Change – Wie du es schaffst, dich und andere zu verändern

Wir wollen andere ändern, andere sind dabei, uns verändern zu wollen, und manchmal sind wir sogar bestrebt, uns selbst zu verändern. Nichts ist so beständig wie der Wandel. Doch wohl jeder hat erlebt, dass Veränderungen entweder gar nicht oder nur vorübergehend gelingen. Als Tiger gestartet, landet das Vorhaben häufig als Bettvorleger. Wie Silvester – tolle Vorsätze, grandioses Scheitern.

»Ein zeitlebens lernfähiges Gehirn ist auch lebenslänglich veränderbar.«

Gerald Hüther (*1951), Neurowissenschaftler

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Auch das Arbeitsleben kennt eine Konstante: die Veränderung. Ein Verkäufer versucht, den Kunden zu einer Verhaltensänderung, sprich Kauf, zu bringen, der Vorgesetzte ist bemüht, seine Mitarbeitenden in eine bestimmte Richtung zu bewegen, und in vielen Unternehmen steht Change auf der Tagesordnung. Die Anpassung an veränderte Marktverhältnisse erfordert ein »Denken in Veränderung«. Immer wieder jedoch scheitern Veränderungsvorhaben. Woran liegt das?

Dazu müssen wir etwas ausholen. In unserem Denkorgan vollzieht sich, wie der Neurowissenschaftler Gerhard Roth schildert, ein permanenter Prozess des Aufbaus, Umbaus und Abbaus, und damit auch eine Veränderung unserer psychischen und geistigen Existenz. Hirnforscher gehen davon aus, dass »jegliche psychisch-geistige Veränderung einschließlich der Eigenschaften unserer Persönlichkeit und unseres Verhaltens – so komplex diese auch sein mag – mit einer Veränderung unseres Gehirns verbunden ist« (Roth 2019a).

Und auch der Neurobiologe Gerald Hüther betont die umfassende Veränderbarkeit unseres Oberstübchens: »Nichts im Hirn bleibt so, wie es ist, wenn es nicht immer wieder so genutzt wird wie bisher. Und nichts im Hirn kann sich weiterentwickeln und zunehmend komplexer werden, wenn es keine neuen Aufgaben zu lösen, keine neuen Anforderungen zu bewältigen gibt.« (Hüther 2016)

Die unaufhörliche Veränderbarkeit unseres Denkapparates bildet nicht nur die Grundlage für lebenslanges Lernen, sondern auch für Änderungen der Denkrichtung, des Verhaltens und der Vorhaben. Doch das ist alles andere als einfach.

So paradox es an dieser Stelle klingen mag, das Gehirn will keine Veränderung! Es muss mit Energie haushalten, denn etwa zwanzig Prozent der vom Organismus bereitgestellten Energie nutzt das Gehirn, auch wenn es so erscheint, als ob es nichts tut. Und wer in seinem Leben etwas verändern will, verschafft unserem Denkapparat eine Menge Arbeit. Wenn der Mensch also eine Veränderung in Gang setzen möchte, kostet es Kraft und Energie. So wird auch verständlich, dass der Widerstand gegen Veränderungen weitverbreitet ist. Das Beharrungsvermögen ist oftmals stärker als der Wille, gewohnte Pfade zu verlassen. Das heißt aber nicht, dass der Mensch den Prozessen seines Körpers willenlos ausgeliefert ist.

Die Welt in Unordnung

Machen wir einen Abstecher zu den globalen Veränderungen! Wir erleben derzeit eine Multikrise. Darauf verweist der Ethnologe Christoph Antweiler im Rahmen eines Symposiums von Kortizes – Institut für populärwissenschaftlichen Diskurs (2023). Das betrifft das Klima, Böden, Meere, Pflanzen, Tiere und geochemische Stoffkreisläufe, die durch menschliches Handeln empfindlich zerstört oder negativ beeinflusst wurden. Die Effekte des Menschen, ungebremste Rohstoffausbeute, umfassende Betonierung riesiger Landschaften, zunehmende Monokulturen und weitere Eingriffe in die Natur, bestimmen die globale Realität.

Während Archäologen bislang die Erdzeitalter in Millionen von Jahren angeben, ist seit 1950 eine so starke Beschleunigung der räumlichen und zeitlichen Veränderungen eingetreten, dass wir nun im Zeitalter des Anthropozän, dem Zeitalter der Menschen, leben. Eine Lösung dieser Problematik sieht Antweiler darin, die Treiber der Klimakrise zurückzudrängen und sich von der Wachstumsideologie zu verabschieden.

