Framing: Vom Spielplatz zum Gesundplatz

Framing ist kein Betrug und keine Täuschung. Framing stellt einfach nur Dinge in einer erwünschten Sichtweise dar. Mehr nicht. Der versierte Verkäufer macht es, die Medien machen es. Das Prizip ist dahinter ist genial. Und wer es einmal durchschaut hat, lässt sich nicht mehr so leicht vor jeden Karren spannen.

Greta rahmt nun die wissenschaftlichen Fakten ihres Themas – den weltweiten Temperaturanstieg – folgendermaßen ein: Durch den rasanten Klimawandel steht nicht weniger als das Überleben der Menschheit auf dem Spiel. Die Eliten sind wegen wirtschaftlicher Interessen nicht bereit, zu handeln. Nur die junge Generation kann das ändern.

Wie sagte Nietzsche: »Not ist nötig«. Gretas Zuspitzung auf »gut« und »böse« zwingt das Publikum dazu, sich klar für eine Seite zu entscheiden. Handeln wir nicht, drohen enorme Konsequenzen – vor allem für die junge Generation. Diese Angstmache setzt Zuhörer unter Druck. Solche Techniken kennen wir eigentlich aus dem Versicherungsvertrieb: »Es ist relativ schwer, sich gegen jemanden zu wehren, der geschult ist, die Knöpfe zu drücken, wo man emotional steuerbar ist. Und das ist eben Freude und Angst.

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Vor allem eben Angst, weil die meistens noch das rationale Denken außer Kraft setzt«, erläuterte ein erfolgreicher Versicherungsmakler in einem Interview mit dem Deutschlandfunk sein Geschäft mit der Angst Der Psychiater Borwin Bandelow hat eine Theorie, warum Angst als Verkaufsmasche in manchen Ländern so gut verfängt: »In den nördlichen Breitengraden sind die Fröhlichen und Unbekümmerten vor einigen hundert Jahren verhungert oder erfroren, weil sie nicht genug Nahrungsmittel und Brennholz für den Winter gesammelt hatten. Die Bedenkenträger, die Ängstlichen, haben hingegen überlebt« (Förster 2014). Eine amüsante Spekulation. Vielleicht ist das ein Grund, weshalb das Phänomen Greta in Schweden und nicht in Italien seinen Anfang nahm?

Doch Greta verspricht auch Hoffnung: Die Welt sei noch zu retten, wenn wir alle endlich richtig handelten. Diese Mischung aus Katastrophenszenario und Erlösung mobilisiert und polarisiert. »Populismus ist einfach, Demokratie ist komplex«, brachte der Soziologe Ralf Dahrendorf die Funktionsweise solcher Verkürzungen auf den Punkt
. Für die einen ist Greta die Jeanne d‘Arc der Klimabewegung, für andere eine Art jugendlicher Antichrist. Auch die deutsche Bevölkerung war zum Höhepunkt des Greta-Hypes im Jahr 2019 gespalten (vergleiche
ARD-Deutschlandtrend 2019).

Framing ist keine Täuschung und auch kein Betrug, sondern ein mehr oder weniger bewusst eingesetzter Kniff, Geschichten und Dinge mit der gewünschten Sichtweise zu verzieren. In einem Meinungswettstreit ist das unvermeidlich, legitim und sogar notwendig.

Zuspitzung macht stärker

Der enorme Erfolg für ihre Sache gibt Greta allerdings recht. Jede Kraft wirktdurch die Zuspitzung auf einen Punkt stärker: Wir kennen das von einem Hammer, einem Pfeil – oder dem Stein, den David in der biblischen Geschichte mit seiner Schleuder punktgenau an Goliaths Schläfe gedonnert und ihn so besiegt hat. Greta greift das Establishment mit offenem Visier direkt an, das verleiht ihren Überzeugungen einen Fokus. Sie konzentriert sich in ihrer Kommunikation auf eine einfacheBotschaft: Die Emissionen an Kohlenstoffdioxid müssen runter. Die Forderung ist unmissverständlich. So hat sie vor allem junge Menschen gegen die traditionelle Klimapolitik aufgebracht, die viel Papier, Show und Konferenz-Flugmeilen, aber ansonsten keine Ergebnisse produziert hat.

Seit Jahrzehnten versuchen Umweltaktivisten das Thema Klimawandel oben auf der öffentlichen Agenda zu halten. Doch keiner Nichtregierungsorganisation (NGO) und schon gar keiner Einzelperson gelang das in einer derartigen Wucht und Breite wie Greta und #FridaysForFuture. Wer nach den normalen Spielregeln einfach nicht zum Zuge kommt, muss irgendwann eben das Brett umwerfen. Das könnte man im Fall des Klimawandels durchaus als Akt zivilen Ungehorsams werten. Hier bringen sich junge Menschen lautstark ein, die noch nicht wählen dürfen, also auf normalem Wege auf ihre Zukunft überhaupt keinen Einfluss nehmen können.

