Neues Jahr, neuer Schwung, neue Kraft? Du willst mit neuen Zielen Deine Seminare noch besser gestalten? Die Lösung ist kinderleicht. Fünf einfache Tipps, die Dein Training im Handumdrehen verbessern: Der Arbeitsspeicher in unserem Gehirn ist verdammt klein. Daraus ergeben sich für den Seminaralltag diverse Konsequenzen. Außerdem: Nicht jeder Wissensbrocken, der in unser Hirn gelangt, wird auch verstanden!
#1 Das Klettenprinzip
Das Vorwissen der Lernenden, also die Möglichkeit, das neue Wissen mit dem vorhandene zu verknüpfen, ist ein Grundprinzip des Lernens. So werden neue Informationen besser verstanden und gespeichert.
Das Arbeitsgedächtnis, das über eine sehr geringe Speicherkapazität verfügt, ist das Nadelöhr. Es muss eingehende Informationen aufnehmen, verfügbar halten und eine primäre Verarbeitung bewerkstelligen. Alle aktuellen Inhalte wie Zahlen, Daten, Fakten, Listen, Namen und alles, was uns gerade in den Sinn kommt, muss mit dem passenden Vorwissen des Langzeitgedächtnisses verknüpft werden. Nur wenn neuer Lernstoff in einen sinnvollen Kontext mit bereits vorhandenem Wissen gebracht wird, können wir Neues verstehen.
Wer beim Kennenlernen im Seminar Zeit sparen will, spart an der falschen Stelle. Bei einem guten Intro sollten alle Teilnehmenden ausreichend Zeit haben, Vorwissen, Tätigkeit und Interessen der Lerngruppe kennenzulernen.
Wie bei einer Klette bleibt auch der Lernstoff hängen. Das Klettenprinzip ist ein Trick der Natur, das zur Verbreitung der Pflanze beiträgt, denn Kletten „kleben“ sich an Tierhaare oder andere Stoffe und werden auf diese Weise fortgetragen.
Wissen kann nicht übertragen werden, es wird im Gehirn des Lernenden durch Andocken an vorhandenes Vorwissen neu geschaffen. Nicht die Stoffvermittlung steht im Zentrum, sondern die Arbeits- und Lebenswirklichkeit der Lerngruppe.
Lernen ist erfolgreich, wenn erfolgreich an Vorwissen angeknüpft werden kann.
Lernforscherin Prof. Dr. Elsbeth Stern
#2 Wiederholung ist das A und O des Lernens!
Wiederholung zählen zu den populärsten Lernunterstützungen. Man liest sich den Stoff immer wieder durch, macht sich Notizen oder verwendet Karteikarten. Diese Lerntechnik ist einfach und bedient die weitverbreitete Ansicht, dass Wiederholungen für das Nervennetzwerk nützlich sind, damit sich neue neuronale Verknüpfungen bilden können.
Das funktioniert erfahrungsgemäß wunderbar, vor allem, wenn es um Fakten, Daten oder Vokabeln geht. Kurzfristig zeigen Wiederholungen einen positiven Effekt. Was jedoch weniger beachtet wird, ist der Faktor Zeit, denn das Netzwerk der Neuronen benötigt eine gewisse Zeit, bis es sich an den Informationsreiz anpassen kann. Eine fehlerfreie Wiedergabe der gelernten Zahlen, Daten, Fakten heißt nicht, dass der Stoff auch verstanden ist.
Falls Sie kurz vor einer Prüfung stehen, nutzen Sie umfassend Wiederholungen, fassen Sie die Texte zusammen, und zwar handschriftlich, der Lerneffekt ist deutlich höher. Und noch ein Tipp: Schauen Sie sich den Lernstoff noch auf der Bettkante an, denn in der Nacht verarbeitet der Hippocampus die Lerninhalte besonders intensiv.
#3 Weniger ist mehr
Wer in kürzester Zeit mehr Inhalte in sein Hirn stopfen möchte, wird weniger lernen. Die Ansicht »Viel hilft viel!« trifft nicht zu, denn auch bestehende Wissensinhalte können vergessen werden, wenn zu viele neue Reize ins Gehirn gelangen sollten. Statt hundert Englisch-Vokabeln an einem Tag in sich hineinzustopfen, lieber zehn Vokabeln täglich lernen und diese mit Wiederholungen und wechselnder Perspektive (beispielsweise Deutsch-Englisch, Englisch-Deutsch, Vokabeln hören, aufschreiben, laut aufsagen) fest verankern.
Es ist wie beim Essen. Wir genießen ein Menü und beenden die Mahlzeit, wenn der Bauch voll ist. Wer weiterhin im wahrsten Sinne des Wortes seinen Hals nicht vollkriegt, riskiert, dass alles den umgekehrten Weg einschlägt. Unser Gehirn signalisiert allerdings nicht, wenn es mit neuem Wissen überfüllt wird, es löscht einfach.
Lernen in kleinen Portionen verdoppelt die Menge, an die wir uns erinnern. Lernen in kurzen Lernintervallen mit Pausen an verschiedenen Tagen wechselt auch den Kontext der Lernübung: andere Stimmung, veränderte Lichtverhältnisse, Gerüche, Wetter. Sind die Pausen zu lang, muss sich unser Gehirn gehörig anstrengen, um das Gelernte erneut aufzurufen. „Doch diese Anstrengung“, so der Neurowissenschaftler Prof. Dr. Martin Korte, „belohnt das Gehirn mit höherer Lebensdauer, also mit der Einspeicherung des Gelernten ins Langzeitgedächtnis.“
Für den Lehrbetrieb gilt folgendes:
- Führen Sie eine sorgfältige didaktische Reduktion durch, bei der Sie Ziele und Zeitplan berücksichtigen.
