Als Führungskraft sitzen Sie häufig zwischen zwei Stühlen. Auf der einen Seite finden Sie Ihren Vorgesetzen und auf der anderen Seite Ihre Mitarbeiter. Jede Seite hat unterschiedliche Ansprüche und diese Sandwich-Position bringt es mit sich, dass Sie dem ständigen Druck von oben und Druck von unten ausgesetzt sind. „Unser oberstes Management macht mir Druck, die Kosten zu optimieren und meine Mitarbeiter machen mir Gegendruck, weil sie schon massiv Überstunden fahren!“
Grundsätzlich ist es in dieser Sandwichsituation wichtig, dass Sie ein vertrauensvolles und offenes Verhältnis zu Ihrem Chef aufgebaut haben. Informieren Sie Ihren Chef deshalb prinzipiell frühzeitig über interessante und relevante Entwicklungen. Chefs lieben keine Überraschungen. Binden Sie ihn möglichst frühzeitig ein. Dieser Punkt ist entscheidend, denn seinen Chef kann man im eigentlichen Sinne nicht führen, sondern muss ihn überzeugen und gewinnen.
Ihre Loyalität zu Ihrem Chef ist ebenfalls entscheidend. Dazu gehört auch, dass Sie ihn in schwierigen Situationen unterstützen und sich als verlässlich zeigen. Wenn Ihr Vorgesetzter angegriffen wird, verhalten Sie sich wie ein Führungsprofi. Selbst wenn man ahnt, dass Sie inhaltlich nicht voll hinter Ihrem Chef stehen, lassen Sie ihn in Krisenfällen nicht alleine. Wenn Sie das nämlich tun, dann wird Ihr Image angekratzt und Sie werden als illoyal gelten. Wie ungünstig das für Ihre Vorbildfunktion und für Ihr Bild als integere, verlässliche und loyale Führungskraft ist, ist klar.
Sollte Sie sich im Management-Sandwich von Ihrem Chef übergangen fühlen, dann suchen Sie das direkte Gespräch. Bringen Sie das Thema zeitnah und im richtigen Moment mit Ich-Botschaften auf den Punkt. Sie können beispielsweise sagen: ‚Herr Chef, ich habe mich in dieser Situation übergangen gefühlt, als Sie meinen Mitarbeiter Herrn Gruber direkt angesprochen haben.’ oder ‚Herr Chef, ich habe mich als Vorgesetzter von Herrn Gruber übergangen gefühlt und möchte mit Ihnen darüber sprechen.’ Die Reaktion Ihres Vorgesetzten wird zeigen, ob er in Zukunft das so genannte ‚Transparentführen’ also das Überspringen der nächsten Führungsebene lässt. Manchmal hilft es auch, wenn Sie Ihrem Chef die Personalakte Ihres Mitarbeiters auf den Tisch legen und sagen: ‚Sehe ich das richtig, Sie möchten den Mitarbeiter ab sofort selbst führen!?’ Im anschließenden Gespräch können Sie den Sachverhalt dann klären.
Es gibt sicher Situationen, in denen man von seinem direkten Chef frustriert ist und die Hierarchie im Managementsandwich überspringen möchte, indem man direkt zum Chef des Chefs geht. Mein dringender Rat: Tun Sie es nicht, denn in 95 % der Fälle geht der Schuss nach hinten los. Die wenigsten Chefs belohnen Ihre Mitarbeiter, wenn sie den Dienstweg ignorieren. Jack Welch rät Folgendes: Wenn die Situation für Sie so schwierig wird, dass Sie kurz davor stehen zu platzen, dann haben Sie nur zwei Alternativen: Aussitzen oder sich einen anderen Arbeitgeber suchen. Sehr häufig hat ein Übergehen des Chefs zur Folge, dass man selber ‚gegangen wird’. Auch Robert Greene empfiehlt in seinem Buch ‚Power – die 48 Gesetzen der Macht’ im Gesetz Nummer 1 folgendes: „Stell nie den Meister in der Schatten’.