Lassen Sie sich nicht vor jeden Karren spannen

Dank Greta hatte es das Thema also weltweit an die Spitze des politischen Interesses geschafft (allerdings noch bevor die Corona-Krise alles durcheinanderwirbelte). Am Ende des Jahres 2019 sahen die meisten Deutschen den Klimawandel als größte Gefahr für Stabilität und Sicherheit auf der Welt (vergleiche Insa 2019). Das ist das Ergebnis einer unglaublichen Kommunikationsleistung. Dabei ist es völlig egal, ob Greta dabei noch Erwachsene zur Seite standen oder nicht. Es gibt Unternehmen, die investieren Millionen in ihre Kommunikation und beschäftigten Heerscharen an Profis, ohne auch nur annähernd solche Wirkungen erzielen zu können. Was diese und auch Sie von Greta lernen könnten? Zuspitzen, zuspitzen, zuspitzen.

Nehmen wir beispielsweise an, Sie engagieren sich für den Neubau eines Spielplatzes in Ihrer Nachbarschaft. Die Stadtverwaltung zieht aber nicht mit. Stellen Sie plakativ dar, dass die Gesundheit der Kinder durch Bewegungsmangel akut gefährdet ist, es jetzt schnellstmöglich den neuen Spielplatz braucht, die Verantwortlichen seit Jahren geschlafen haben und jetzt dennoch ganz einfach ein Unglück für viele Menschen abwenden können. Dramatisieren Sie also die Lage, markieren Sie öffentlich einen »Gegner«, der Ihrem positiven Ziel aus wenig nachvollziehbaren Gründen entgegensteht, und malen Sie das Bild einer besseren Zukunft für viele Menschen.

Das Framing wäre hier: Ein Spielplatz ist kein Platz für Spaß und kindliche Vergnügungen, sondern er ist unverzichtbar für gesunde Kinder. Nennen Sie ihn öffentlich vielleicht sogar »Gesundplatz«, denn dagegen wird wohl kaum jemand etwas einbringen können. So zwingen Sie der Debatte Ihre Deutung auf und verbalisieren Ihre Ängste. Voà!

Sie werden sehr wahrscheinlich keine weltweite Bewegung ins Leben rufen, aber bald dennoch einige Verbündete mehr haben und die Chancen sind gut, dass der Spielplatz eines Tages dann doch gebaut wird. Lassen Sie sich auf der anderen Seite selbst nicht vor jeden Karren spannen. Meist haben die Menschen gute Absichten, wenn sie sich öffentlich für eine Sache einsetzen. Doch die verborgenen persönlichen Motive kennen wir in der Regel nicht. Und das Gegenteil von gut gemacht ist gut gemeint. Es ist daher nichts Unedles, auch edle Ziele zu hinterfragen. Wenn Sie für Themen auf die Straße gehen oder anderweitig Ihre Zeit aufwenden, sollte Ihr Einsatz auch berechtigt, sinnvoll und zielgerichtet sein.

Machen Sie sich klar, dass Aktivisten ihre Themen immer in größere Bedeutungszusammenhänge bringen und stark verkürzen, um so die Massen zu mobilisieren und aufzuwiegeln. Die Auslegung der Fakten ist dabei sehr subjektiv und könnte auch ganz anders lauten. Allein die Wortwahl kann uns in eine bestimmte Richtung drängen, ebenso wie die Markierung eines Gegners. Das führt dazu, dass wir uns einer Sache verbunden fühlen, obwohl wir vielleicht gar nicht so genau wissen warum und uns das Thema bis gestern eigentlich auch noch gar nicht interessiert hat. Setzt dann noch der Herdentrieb ein, können Sie Ihre Meinung kaum noch ohne soziale Verwerfungen ändern. Meine persönliche Faustregel ist daher: Egal, wie sympathisch Meinungsmacher auch sein mögen und wie berechtigt ihr Anliegen auch scheint – je einfacher und schmissiger ihre Botschaften, desto genauer und kritischer schaue ich hin.

Das soll Sie nicht davon abhalten, sich aus freien Stücken für den Klimaschutz, die Umsiedelung von Feldhamstern oder Ihre Grundrechte stark zu machen. Stehen Sie für Ihre eigenen Ideale und Träume ein! Polarisieren Sie! Mit einer gesunden Aggressivität, einer inneren Motivation und einer gehörigen Portion Durchhaltevermögen ist dabei alles möglich. Greta hat es vorgemacht.

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