- Reduzieren Sie in Präsentationen die Menge der Einzelteile und verzichten Sie auf ablenkende Nebeninformationen auf den Folien.
- Motivation entsteht nicht durch Präsentationsschmuck, sondern durch den Lernstoff, welcher die Bedürfnisse der Teilnehmer anspricht. Also nicht nur „weniger-ist-mehr“, sondern die Menge an Inhalt, die notwendig ist, Ihre Kernaussagen zu verstehen.
Eine gute Rede hat einen guten Anfang und ein gutes Ende und beide sollten möglichst dicht beieinander liegen.
Mark Twain (1835–1910)
#4 Schalten Sie mit Bildern das Kopfkino an!
Das Gehirn liebt Bilder und Geschichten, sie sind ein Festmahl für unser Denkorgan. Am Anfang war nicht das Wort, am Anfang war das Bild. Unser Gehirn denkt in Bildern. Bilder und Sprachbilder (Metaphern) sind Verständnishilfen. Abstrakte Phänomene können vereinfacht werden und komplizierte Zusammenhänge erscheinen mit ihnen lebendiger und klarer.
Ziel einer gelungenen Präsentation im Zusammenhang mit einer Weiterbildung ist es, eine Synthese aus visuellen und gesprochenen Informationen zu schaffen. Wenn wir also etwas mit Sprache bewirken wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass die Worte im Gehirn des Zuhörers Bilder erzeugen, die er emotional positiv bewertet und abspeichert. Schon unsere Sprache deutet darauf hin: Wir machen uns ein Bild von jemandem, bilden uns etwas ein und besitzen eine umfassende Bildung.
Abbildungen und eine bildhafte Sprache wirken wie ein Turbo in unserem Gehirn. Wir wollen Menschen überzeugen, verändern und vielleicht auch begeistern. Das gelingt nicht allein mit Zahlen, Daten und Fakten, sondern mit einer bildhaften Sprache, die einen ganzen Kosmos von Abbildungen vor unserem inneren Auge entstehen lassen kann. Und wenn die bildhafte Sprache mit eindrucksvollen Emotionen verbunden ist, eingebettet in eine interessante oder spannende Geschichte, ist das für unser Gehirn ein wahres Lernfest!
#5 Mach mal Pause!
Viele würden gerne in kürzerer Zeit Wissen erwerben. Doch das ist oft nicht zu schaffen. Die Neuronen benötigen Zeit, um sich an einen neuen Reiz anzupassen. Aus diesem Grund sollte man beim Lernen Pausen einlegen. Lernforscher sprechen vom „spacing effect“ (Abstandseffekt) oder vom verteilten Lernen. Lernt man für eine Prüfung und braucht hierfür etwa zehn Stunden, so die Empfehlung von Henning Beck, wäre es besser, jede Woche etwa zweieinhalb Stunden zu lernen als zehn Stunden am Stück Wissen ins Gehirn zu stopfen.
Das verbreitete Schläfchen nach dem Menü zeigt, dass die Nahrung verdaut werden muss. Wenn wir neue bedeutende Informationen erhalten haben, so sagen wir es oft, müssen wir diese erst mal »verdauen«.
Wer Blumen gießt, wird die benötigte Wassermenge einer Woche nicht auf einmal in den Topf schütten. So verhält es sich auch beim Lernen. Lieber mehrere Lernhäppchen als ein Lernbrocken auf einmal.
Denn der eigentliche Lernprozess im Gehirn findet gerade dann statt, wenn das Lernen unterbrochen wird. Auch kurze Pausen können eingelegt werden. In Pausen treten im Gehirn die gleichen Aktivitätsmuster auf wie in den Lernübungen. Dies geschieht allerdings dreimal so häufig und mit zweifach erhöhter Geschwindigkeit. 1:5-Regel: Ein Teil Pause kommt auf fünf Teile Arbeit.
Für den Lehrbetrieb gilt folgendes
Planen Sie mehrere, auch kurze, nicht zu lange Pausen ein. Pausen, auch kleinere, verstärken den Lerneffekt.
Wer in Pausen sein Smartphone zückt und darin »arbeitet«, verzichtet auf eine Unterbrechung des Workshops und riskiert, dass das Gehirn aufgrund der Belastungsmenge vorhandenes Wissen einfach löscht, ein Effekt wie beim Multitasking.
Informieren Sie die Teilnehmenden über Kurzpausen und teilen Sie mit, warum das Lernen in kleinen Portionen effektiver ist. In den Pausen treten im Gehirn die gleichen Aktivitätsmuster auf wie während des Lernens, nur im Schnelldurchlauf!
Michael Kühl-Lenjer verknüpft langjährige Vertriebs-, Führungs- und Trainingserfahrungen mit aktuellen Erkenntnissen der Gehirnforschung. Als Business-Trainer und Kommunikationsberater unterstützt er Unternehmen und Ausbildungsinstitute dabei, neurowissenschaftliche Aspekte in ihre Aus- und Weiterbildung einfließen zu lassen. Michael Kühl-Lenjer ist Mitglied in der Akademie für neurowissenschaftliches Bildungsmanagement (AFNB) und bezieht seine neurobiologischen Kenntnisse direkt von Wissenschaftlern.