Wirkungsvoll präsentieren

In einem Seminar übt Verhaltenstrainer Mathias mit seinen Teilnehmern ein Rollenspiel. Danach stellt er sich vor seine Teilnehmer und motiviert enthusiastisch: „Lassen Sie uns ein wenig sammeln … Was war hilfreich … was nicht …?“ Seine Begeisterung sinkt schnell auf den Tiefpunkt, als er in zehn leere Augenpaare blickt. Da Mathias sich schon mit Neurorhetorik beschäftigt hat, erkennt er schnell, dass die Worte “Lassen Sie uns ein wenig sammeln…“ und „hilfreich“ zwar seinen bevorzugten Werten und seiner bevorzugten Art zu kommunizieren entsprechen – aber ganz bestimmt nicht denen seiner Zielgruppe, Managern aus Produktion und Logistik.

Mathias erinnert sich daran, in der Sprache seiner Teilnehmer zu präsentieren. Er zieht zwei Flipcharts heran und schreibt auf das eine: „Zielführende Techniken“ und auf das andere: „Nicht zielführende Techniken“. Als er sich umdreht, sind alle Teilnehmer hellwach, aufmerksam und beteiligten sich rege an der Reflektion (passender in diesem Fall: „Auswertung“) des Rollenspiels (passender: „Simulation mit Optimierungsfeedback“). Sein enthusiastisches Körperbild nimmt er etwas zurück und gewinnt so das Vertrauen seiner Teilnehmer zurück, da Enthusiasmus für diese Zielgruppe eher mit „Schaumschlägerei“ als mit „Begeisterung“ konnotiert ist. Was ist also geschehen? Mathias präsentiert nun in dem Code, den seine Teilnehmer bevorzugen. Er kann so viel mehr bewirken und seine eigenen Ziele schneller, einfacher und präziser erreichen.

Im oberen Beispiel hat der Trainer aus einer Vielfalt von Worten dann diejenigen ausgesucht, die genau für diesen Teilnehmerkreis am wirkungsvollsten sind. In einem anderen Fall, vor einem ganz anderen Teilnehmerkreis, wäre vielleicht seine ursprüngliche Form zielführender und wirkungsvoller gewesen.

Wie Sie mit Ihren Worten, Formulierungen und Ihrer Rhetorik den Nerv Ihrer Teilnehmer treffen – diese Frage beantwortet die Rhetorik-Expertin Anita Hermann-Ruess sehr präzise, da sie die Rhetorik mit Erkenntnissen der Neurowissenschaften kombiniert. Wirkung erzielt, wer um die Funktionsweise des Gehirns weiß. Nur wer als Trainer und Coach mitten ins limbische System und dort ins Belohnungssystem seiner Zuhörer trifft, kann seine Zuhörer für sich gewinnen. Hierbei erweist es sich von immensem Vorteil, die vier großen Belohnungsprogramme der Evolution zu kennen und diese gezielt anzusprechen. Ihr Konzept „Speak Limbic“ basiert auf der Erkenntnis, dass sich alle Menschen mit vier Denkstil-Codierungen wirkungsvoll überzeugen lassen. Diese vier Codierungen basieren unter anderem auf dem Vier-Quadranten-Modell des Gehirns von Ned Herrmann. Anita Hermann-Ruess hat dazu die Erkenntnisse des Neuromarketings (vor allem Hans Georg Häusels Konzept der limbischen Instruktionen) aufgegriffen und ihr Modell für wirkungsvolles Präsentieren daraus entwickelt. Ihr Buch ist ein umfassendes Arbeitsbuch, um dieses Konzept zu lernen, zu trainieren und in die eigenen Präsentationstechniken einzubauen. Ein sehr hilfreicher und praktischer Leitfaden für dieses Thema, das heute fast jeden betrifft. In zwanzig Kapiteln spricht Hermann-Ruess alle wichtigen Aspekte des Präsentierens an und stellt sie in Bezug zu ihrem Modell der vier Denkstil-Typen. Diese Typen sind:

  1. Logischer Denkstil: mag es knapp und logisch mit Belegen und Beweisen, technischen Details, differenziert und analytisch, ohne Floskeln und allzu sichtbare Emotionen.
  2. Strukturierter Denkstil: will ausgereifte Konzepte, die Schritt für Schritt erläutert werden, achtet auf Pünktlichkeit und Formalitäten, bringt umsetzungsorientierte Fallbeispiele und kontrolliert seine Emotionen.
  3. Gefühlvoller Denkstil: hört zu und will verstehen, benutzt Geschichten, gibt Anerkennung und Lob, stellt Bezug zu Menschen her und verweist auf persönliche Erfahrungen.
  4. Experimenteller Denkstil: favorisiert das fantasievolle und assoziative, bildhaft, farbig und modellhaft; er will lieber einen Überblick als viele Details, ist spielerisch und kreativ und legt viel Wert auf Spannung und Einzigartigkeit.

