Digitale Transformation analog denken. Auf der Serviette!

Viele große Ideen hatten ihren Ursprung auf einer kleinen Serviette. Denn was auf eine Papierserviette passt, geht auch leicht ins Gehirn. Einleuchtend, oder? Doch was hat eine Serviette mit Digitaler Transformation zu tun? Eine ganze Menge. Denn die digitale Transformation scheitert allzu oft an schwerfälligen, sterilen Strategiepapieren. Wer aber Menschen mit einer Idee anstecken möchte, muss begeistern, eine visuelle Geschichte erzählen. Und das selbst digitale Transformation auf eine Serviette passt, illustriert Prof. Dr. Dennis Lotter.

Große Ideen wurden in der Vergangenheit schon öfters auf kleinen Servietten geboren. Jeff Bezos kritzelte seine erste Idee zum legendäre Amazon-Geschäftsmodell auf ein Mundtuch. In der Politik schrieb Arthur B. Laffer mit einer einfachen weißen Stoffserviette Politikgeschichte. Der junge Ökonom verblüffte 1974 die beiden aufstrebenden Nachwuchspolitiker Dick Cheney und Donald Rumsfeld mit einer Servietten-Skizze zu seiner Theorie über den Zusammenhang von Steuersätzen und -aufkommen. Bis heute ziehen konservative Wirtschaftspolitiker Laffers Theorie zur Rechtfertigung von Steuersenkungen aus der Westentasche. Klar! Was auf eine Serviette passt geht auch leicht ins Hirn. Kurioserweise kann sich Laffer selbst aber gar nicht mehr so richtig daran erinnern, dass er je seine U-Kurve auf eine Serviette gemalt habe. Ob die gefällige Servietten-Story wirklich stimmt oder nicht, entzieht sich unserer Kenntnis. Interessant an der Anekdote ist, dass scheinbar alleine die Geschichte von der bemalten Stoffserviette ausreicht, um eine komplexe Theorie unter die Menschheit zu bringen. Und da liegt das Insignium: Theorie- und Strategiepapiere sind schwerfällig und hochgradig steril. Visuelle Geschichten sind dagegen leichtfüßig und ansteckend. Sie verbreiten sich wie ein Virus im Körper – selbst dann, wenn völlig offen ist, ob die Pointe der Geschichte tatsächlich stimmt.

Das Buch zum Thema


» Mehr Infos

Die Servietten-Skizze ist jedenfalls ein intelligentes Werkzeug, um komplexe Themen auf den Punkt zu bringen. Einfach, visuell und so komprimiert, dass sie bei einem Cappuccino, einem Mittagessen oder einem Drink an der Bar für Jedermann verständlich erläutert werden kann. Der Masterplan Digitale Transformation auf einer Serviette. Klingt gut! Fast so gut, wie die Steuererklärung von Herrn Merz auf dem Bierdeckel. Aber ist das nicht ein Widerspruch in sich, etwas digitales analog zu denken?

Analog denken in digitalen Zeiten? Ja.

Digital bedeutet eine messerscharfe, ja geradezu brutale Zweiteilung. Null oder Eins. Dazwischen gibt es nichts. Entweder-oder, schwarz oder weiss – das ist verlässlich eindimensional. Das analoge Denken kennt im Gegensatz dazu, eine Vielzahl an Lösungsmöglichkeiten und Optionen. Vielfalt ist spannend. Vielfalt generiert Reibungspunkte. Aus Reibung entstehen Funkenflug und Feuer. Das sehen wir bei Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungshintergründen, die in Hochleistungsteams zusammenwirken. Charismatisch, vielfältig geprägt, kantig, tragen sie zu einer gegenseitigen geistigen und kreativen Befruchtung bei. Das Fundament der Brücke zur digitalen Zukunft liegt – Sie ahnen es schon! – im analogen Denken mit Stift und Serviette!

So sorry!  „Wenn sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben sie einen scheiß digitalen Prozess.“

Hat er das wirklich gesagt? Ja! Thorsten Dirks, der ehemalige CEO der Telefónica Deutschland AG (Heute Vorstandsmitglied der Deutschen Lufthansa AG) richtete seinen Scheinwerfer mit dieser provokanten Bemerkung auf die Unsinnigkeit von unreflektierten Digitalisierungsprojekten. Auf dem Wirtschaftsgipfel der ‘Süddeutschen Zeitung’ brachte er mit dieser unglaublich ehrlichen Formel das Auditorium für einen kurzen Moment in nachdenkliche Schockstarre. Recht hat er!

Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Basta! Erinnern wir uns an die alte Informatiker-Weisheit „garbage in, garbage out“ (kurz GIGO). Das gilt gerade auch in Zeiten der Digitalen Transformation. Werden holprige, ineffiziente oder eben xxx Prozesse eins zu eins digitalisiert, hat man in der Folge eben nur holprige, ineffiziente oder xxx „digitale“ Prozesse. Daran gibt es keinen Zweifel. Versucht man nun ein antiquiertes Denk- und Organisationsmodell eins zu eins digital zu transformieren, hat man in der Folge…Sie wissen schon!  Greifen wir also zur Serviette und beginnen digital analog neu zu denken.