Wo wir auch hinschauen: Veränderungsdruck

Diese epochalen Veränderungen, die viele Menschen beunruhigen, beeinflussen auch unser Denken und Handeln. Veränderungen sind für die meisten Menschen heutzutage der Normalzustand. Ein Leben ohne permanente Änderungen ist für viele kaum noch denkbar. Die Menschen stehen dieser Entwicklung allerdings ambivalent gegenüber. Sie sind einerseits vom technologischen Fortschritt fasziniert, andererseits ist es für viele schwer, damit Schritt zu halten und offen für Änderungen zu sein.

Hinzu kommen Inflation, Werteverfall, Kriege und gesellschaftspolitische Wandlungen, die den Menschen zu schaffen machen. Umbrüche, Fortschritte und Widerstände drängen bewährte Erfolgsmuster zurück und führen zu einem beschleunigten Veränderungsdruck.

Einer, der diese Entwicklung beschreibt und Strategien gegen die rasant um sich greifenden Verwandlungen unseres Lebens entwirft, ist Konrad Stadler. Er hat sich in seinem Buch »Veränderungsbewusstsein – Eine Anleitung zum neuen Umgang mit dem Wandel« mit dem Thema beschäftigt. Der Autor berät seit vielen Jahren internationale Konzerne und mittelständige Unternehmen bei Veränderungsprozessen.

Vor diesem Hintergrund tiefgreifender Veränderungen, so Stadler, befindet sich die industrialisierte Welt in einem Steigerungsdenken, das heute an sein Ende gelangt. Viele Zeitgenossen sind verunsichert. Wie kommt man aus dieser Spirale der Verunsicherung heraus? »Mit den Mitteln der Reflexion, der Analyse, des Lernens, der Kommunikation und der Kooperation kann der Mensch auch auf schwierige Fragen Antworten finden« (Stadler 2021).

»Wandel ist wie Wandern«, bemerkt der Autor, und eine Strategie besteht darin, sich auf die Veränderungen einzustellen, denn Unruhe und Instabilität sind ohnehin die Treiber des Lebens (ebenda: 28).

Veränderungen berühren das Sicherheitsbedürfnis. Wer aber stehen bleibt und Veränderungen ignoriert, läuft Gefahr, »seinen Platz in der Sozialordnung zu verlieren« Stadler 2021). Wir kommen nicht umhin, uns auf Veränderungen einzustellen und uns an die äußeren Umstände anzupassen. Wer etwas verändern will, sollte sein routiniertes Verhalten überprüfen und gewohntes Handeln ändern. Die verinnerlichten Aktivitäten, Hirnforscher sprechen von Körpergedächtnis, sind schwer zu ändern. Das lässt sich nur durch hartnäckiges Training korrigieren.

»Nicht selten lösen Veränderungen Unsicherheit und Angst aus. Doch es ist möglich, die Angst zu entmachten. Man kann sich ihr kraftvoll entgegenstellen und sie abschmettern. Oder man lernt, wie man sie ins Leere laufen lässt. Beides geht, nach und nach.« (Ebenda: 30)

Wie Antweiler kommt auch Stadler zu dem globalen Lösungsvorschlag: Die Menschen müssen sich von der Wachstumsideologie verabschieden. Der Raubbau an der Natur durch ökonomische Motive mag kurzfristig erfolgreich sein. Langfristig ist die Zerstörung unserer Ressourcen teuer. Die Veränderungsblindheit nationaler und internationaler Institutionen muss zugunsten einer der Natur angepassten Wachstumsideologie zurückgedrängt werden. Kehren wir nun zurück zu unserem persönlichen Bereich.

Was können wir tun, um andere zu verändern?

Hier schlägt der Neurowissenschaftler Gerhard Roth drei Strategien vor: der Befehl von oben, der Appell an die Einsicht und die Orientierung an der Persönlichkeit.

Den Befehl von oben kennen wir meistens aus dem Berufsleben vonseiten der Vorgesetzten. Es ist die schnellste, einfachste und am häufigsten praktizierte Strategie. Oft handelt es sich um eine neue Ausrichtung des Unternehmens, die von oben nach unten implementiert werden muss. Der Befehl oder die Anordnung von oben ist oft auch mit Androhungen von Sanktionen oder anderen zu erwartenden Nachteilen verbunden.

An den Verstand und die Einsicht zu appellieren, funktioniert nur, wenn positive Emotionen damit verknüpft werden und keine negativen Gefühle wie Furcht, Angst und Stress vorhanden sind. Denn die Amygdala, der Hypothalamus und der Nucleus accumbens haben in dieser Situation die Macht im Gehirn übernommen. »Es ist deshalb falsch zu glauben, ein bloßer Appell an die Einsicht könne irgendetwas bewirken«, schreibt Roth (2019).

Gegen diese Übermacht ist unser Wille im wahrsten Sinne des Wortes machtlos!

