Wein trinken und Wasser predigen. Ich kann mit dieser Entscheidung gut leben und morgens vorbehaltlos in den Spiegel schauen!«

Vorgesetzte, die respektiert und geschätzt werden, geben immer den Ton an. Sie achten selbst auf die Büro-Etikette, sie kommen nicht zu spät, binden nicht jede eigene Unsicherheit ihren Mitarbeitenden auf die Nase. Und sie sind sich nicht zu fein, auch mal eigene Fehleinschätzungen anzusprechen.

Fazit

Es muss nicht immer aufwärts gehen, damit die persönliche Situation am Arbeitsplatz besser wird. Seitwärts, aber auch abwärts führt es dich manchmal zu einem passenderen Weg. Berufliche Rückschritte – auch Downshifting genannt – können, zumal wenn selbst gewählt, Erleichterung und neue Aspekte in die eigene Arbeitswelt bringen.

Narrenfreiheit und merkwürdige Businessspiele – So unterschiedlich sind Chef-Typen

Im Mittelalter gab es Narren. Sie bespaßten andere und besonders die Könige. Es waren auch vermeintlich Dumme, Tollpatschige darunter, die sich sogar mit Halbwissen versehen als Gelehrte aufplusterten.

Aber schauen wir doch lieber wieder auf die modernen Businessspiele und die in ihnen auftretenden Chef-Typen:

Da gibt es den kaspernden Chef, der gerne und viel mit seinen Mitarbeitenden lacht. Er wirkt oftmals ein wenig chaotisch, denn er mag keine strengen Richtlinien. Immer einen Witz auf den Lippen, verkennt er gerne mal den Ernst der Lage. Kündigt dann ein Mitarbeiter, schlägt sein Humor in Beleidigtsein um.

Ganz ähnlich tickt der humane Chef. Er zeigt großes Verständnis für seine Mitarbeiter und führt kooperativ. Fast jede Entscheidung wird mit den Mitarbeitenden besprochen. Konflikten jedoch geht er erfolgreich aus dem Weg. In einer Firma begegnete mir für einen solchen Vorgesetzten die Bezeichnung Kumpelchef. Regelmäßig stolperte er einfach so ins Büro, grinste sein breitestes Grinsen, hielt beide Daumen nach oben und flüsterte: »Alles klar?«

Der kaspernde wie der humane Chef signalisieren: »Wir sind doch alle Freunde und sitzen im gleichen Boot.«

Dann gibt es noch den hektischen Chef. Er demonstriert stets Land unter. Termindruck und Anspannung sieht man ihm schmerzlich an. Natürlich hat er viel zu wenig Zeit für Führungsgespräche. Er schluckt Magentabletten und isst sein Sandwich am Computer. Sein Arbeitsleben ist ein Opfer fürs Unternehmen und ähnelt damit dem Vierten im Bunde: dem ehrgeizigen Chef.

Dieser ist jedoch konzentriert auf die Ziele des Unternehmens. Weil er gut organisiert ist, hätte er zwar Zeit für seine Mitarbeitenden, nimmt sich diese jedoch nicht. Er hat einen ausgeprägten Rotstiftblick und neigt zu übertriebener Perfektion, nicht selten auch zum Mikromanagement. Er kann sich an einzelnen Arbeitsschritten eines Mitarbeiters festbeißen wie ein Terrier. Man erkennt ihn am Lehrerfinger, den er immer dann zeigt, wenn es darum geht, wie er es besser gemacht hätte. Eine seiner Lieblingsfragen ist: »Bis wann habe ich dies in der Qualität, die ich brauche, auf dem Schreibtisch?« Stresssituationen werden ausschließlich durch den Einsatz seiner Macht reguliert.

Der hektische wie auch der ehrgeizige Chef lieben das Ich-bin-viel-wichtiger-als-ihr-Businessspiel. Schließlich müssen sie ihren Kopf hinhalten. Und Zeit ist Geld!

In dieser Reihe müssen natürlich auch die strengen Führungskräfte genannt werden. Sie führen autoritär und klar und haben das Zepter ganz offensichtlich in der Hand. Sie geizen mit Informationen, treffen Entscheidungen und erwarten Respekt für ihr Tun. Ihre Körpersprache ist mächtig: zackige Schritte, kurze Sätze. Dazu eine klare innere Haltung: Mitarbeiter müssen mich nicht lieben, sie sollen für mich arbeiten!