Mit Käsekästchen zur Digitalen Transformation. Leckomio!

Sie erinnern sich bestimmt an den Klassiker aller Strategiespiele: Käsekästchen. Ursprünglich entwickelt von einem gewitzten Mathematiklehrer war es lange Zeit eines der beliebtesten (Pausen-)Spiele an deutschen Schulen. Ideal auf Reisen mit Kindern, in der Warteschlange am Bahnschalter oder einfach nur als Zeitvertreib im Physikunterricht. Was wir dafür brauchen? Richtig! Nicht mehr als eine Papierserviette und einen Stift.

Bei diesem Spiel geht es darum, möglichst viele Kästchen mit einem X zu erobern. Bevor allerdings das Spiel beginnen kann muss ein Rahmen festgelegt werden, in welchem das Spiel überhaupt stattfindet. Das erinnert doch stark an Digitale Transformation! Rahmen festlegen, spielen, experimentieren, lernen, entwickeln und am Ende gewinnen. So gelingt der kulturelle und strukturelle Wandel – und um nichts weniger geht es doch beim Digital Change!

Unser Käsekästchen zur Digitalen Transformation besteht aus neun größeren rechteckigen Feldern. Wir bezeichnen sie als Transformationsfelder. Den Rahmen bilden drei Transformationsebenen: Haltung und Kultur, Strukturen und Prozesse sowie Produkte und Geschäftsmodelle. Greifen wir zum Stift und zeichnen schwungvoll unsere rechteckigen Käsekästchen auf die Serviette. Dazu müssen Sie kein Picasso sein. Es kommt nicht auf Schönheit an. Pragmatisch muss es sein.  Rechts und links entlang der goldenen Mitte jeweils drei Kästchen und darunter in einer Linie nochmals drei gleichschenklige Karo-Kästchen. Sie meinen neun Käsekästchen sind keine Raketenwissenschaft? Da haben Sie wohl recht! Soll es auch bewusst nicht sein. Komplexe Sachverhalte komplex darzustellen ist keine Kunst.

Komplexität bewältigt man nicht mit Komplexität.

In der gehobenen Küche hat man das seit jeher verstanden: Nur lecker macht Laune! Das gilt auch für sperrig-spröde Themen, wie die Digitale Transformation. Doch wie geht lecker? Fragen Sie einmal ihren Maître de Cuisine nach einem guten Fonds oder Bratensaft. Das Geheimnis liegt in der Reduktion. Als Reduzieren bezeichnet man in der Küche das starke Einkochen von Flüssigkeiten. Das Ziel: den Wassergehalt verringern und so den Geschmack deutlich zu intensivieren. Wenn wir Menschen für den digitalen Wandel und den Schritt in eine unkalkulierbare Zukunft gewinnen wollen, dann braucht es ein stark konzentriertes Zielbild. Will es wirken, muss es einfach und intuitiv erfassbar sein. Schlicht und gleichzeitig raffiniert, komplex und dennoch einfach durchschaubar. Gut strukturiert und prägnant in der knappen Darstellung. Es muss alle Beteiligten an einen Tisch bringen. Und zwar so, wie ein gut reduzierter Bratenfonds.

Beginnen wir nun unsere neun Kästchen zu ixen!

Käsekästchen ist ein simples Spiel mit einem simplen Ziel: Wer auch immer am Ende des Spiels die meisten Kästchen „ixt“, gewinnt. Wer ein Kästchen schließt, also die vierte Kante des Kästchens malt, darf es mit einem X markieren und noch einen Strich setzen. So tasten wir uns Schritt-Für-Schritt vor. Ebene für Ebene. Kästchen für Kästchen. Die Ziellinie fest im Visier, alle Muskeln angespannt, ziehen wir unsere ersten Linien im Käsekästchen der Digitalen Transformation.

  1. Vom Gewinn zum Sinn – den Normativen Orientierungsrahmen stecken.
  2. Vom Entweder-Oder zum Sowohl-Als-Auch – eine flexible Denkhaltung fördern.
  3. Vom Wissen zum Lernen – eine transparente Wissenskultur schaffen.
  4. Vom Marathon zum Sprint – eine agile Arbeitsweise etablieren.
  5. Vom Superheld zur Gummibärenbande – eine partizipative Organisationsstruktur bauen.
  6. Vom Feedback zum Feedforward – ein vorwärtsgerichteteds Performance Management installieren.
  7. Vom Blindflug zur Punktlandung – eine klare Digitalisierungsstrategie entwickeln.
  8. Vom technischen Feature zum echten Kundennutzen – die Organisation auf die Maximierung der positiven Kundenerfahrung ausrichten.
  9. Vom Produkt zum digitalen Geschäftsmodell – das Digital Business mit den massenhaften Datenkonvoluten schärfen.

Ich möchte Sie ausdrücklich dazu ermuntern es nicht bei der Theorie zu belassen, sondern zügig mit der Servietten-Skizze zu starten. Sie haben sich Erfolg verdient, und Ihr Einsatz wird sich für Sie verdient machen. Auf geht’s! Mit kleinen Strichen Zug um Zug auf der Serviette zum großen Erfolg in der digitalen Welt!

Teilen

Dieser Artikel kann nicht kommentiert werden.