Die Orientierung an der Persönlichkeit ist die schwerste, aber wirksamste Maßnahme, um bei anderen Menschen eine Veränderung anzustoßen. Jeder Mensch sucht sich Lebensumstände, die zu seiner Persönlichkeit passen. Andere zu verändern, erfordert zum einen, dass wir die individuelle Persönlichkeit eines Menschen kennen, zum anderen gelingt das nur, wenn wir die bestehenden Grenzen unter existierenden Bedingungen akzeptieren. Änderungen sind zwecklos, wenn sie aus dem Rahmen fallen.

Wie können wir uns selbst verändern?

Es ist, wie jeder erfahren hat, nicht leicht, sich selbst zu verändern. Unser Verhalten ist routiniert und felsenfest in unserer Persönlichkeit verankert, sodass Veränderungen kaum möglich sind. Wie kann es trotzdem gelingen? Wir können leuchtende Vorbilder auswählen oder uns selbst belohnen. Vorfreude ist, so Roth, unser stärkster Motivator. Allerdings wird der Motivationseffekt verpuffen, wenn die Belohnung zu stark ausfällt. Es ist wichtig, sich die Verhaltensänderung und die Belohnungserwartung geistig vorzustellen. Menschen sind nur bereit, sich zu verändern, wenn sie sich davon eine Belohnung versprechen. (Roth 2019)

An bewährten Verhaltensmustern festzuhalten, ist keine Strategie der ewig Gestrigen. Solche Muster vermitteln das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit und reduzieren die Angst vor der Zukunft. »Die Ausbildung von Gewohnheiten und Routinen und das Festhalten an ihnen entlastet auch unser Gehirn kognitiv, und dies ist ebenfalls eine starke Belohnung.« (Ebenda). Allerdings funktioniert das nur, wenn die Veränderungen stärker belohnen als das Festhalten am Bestehenden.

Vielleicht sollten wir auch so vorgehen wie Künstler, die eine Ideenskizze anfertigen: der Maler skizziert das neue Gemälde zunächst mit dem Stift, der Komponist beginnt die Komposition mit einem melodiösen Summen und Schriftsteller tasten sich an ihr Werk heran, indem sie Stichworte notieren.

Wie könnte das für uns aussehen? Wie oben bereits angedeutet, ist es besonders wirksam, sich Ziele zu setzen, die in kleine Portionen aufgeteilt sind und häppchenweise »genossen« werden können. So wird eine Überbeanspruchung vermieden und das Gehirn hat die Möglichkeit, ein neues Netzwerk zu knüpfen.

Ziele sind wichtig, können aber auch tückisch sein

Psychologen und Hirnforscher betonen ausdrücklich, dass ein Vorsatz mit einem konkreten Ziel verknüpft und mit einer konkreten Handlungsanweisung verbunden sein muss. Nicht nur in der Silvesternacht, auch ganzjährig planen manche Mitmenschen, mehr Zeit für die Familie zu haben, einige Pfunde abzunehmen oder mehr Sport zu treiben. Das sind unkonkrete und unrealistische Ziele, die deshalb auch oftmals scheitern. Und »der Konstruktionsfehler«, so betont Stefan Frädrich, Coach, Seminarentwickler und Gründer der Plattform Creator, »sind die Ziele selbst. Denn wichtiger als das Ziel ist das Verhalten, das zum Ziel führt.« (Frädrich 2023) Ein einfaches Beispiel: Wir wollen fünf Kilo abnehmen und das gelingt uns auch. Wir verzichten auf unsere geliebte Pizza oder das schmackhafte Sahnetörtchen. Die Pfunde purzeln. Ist das Ziel erreicht, kreisen unsere Gedanken um unsere Lieblingsspeisen und wir meinen, dass wir nun wieder schlemmen können. Es dauert nun nicht lange und wir nehmen erneut zu. Der Jo-Jo-Effekt lässt grüßen!

Doch hinter den gesetzten Zielen bitten tief sitzende Grundmotive um Beachtung: wir wollen attraktiv sein, anerkannt und gemocht werden. »So werden Ziele zu Krücken kreativer Vermeidung.« (Ebenda: 18) Eigentlich haben viele Menschen schlichtweg keine Lust, das gesteckte Ziel oder besser den Weg dorthin zu erreichen. Für die inneren Bedürfnisse sind Ziele unbedeutend. Starre Pläne stören die Zielerreichung. Der Rückfall in »bewährte« Gewohnheiten ist programmiert. Bis zur nächsten Gelegenheit, die Ziele erneut anzustreben.

