Manipulation durch Framing

Vermutlich schon. Nur haben wir es nicht bemerkt. Jeden Tag werden unterliegen wir der Manipulation durch Framing. Das geschieht ganz beiläufig, aber gezielt. Mit Framing führt man uns gezielt aufs Glatteis. Von alternativen Fakten bis zur Alternativlosigkeit: die Welt ist, wie wir sie rahmen. Klug zweifeln ist angesagt.

„Meine Frau ist schrecklich!“, beklagt der Ehemann beim Paartherapeuten. „Schon mit ihr einkaufen zu gehen, ist ein Graus. Auch wenn es nur um ein T-Shirt geht, sie will immer das 100%-ige, manchmal gehen wir wegen ein paar Strümpfen in 5 Geschäfte. Dieses Immer-100%, das nervt.“ Der Therapeut denkt nach und meint dann: „Und wie bewerten Sie die Tatsache, dass Ihre Frau Sie als ihren Mann gewählt hat?“

Das nennt man Framing (Rahmung). Jede Geschichte und jeder Begriff sitzt in einem Bezugssystem. In unserer kleinen Geschichte ist „Das 100%-ige“ einmal im Rahmen all dessen, was nervt.
 
Dann aber wird Das 100%-ige plötzlich zur höchsten Form der Wertschätzung. Die Verhaltensattitüde (100%-iges suchen) bleibt gleich, daran ändert sich rein gar nichts. Aber der Rahmen ist grundverschieden. Gleiches Verhalten kann also völlig unterschiedlich interpretiert werden. Die Bewertung hängt vom Rahmen ab.

Wir nehmen das Faktum war, aber nicht den Rahmen

Das gilt so gut wie für jeden Begriff! Das Problem dabei: Wir nehmen das Faktum wahr, aber NICHT den Rahmen selbst, weil wir unsere Bewertung für die (einzig) richtige halten. Dass „man das auch anders sehen kann“, darauf kommen wir aus uns selbst heraus nur sehr selten. Für das uns Selbstverständliche besitzen wir nur ein sehr verkümmertes Sensorium. Wir können uns im Restaurant beschweren, dass der Rotwein etwas zu kühl ist (im Frame unserer Wohlstandsgesellschaft), aber der Bezugsrahmen verdurstender Kinder in Syrien existiert in diesem Moment für uns nicht. Wären wir uns aller möglichen Frames jederzeit bewusst, dann wären wir wohl auch nicht handlungsfähig. Framing aus wahrnehmungspsychologischer Sicht besteht in der automatischen Reduktion der Informations- und Interpretationslast.

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Wie funktioniert Manipulation durch Framing?

Gefährlich kann das werden, wenn andere für uns denken und uns ihre Bezugssysteme „unterjubeln“, so als seien diese selbstverständlich. Populistische Argumentation funktioniert nach diesem Prinzip. Sogar Begriffe „verkaufen“ uns meist Inhalt und Rahmen zugleich. Nehmen wir den Begriff Flüchtlingskrise. Erstens war er in den Medien vor September 2015 so gut wie nicht zu finden. Obwohl es natürlich auch vorher schon eine große Anzahl von Flüchtlingen und Migration gab. Der Begriff liefert nun durch die bloße Häufigkeit seines Auftretens einen Rahmen, die Welt oder unser Land zu betrachten. 1993 war die Anzahl der Asylanträge fast genauso hoch wie 2015, nur ohne den Begriff „Flüchtlingskrise“. Bedenklicher aber ist der dem Substantiv mitgelieferte Frame: Flüchtlingskrise legt nahe, – da wir es ja gewohnt sind, erst einmal uns selbst in den Mittelpunkt zu stellen -, dass wir / unser Land eine Krise zu bewältigen hätten. Ähnlich wie beim Begriff Ölkrise aus den 1970er Jahren. Krise = Unsere Krise. Aber wer hat denn die deutlich größere Krise? Wohl diejenigen, die von Krieg oder Hunger bedroht fliehen, ihre Heimat verlassen, ihr letztes Geld windigen Schleppern geben und auf verrotteten Schlauchbooten ihr Leben riskieren. Hätten wir die Wahl: Welche Krise würden wir wählen? Die vom Wohnzimmersessel aus oder die auf dem Schlauchboot?

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Mehr zweifeln schützt vor Manipulation durch Framing

Wir müssen also zweifeln lernen, obwohl wir nichts schwerer durchschauen können als unsere eigenen Urteile. Auch wenn wir übereinander befinden und allzu schnell mit Aufklebern wie gut oder schlecht operieren, können wir uns klar machen, dass es auch hier meist auf den Rahmen ankommt. Will ich mir einen ausgemachten Pedanten als Vorgesetzten vorstellen? Wieder mal einer, der das 100%-ige fordert? Natürlich will ich das, vor allem, wenn dieser Herr der Chef der Flugzeugmechaniker ist, die das Flugzeug warten, in das ich gerade einsteige. Als Leiter einer Marketing-Kreativgruppe wäre womöglich eine andere Besetzung hilfreich.

Stärken und Schwächen: Auch hier macht Re-Framen (früher: Umdeuten) Sinn. Jede Stärke wird – wenn man sie übertreibt – zur Schwäche. Aus Genauigkeit wird Pedanterie, aus Sparsamkeit Geiz, aus Freigebigkeit Verschwendung und der Überempathische kann zum konturlosen Weichei mutieren. Umgekehrt geht’s dann natürlich auch: Sogenannte Schwächen lassen sich in anderem Rahmen als übertriebene Stärken begreifen. So kommuniziert sind sie als Rückmeldung viel besser verdaulich. „Sie arbeiten sehr genau! Manchmal – das gebe ich zu – ist es mir allerdings einen Tick zu viel.“

Framing erlaubt Perspektivwechsel. Allen Gemeinschaften, in denen nur eine Sicht auf die Dinge erlaubt ist, können wir getrost misstrauen. Die Stärke der Demokratie liegt in der institutionell geforderten zweiten Meinung!

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