Mit Worten überzeugen nur Anfänger

Traurige große Kinderaugen, Krieg, Feuer aus dem Wasserhahn – das sind Bilder die sich einprägen, Bilder die unsere Meinungsbildung beeinflussen und zu emotionalen Handlungen verleiten. Der Psychologe Reiner Neumann erklärt Ihnen wie diese Masche funktioniert und wie Sie Täuschungsmanöver enttarnen.

Politiker überzeugen Menschen über die Medien und nichts wirkt in Medien besser als überzeugende Bilder. Aus gutem Grund bevorzugen daher erfahrene und erfolgreiche Politiker Bilder gegenüber Botschaften. Angela Merkel ließ sich – noch als Umweltministerin – im roten Anorak vor einem Eisberg ablichten. Sigmar Gabriel stärkte seine Sympathiefaktoren durch Kuschelbilder mit dem Eisbären Knut.

Der peinliche Premierminister

David Cameron, der englische Premierminister, lässt von seinen Mitarbeitern auf Twitter immer wieder auch kleine Bilder von sich versenden. Manchmal geht die Bildnachricht allerdings auch ins Auge. Die Süddeutsche18 schreibt über die Folgen eines Bildes, das den Prime Minister mit hoch konzentrierter Miene am Telefon zeigt. Darunter ließ er die erklärende Zeile setzen, dass er gerade mit dem amerikanischen Präsidenten Obama Wichtiges bespräche. Es war in der Zeit um den Beginn der Ukraine-Krise. Doch Cameron wird auch attestiert, dass er ein begnadet schlechter Schauspieler sei und vielleicht deshalb wirkte dieses Bild etwas ungelenk. Die absurde Kombination von unwichtig aussehendem Prime Minister und wichtigem Thema veranlasste in der Folge viele Briten, eigene Selfies in ähnlicher Pose ins Netz zu stellen. Im Gegensatz zum Prime Minister hatten seine Landsleute allerdings nicht einen Telefonhörer in der Hand, sondern eine Banane, eine Tube Zahnpasta oder ähnliche für das Telefonieren ungeeignete Gegenstände. Der Schnappschuss, der eigentlich die Briten von ihrem Premierminister überzeugen sollte, ging reichlich nach hinten los.

Ursula auf der Blümchenwiese

Ursula von der Leyen ist hingegen eine Meisterin ihres Fachs. Man denke nur an das wunderbare Wahlkampfplakat mit ihrer Kinderschar auf einer Blümchenwiese. Sicher kein Stimmenkiller. Als Verteidigungsministerin scheint allerdings in letzter Zeit ihr gutes Gespür für die richtige Inszenierung hin und wieder zu versagen. Das optisch perfekte Bild in aufrechter Haltung mit selbstsicher gekreuzten Armen und sicherem Blick in die weite Ferne vor dem Hintergrund eines Militärtransporters wurde ihr als übertriebene Selbstinszenierung ausgelegt.

Mit Bildern Geschichte schreiben

Es gibt aber auch Politiker, die mit Bildern wahrlich Geschichte geschrieben haben und prägend für eine ganze Epoche wurden. Wirkliche Klassiker für das Überzeugen mit Bilderbotschaften sind die Bilder vom knieenden Bundeskanzler Willi Brandt in Warschau in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts. Oder die Bilder von Kanzler Helmut Kohl Hand in Hand mit dem französischen Präsidenten Mitterrand, die zum Symbol für eine gemeinsame Europapolitik wurden. Oder das Bild von Kohl gemeinsam mit dem damaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin beim Wanderausflug, das zum Symbol für eine erfolgreiche Wiedervereinigung und fast schon kumpelhafte Beziehungen zum einstigen Feind in Zeiten des Kalten Krieges wurde.

Und welche Bilder nutzen Unternehmenslenker?

Der Führer eines Unternehmens ist in einer besonderen Rolle. Wen kennen Sie bei der Deutschen Bank oder bei der Commerzbank? Die Herren Fitschen, Jain und Blessing natürlich, Siemens ist im Augenblick Joe Kaeser und Bayer Marijn Dekkers. Der Mann oder die Frau an der Spitze steht beispielhaft für das ganze Unternehmen.

Diese besondere Rolle verlangt den Weg in die Öffentlichkeit. Die Realität ist oft genug allerdings noch anders: Auch dann, wenn Manager etwas zu sagen hätten und dies sogar dringend tun sollten, meiden sie die Öffentlichkeit. In den Vereinigten Staaten ist es weitaus häufiger, dass Top-Manager Aufgabe und öffentliches Bild verbinden, meist zum Vorteil des Unternehmens.

Ein gutes Beispiel ist der legendäre ›Monkeydance‹ des inzwischen zurückgetretenen Microsoft-CEO Steve Ballmer. Im Handelsblatt 19 liest sich die Beschreibung des Auftritts so: »Er springt auf die Bühne und brüllt ins Mikrofon: ›Wie heißt die beste Firma der Welt?‹ Hunderte von Angestellten […] springen auf und schreien: ›Microsoft, Microsoft, we are the best.‹« Mit diesem Bild, das einen Menschen mit dem unbändigen Willen zum Erfolg und grenzenloser Begeisterung für sein Unternehmen zeigt, hat Ballmer mehr Einfluss auf Microsoft genommen als mit mancher weniger glücklichen Unternehmensentscheidung.

So erkennen Sie Täuschungsversuche

Vorsicht bei Bildern – überprüfen Sie Herkunft und Abbildung, fragen Sie sich, ob der Bildgehalt der Substanz einer damit unterlegten Aussage standhält. Ein einsamer Eisbär auf einer einsamen Scholle kann nicht das ganze Dilemma des Klimawandels repräsentieren. Achten Sie auf die Propagandawirkung von Bildern.

Werden Sie vorsichtig, wenn Geschichten zu glatt sind. Das wahre Leben ist selten ohne Probleme und Unwägbarkeiten. Garantierte Erfolge oder Renditen sind selten. Selbst Warren Buffet musste in letzter Zeit Verluste hinnehmen. Hier handelt es sich oft um Inszenierungen.

Überprüfen Sie Details einer Geschichte auch einmal auf ihren Wahrheitsgehalt – kennt man den Menschen dort, wo er gewohnt oder gearbeitet haben will?

Einfache Geschichten und Patentrezepte überzeugen auf den ersten Blick, funktionieren aber selten in der Praxis. Überprüfen Sie die Versprechungen.

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