Die strengen Führungskräfte unterscheiden sich deutlich von den sachlichen Führungskräften. Diese lieben Arbeitsprozesse, Richtlinien, Anweisungen, Regelungen und jegliche Vorschriften. Bürokratie und Formalismus sind ihre Sicherheit. Damit fühlen sie sich wohl. Jedwede Frage wird mit einem Kommentar wie »Im Spesenreglement, Artikel vier, Absatz drei, steht ganz genau beschrieben, wie wir hier vorgehen müssen. Bitte halten Sie sich daran!« beantwortet. Strenge wie sachliche Führungskräfte spielen zeitweise sehr unterschiedlich. Während der strenge Chef seine Rolle liebt und zelebriert, versteckt der sachliche sich gerne hinter Gesetzbüchern und Reglements.

Mein persönlicher Favorit ist der souveräne kooperative Leader. Er hat eine natürliche Autorität und delegiert gerne. Damit fördert und fordert er die Eigeninitiative der Mitarbeitenden, Kreativität darf sich entfalten. Mitarbeitende schätzen ihn als ein zuverlässiges Vorbild, das mit analytischer Kompetenz schnell das Machbare erfasst und dazu noch überzeugend auftritt.

Und wie ist dein Chef so?

Dein Chef hat von jeder dieser typischen Führungsprofile Anteile? Gut so, denn Chefs sind nie nur so oder so. Aber sie verhalten sich in einzelnen Situationen nach ihrer besten Möglichkeit. Diese zu erkennen, zu durchschauen, ist bereits ein wesentlicher Schritt, um mit den Rahmenbedingungen klarzukommen. Um es deutlich zu sagen: Du hast zwei Stellschrauben, an denen du drehen kannst – du kannst deine Ansprüche und Haltung anpassen und du kannst den Rahmen aktiv mitgestalten. Was du nicht ändern kannst, ist dein Chef!

Fazit

Der Führungsstil eines Vorgesetzten hat erheblichen Einfluss auf den Erfolg der Organisation. Ein guter Führungsstil motiviert Mitarbeitende und fördert die Produktivität in Unternehmen und Firmen.

Netz und doppelter Boden – Seilschaften in der Lamettafraktion

Bernd Geropp prägte den Ausspruch: »Jeder Chef hat die Mitarbeiter, die er verdient!« Und ich möchte ergänzen: »Und das in den meisten Unternehmen spätestens nach drei Jahren.« Dann nämlich haben neue Führungskräfte die Bereinigungsphase erfolgreich abgeschlossen.

Ein häufiger Vorgang bei Neuankömmlingen auf der Führungsebene ist darüber hinaus folgender: Neue Führungskräfte ziehen oft Vertraute aus der letzten Firma nach. Mitarbeitende, die schon damals Verbündete waren, geben dem neuen Job einen familiären, sicheren Anstrich. Gerade wenn die Führungsposition mehr als Troubleshooting (das heißt als Problemlöser) missbraucht wird, sind verlässliche Seilschaften Gold wert.

Schon mal beobachtet? Es passiert schleichend und oftmals bemerken Mitarbeitende gar nichts davon. Den Personalern wird erzählt, der Bewerber sei zwar persönlich bekannt, aber er solle trotzdem den Bewerberprozess normal und ohne Bevorzugung durchlaufen. Als Anfängerin in der Personalarbeit bin ich darauf oft reingefallen.

Es ist absolut in Ordnung, Mitarbeitende einzustellen, die man bestens kennt. Nur warum machen diese Menschen daraus so eine Show? Laden sogar noch andere Bewerber ein? Personaler und Kollegen werden auf diese Art an der Nase herumgeführt, Hoffnungen bei ahnungslosen Bewerbern geweckt – wo der Favorit längst feststeht, weil der beste Kumpel (hier die Führungskraft) es entscheiden konnte.

Ein Businessspiel, das so oder ähnlich in vielen Firmen gespielt wird. Nach und nach wird so eine ganze Abteilung mit Menschen aus den eigenen Netzwerken bestückt und heimlich, still und leise eine Zweiklassengesellschaft implementiert.

Problematik Seilschaften

Folgendes Beispiel zeigt die Problematik solcher Seilschaften auf: Frau Stark, die Abteilungsleiterin einer Produktionsfirma mit zweihundertzwanzig Mitarbeitenden, suchte einen Bereichsleiter. Wir im HR erhielten zwanzig Bewerbungen, davon kamen vier für ein Vorstellungsgespräch infrage. Die Unterlagen wurden sorgfältig aufbereitet. Jede Frage wurde im Vorfeld vom HR festgehalten und mit der Vorgesetzten diskutiert. Frau Stark neigte zu Perfektionismus. Beiläufig erwähnte sie, dass eine der Bewerberinnen eine Bekannte sei. Es sei ihr so gar nicht recht, dass diese sich beworben habe. Aber korrekterweise müsse sie sie wohl doch einladen, denn auf dem Papier sei sie überzeugend.