Die drei Grundregeln der Veränderung

»Ideen setzen sich dann durch, wenn sie mit den Grundmotiven des menschlichen Denkens in Einklang stehen?«, so der Neurowissenschaftler Henning Beck. Und die wichtigsten Triebfedern des menschlichen Denkens sind: das Streben nach Freiheit, das Streben nach Ergebnissen, das Streben nach sozialer Anerkennung.« (Beck 2023) Und diese Grundmotive müssen auch beachtet werden, wenn Veränderungen gelingen sollen.

Streben nach Freiheit

Wir wollen handlungsbestimmend sein. Wenn uns jemand vorschreiben will, wie wir uns verhalten sollen, lehnen wir dies erst mal ab. Es ist zwingend erforderlich, die Hürde der Reaktanz zu überwinden, denn nur so können wir frei entscheiden! Für unseren Denkapparat ist entscheidend, dass wir uns selbst etwas erarbeitet und nicht einfach nur erhalten haben. Das heißt, dass wir Veränderungen nur durchsetzen können, wenn Freiheit und Individualität vorhanden sind. Aus diesem Grund ist es auch aus neurowissenschaftlicher Sicht erfüllender, in einem Wettkampf zu siegen als in einem Glücksspiel nur zu gewinnen.

Streben nach Ergebnissen

Es zählt zu den Antrieben des Menschen, besser zu werden. »Wir alle wollen unser gestriges Ich schlagen, niemand steht morgens auf und sagt sich: »Heute möchte ich nicht so gut sein wie vor einem Jahr.« (Beck 2023) Freiwillig lernen wir eine Fremdsprache, stärken unsere Muskeln in einem Fitnessstudio oder lernen, wie man fachgerecht Risotto kocht. Anschließend stellt sich ein Glücksgefühl ein. Auch im beruflichen Leben wollen wir gute Ergebnisse erzielen und dafür auch gelobt werden. Womit wir auch beim dritten Antreiber sind, der sozialen Anerkennung.

Streben nach sozialer Anerkennung

Ob im Beruf, bei der freiwilligen Feuerwehr oder bei einem ehrenamtlichen Engagement in der Gemeinde, vor allem mit einer sozialen Wertschätzung gelingt eine Veränderung. Wer sein Verhalten mit einem sozialen Status verbinden kann, ist eher bereit, sich nachhaltig zu verändern.

Was können Sie tun, wenn Sie eine andere Person verändern wollen?

Wenn Sie eine andere Person verändern wollen, müssen Sie mit Reaktanz, mit Widerstand rechnen. Von daher sollten Sie Ihr Vorgehen genau durchdenken. Wollen Sie eine andere Person zu einer Veränderung bringen und dies durch einen Appell an Vernunft und Einsicht durchführen, kann das gelingen,

  • wenn positive Emotionen damit verknüpft sind.
  • wenn Sie eine attraktive Belohnung anbieten (diese sollte stärker sein als das Festhalten an Gewohnheiten).
  • wenn die Person in ihrer Vorstellung einen sehr nützlichen Gewinn erwartet.

Wollen Sie einer anderen Person befehlen oder anordnen, etwas zu ändern, kann das in Verbindung mit einer Androhung von Sanktionen gelingen, die Änderung ist allerdings nicht nachhaltig.

Wenn Sie eine Veränderung bei einem anderen anstreben und sich an der Person orientieren wollen, sollten Sie deren Lebensumstände kennen und darauf achten, dass die Veränderungen im Rahmen dieser individuellen Persönlichkeit möglich sind.

Was können Sie tun, wenn Sie sich verändern wollen?

Wer sich verändern will, sollte wissen, dass das Gehirn neue Aufgaben und Anforderungen benötigt. Alles so zu lassen, wie es ist, vermindert die Chance einer Veränderung.

  • Wenn Sie sich verändern wollen, suchen Sie sich leuchtende Vorbilder, belohnen Sie sich bei Erfolg selbst oder versetzen Sie sich geistig in die Situation, die Sie anstreben. Freuen Sie sich auf die Vorfreude, sie ist ein starker Treiber.
  • Achten Sie auch darauf, dass die Veränderung/Belohnung stärker ist als das Festhalten an Bestehendem.
  • Setzen Sie sich konkrete Ziele in Verbindung mit eindeutigen Handlungsaufforderungen, möglichst aufgeteilt in kleine Schritte.
  • Planen Sie nur Ziele, die im Rahmen Ihrer Möglichkeiten umsetzbar sind.
  • Vermeiden Sie starre Pläne, deren Verwirklichung Sie nicht mögen oder die Ihnen eine starke Überwindung abverlangen.
  • Achten Sie darauf, inwiefern die gesetzten Ziele Ihre Grundmotive berücksichtigen. Sie wollen sicherlich einen Rückfall vermeiden.
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