Natürlich ist die Versuchung groß, ein Sandwich-Dilemma vermeintlich zu lösen, indem man sich für eine Seite entscheidet, das kleinere Übel wählt oder es allen recht machen will. Über Führungskräfte, die es allen recht machen möchten sagt Lothar Späth: ‚Everybody’s Darling ist everybody’s Depp’. Deshalb empfehle ich Ihnen, das klassische Sandwich-Dilemma in zwei Schritten zu lösen.
Erstens werden Sie sich über das Spannungsfeld bewusst, das Sie beschäftigt. Mit Ihrem Sandwich-Dilemma müssen Sie sich schriftlich beschäftigen. Machen Sie sich die unterschiedlichen Positionen und deren Auswirkungen bewusst. Schreiben Sie alle Vorteile der Optionen auf die eine Seite des Papiers und alle Nachteile auf die andere Seite. Dadurch erhalten Sie bereits erste Anhaltspunkte über die Bedeutung, mögliche Auswirkungen und Konsequenzen. Sobald Sie sich den ersten Satz aufschreiben, verliert das Dilemma bereits die Hälfte seines Schreckens: Transparenz befreit!
Zweitens suchen Sie nach einem Ausgleich. Fragen Sie: ‚Wie werde ich beiden Seiten auf eine Weise gerecht, die für mich akzeptabel ist?’. Diese Schlüsselfrage eröffnet Ihnen einen weiten Horizont von Möglichkeiten, einen Ausgleich zu finden. Zum Beispiel könnten Sie sagen: „Selbst wenn die Geschäftsleitung falsch kalkuliert hat – wir müssen liefern! Also lasst uns noch mal unsere Kostenpositionen durchgehen. Irgendwas finden wir doch immer. Eine zweite Formulierungsmöglichkeit: „Ich habe alles versucht, um die Geschäftsleitung zu überzeugen, dass die Kosten schon jetzt auf Kante genäht sind. Aber wir haben keine Chance. Also lasst uns überlegen, wie wir das trotzdem schaffen.“
Jede dieser Antworten löst das Sandwich-Dilemma. Die Mitarbeiter werden einlenken, das Management wird zufrieden sein und vor allem können Sie als ‚gesandwichte Führungskraft’ zu Ihrer Lösung stehen. Entscheidend für die Lösung ist, dass Sie sich bewusst machen, in welchem Spannungsfeld sie sich befinden und dann einen Ausgleich der beiden Spannungspole suchen, mit dem Sie leben können.
Es gibt grundsätzlich drei Möglichkeiten, mit Sandwichsituationen umzugehen. Die Amerikaner sagen hier treffend: ‚Love it, leave it or change it’. Zu Deutsch: „Ändern, Akzeptieren oder Abhauen“. Das heißt, dass es manchmal auch Situationen geben wird, in denen Sie mit einem Zielkonflikt umgehen müssen. Wie heißt es in Richard Wagners Oper die Fledermaus so schön: ‚Glücklich ist, wer vergisst, was nicht zu ändern ist’.
Matthias K. Hettl, Dipl.-Ökonom, Dipl.-Betriebswirt (FH), war nach Studium und Doktorandenzeit in verschiedenen Managementpositionen mit Führungs- und Budgetverantwortung, in der Geschäftsführung eines mittelständischen Unternehmens und als Consultant bei den Vereinten Nationen in New York tätig. Seit 1995 ist er Geschäftsführer des Management-Institutes Hettl Consult in Rohr bei Nürnberg. Als Executive Coach, Trainer und Managementberater begleitet er mit seinem Team Vorstände, Geschäftsführer und Führungskräfte mit den Schwerpunkten Leadership Skills und Managementkompetenzen. Er verfügt über Erfahrungen als Aufsichtsratsmitglied und vertrat mehrere Jahre eine Professur für Management und Marketing. Matthias Hettl ist Buch- und Hörbuchautor und Verfasser zahlreicher Fachartikel und als »excellent speaker« im deutschen Sprachraum und in Europa tätig.