Toxische Beziehungen – Wenn bewusst unklar kommuniziert wird

»Um den endgültigen Sieg davonzutragen, muss man rücksichtslos sein«, sagte Napoleon Bonaparte. So denken auch viele Menschen, die Macht erlangen oder zum Vorteil kommen wollen, sei es im privaten Kontext oder im Business. Daraus können toxische Beziehungen entstehen, in denen man erst den Respekt und nicht selten dann auch sich selbst verliert.

Achtung, giftiger Inhalt!

Die Beschriftung von Chemikalien ist klar reguliert. Sind Substanzen enthalten, die Mensch, Tier oder Natur schädigen können, so muss dies deutlich sichtbar auf der Verpackung vermerkt werden. Als Anwender wissen wir dann sofort: Verwenden wir das Produkt anders als vorgesehen, kann es Schaden anrichten. Deshalb trinken wir keinen Nagellackentferner und sprühen Unkrautvernichter nicht ins Rosenbeet. Auf wohlriechenden Kosmetikprodukten finden wir oft einen noch deutlicheren Vermerk: Nicht zum Verzehr geeignet!

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Bei allem Respekt
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Während Produkte, Medikamente, Lebensmittel und Filme per Gesetz auf Risiken hinweisen müssen, gibt es für Menschen keine Regulierung. Das bedeutet, wir sind ihnen ohne Vorwarnung ausgesetzt und müssen sehr schnell erkennen, ob eine Person gute oder schädliche Wirkung hat. Dafür entwickeln wir schon in frühester Kindheit hohe Sensibilität, doch sie ist immer geprägt von den Erfahrungen, die wir als »normal« gelernt haben. Wir orientieren uns an den Eltern und Autoritäten, dass sie uns sagen, was gut und böse ist.

Diese Verantwortung müssen wir selbst übernehmen und genau prüfen, welche Persönlichkeit in der rhetorischen Verpackung steckt. Seien es Politiker, Lehrende, Führungskräfte oder dominante Personen im Freundeskreis – hinterfragen Sie einmal mehr, was hinter einer Aussage steht und ob Sie folgen möchten. »Das also war des Pudels Kern!«, erkennt Doktor Faust in Johann Wolfgang von Goethes berühmtem Werk schließlich den Mephisto. Doch da ist es schon zu spät, denn er hat dem Teufel bereits unwissentlich Einlass in sein Studierzimmer gewährt.

Leider zeigt sich: Wird man mit destruktiven Situationen konfrontiert, lässt sich im Nachhinein feststellen, dass diese nachweislich nicht von heute auf morgen eingetreten sind. Vielmehr haben sie sich über einen längeren Zeitraum abgezeichnet und die involvierten Personen konnten oder wollten die Zeichen nicht rechtzeitig erkennen.

Freundlichkeit als Tarnkappe der Respektlosigkeit

Fehlender Respekt muss sich nicht immer auf den ersten Blick zeigen. Oft suchen wir umsonst nach verbalen Tiefschlägen, Druck oder Drohungen. Es kann auch anders laufen: Gespielte Kollegialität, berechnende Hilfsbereitschaft oder Freundlichkeit als reine Fassade lassen uns nicht gleich hellhörig werden.

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Contra
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Unabhängig davon, warum eine Person das tut und wie sie es anstellt – oft bemerken wir es zu spät oder tappen aus Freundlichkeit in die Falle. Ganz nach dem Motto: Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Das Bedürfnis nach Respekt mündet dann schließlich in Machtspielen, in denen es nur mehr darum geht, dem anderen und dem Umfeld seinen Status zu demonstrieren. Betroffene im Arbeitsumfeld lassen den anderen oft aus Höflichkeit gewähren. Besonders in konfliktbehafteten Situationen zeigen sich Mitmenschen manchmal gespielt respektvoll. Ausnehmende Höflichkeit oder Hilfsbereitschaft werden eingesetzt, um hinterher zu verurteilen. Erst wenn eine gewisse Grenze überschritten wird, öffnet eine Eskalation – meist zu spät – die Augen.

Wenn es aber um eine gute, langfristige Zusammenarbeit geht, ist Respekt eine Grundvoraussetzung. Es bedeutet, dem anderen Freiraum und Gestaltungsmöglichkeiten zu lassen, seine Meinung zu würdigen und ihm persönliche und fachliche Entwicklung zuzugestehen. Dasselbe gilt für private Beziehungen.

Wenn wir gehen, verlassen wir Menschen, nicht Situationen oder Unternehmen. »Ich brauche eine neue Herausforderung!« oder »Ich werde einfach nicht verstanden!« liegt an den Personen, mit denen wir in Beziehung stehen. Sie könnten genausogut sagen: »Wir haben uns auseinandergelebt.« In Wahrheit ist das ein Synonym für das Fehlen der genannten Grundvoraussetzungen. Wenn Menschen aufhören, sich für den anderen zu interessieren und dessen Meinung – gerne auch kritisch – zu würdigen, wird die Beziehung dürr. Und wenn dazukommt, dass Personen ständig über sich selbst sprechen und über andere urteilen, zerbröckelt die Beziehung.

Nur, wenn die Beziehung unkündbar ist, wird jetzt noch Respekt vorgeschützt – aus Harmoniebedürfnis, aus Vorsicht oder Angst vor Konsequenzen. Doch der Respekt ist nicht mehr echt und das zerstört die Beziehung von innen heraus. Menschen können trotzdem jahrelang weiter miteinander leben oder arbeiten, aber zumindest eine der beiden Seiten wird darunter leiden.

Das können Betroffene dagegen tun:

Tipp 1: Wer mit einem derartigen Verhalten konfrontiert wird, sollte nicht trotzig reagieren, denn das macht kleiner im Status.

Tipp 2: Bei Anspielungen oder Angriffen bewusst zum Wesentlichen zurückführen. Das verleiht natürlichen Respekt.

Tipp 3: Prüfe stets, ob Aussagen oder Handlungen im eigenen Umfeld andere kleiner machen oder benachteiligen. Wir haben immer die Wahl, ob wir mitmachen.

Tipp 4: Egal, ob in der Familie, im Bekanntenkreis oder im Unternehmen: Je früher man unangemessenes Verhalten erkennt und eingesteht, desto einfacher ist es, sich deutlich abzugrenzen und Nein zu sagen.

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