Wer hätte es gedacht: Zum Schluss waren nur noch diese flüchtige Bekannte (Frau Schwach) und eine weitere Bewerberin in der engeren Wahl.

Das zweite Gespräch mit den zwei Bewerberinnen führte der Geschäftsleiter des Unternehmens. Anschließend setzten wir uns alle zusammen und besprachen unsere Eindrücke. Wie ich war der CEO der Meinung, dass die Bekannte der Abteilungsleiterin die bessere Wahl wäre. Zwischen ihr und der zweiten Bewerberin lagen Welten. Pikant, denn diese Vorauswahl hatte die Abteilungsleiterin geschickt getroffen und so eingefädelt.

Frau Stark gab sich erst unschlüssig. Nach einem Moment des Zögerns willigte sie kleinlaut ein. Erst viel später habe ich gemerkt, dass das ihr taktisches Spiel gewesen war. Frau Schwach startete sehr motiviert und wurde von ihrer Vorgesetzten sehr gefördert. Der neue Besen, den man schon lange privat kannte, fegte besonders gut. Sie übernahm ein sehr schwieriges Frauenteam und erhielt als erste Aufgabe, einer Frau zu kündigen. Sie lehnte das kategorisch ab.

Das Mitarbeiterteam hatte mittlerweile spitzbekommen, dass seine neue Vorgesetzte eine Busenfreundin der Abteilungsleiterin war, und trug mit seinen Mitteln zur Eskalation bei: Es heizte die Gerüchteküche in der Firma ordentlich an.

Die ehemals besten Freundinnen Frau Stark und Frau Schwach wurden schließlich zu Gegnerinnen. Das Problem: Die vertragliche Situation machte eine ordentliche Kündigung der mittlerweile doch umstrittenen Frau Schwach unmöglich.

Als Personalerin wurde ich zu dieser Zeit in jeder Sitzung von der Abteilungsleiterin unter Druck gesetzt und gedrängt, Möglichkeiten einer Kündigung zu finden. Bis das Ganze ein Ende nehmen konnte, brauchte es vier Jahre und ein Burn-out von Frau Schwach. Sie kündigte erschöpft und strich die Segel.

Merke also: Der Karriere dienlich sind Seilschaften nur, wenn die Verbandelten nicht aus demselben Umfeld stammen.

Fazit

Wo man hinschaut: Vitamin B funktioniert immer noch. Ob bei der Einstellung, Beförderung oder Lohnerhöhung und ganz besonders in der Lamettaliga. Alle Branchen und Organisationsstrukturen kennen Filz und Klüngel.

Mein alter BWL-Dozent sagte einmal: »Je ländlicher und kleiner die Firma ist, desto größer ist die Bedeutung des Vitamins B.« Das ergänze ich gerne mit: »Das Ganze funktioniert auch in Städten und Großkonzernen und geht einher mit einem guten Netzwerk!«

Beobachte doch mal bewusst die Teppichetage deines Unternehmens – mit einem besonderen Augenmerk auf die extern zugewanderten Führungskräfte. Und? Hat der ein oder andere bei Personalabgängen sein altes Netzwerk wiederbelebt?

In der Schweiz werden viele Kontakte während der obligatorischen Militärzeit geknüpft. Diese Bande sind enorm stabil – sie halten ein Leben lang und lassen sich kaum zerreißen. In anderen Ländern gelten der Rotary Club oder Golfklubs als elitäre Vereinigungen der Netzwerker.

Das ist legitim – jeder von uns hat irgendwelche Verbandelungen. Wie sie jedoch in den Führungsetagen der Unternehmen genutzt werden und welche Gesetze sie außer Kraft setzen können, ist den meisten nicht bekannt.

Was aber auch viel wichtiger für dich ist: Baue dein Netzwerk aus. Durch zielgerichtete Netzwerkpflege entstehen nicht nur interessante Beziehungen, sondern es kann deinen Karriereabsichten einen ordentlichen Schub geben. Auch introvertierte Menschen kommen so zum Zug. Und du fällst vielleicht irgendwann die Treppe schneller hoch, als dir überhaupt lieb ist. Netzwerken funktioniert offline und online. Erste Schritte sind mit Xing und LinkedIn möglich. Auch Facebook und Instagram sind Optionen – je nach Typ, Funktion und Branche. Auf diese Weise ist eine weitverzweigte Vernetzung möglich: Zukunftsforscher prophezeien sogar, dass Mitarbeiter irgendwann vernetze Einzelkämpfer sein werden.

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