Das bedeutet für Ihre Seminare und Workshops: Wenn Sie die limbischen Programme Ihrer Teilnehmer nicht kennen, werden Sie erst in den Gesichtern Ihrer entweder gelangweilten oder begeisterten Teilnehmer erkennen, ob das, was Sie sagen, für Ihre Zuhörer glaubwürdig, bedeutsam und nachvollziehbar ist. Kennen Sie die limbischen Instruktionen, dann können Sie schon vorher Ihre Präsentation genau auf Ihre Zielgruppe(n) ausrichten. Sie können so sprechen oder texten, dass Ihre Worte positive Emotionen in Ihren Teilnehmern auslösen. Sie können Ihre Teilnehmer so viel leichter gewinnen. Sie können sie sogar begeistern, faszinieren – eben weil Sie genau die Tasten auf der Klaviatur der Motive und Emotionen treffen, die sich über die mächtigen, jahrtausendealten Belohnungssysteme des limbischen Systems wie Schwingungen der Musik ausbreiten und für gute Gefühle in uns sorgen.

Wenn Sie die richtige Botschaft auch noch passend einkleiden, erhöhen Sie Ihre Chancen auf erfreuliche, erfolgreiche und nachhaltige Wissensvermittlung. Und Ihre Botschaften sichern sich einen Logenplatz im Gehirn der Teilnehmer. Im limbischen System wird alles was wir erleben, markiert: bedeutend-unbedeutend, angenehm-unangenehm, interessant-langweilig. usw. Diese Markierung geschieht unbewusst. Die Botschaften kommen mit dieser emotionalen Markierung im Großhirn an! Sorgen Sie also für die richtige Markierung. Das geht am besten mit einer gehirntypgerechten Auswahl, Inszenierung und Formulierung Ihrer Kernbotschaft! Denn nur so wird Ihre Präsentation vom limbischen System als relevant und sympathisch eingestuft. „Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen Wort ist der gleiche, wie der zwischen dem Blitz und dem Glühwürmchen“ erkannt Mark Twain schon vor über hundert Jahren. Heute wissen, wir, warum das so ist:

  • Die limbische Instruktion des logischen Denkstils steht auf klare, griffige und präzise Formulierungen.
  • Die limbische Instruktion des strukturierten Denkstils bevorzugt geordnete Botschaften, die einen niedrigen Energieaufwand bei der Dechiffrierung versprechen.
  • Die limbische Instruktion des gefühlvollen Denkstils mag es, wenn Ihre Botschaften sinnlich und lebendig gekleidet sind.
  • Und die limbische Instruktion des experimentellen Denkstils ist fasziniert von unterhaltsamen, originellen und spannenden Sprachkostümen.

Es geht nicht darum, sich als Trainer zu verbiegen. Im Gegenteil. Denn nur, wer sich selbst gut einschätzt, wer seine Stärken und seine Schwächen kennt, kann selbstsicher und erfolgreich auftreten. Es geht darum, sich situativ auf andere Denkstile einzulassen um damit die Relevanz, Klarheit und Verständlichkeit der eigenen Vorgehensweise für die Teilnehmer zu erhöhen. Und es geht darum, die eigene Flexibilität zu erhöhen. Je mehr Denkstile Ihnen vertraut sind, umso mehr nutzen Sie das Potenzial Ihres ganzen Gehirns, und umso besser und erfolgreicher werden Ihre Ideen und Taten. Uns Menschen stehen alle Denkstile zur Verfügung – nur setzen wir unbewusst diejenigen bevorzugt ein, die uns am leichtesten fallen. Und so verkümmern die anderen immer mehr. Wenn wir die vernachlässigten Denkstile wie einen Muskel trainieren, dann werden sie immer stärker und kräftiger. Nutzen Sie die Gelegenheit, die sich Ihnen mit diesem Konzept bietet, Ihren wichtigsten „Muskel“, Ihr Gehirn, zu trainieren, indem Sie Ihr Thema ganzheitlich aufbereiten und präsentieren. Die limbischen Instruktionen treiben den Menschen an, steuern das Verhalten, prägen das Denken und sind schließlich die tragende Säule des Charakters und unserer Persönlichkeit. Alle Entscheidungen, die wir Menschen treffen, treffen wir, um die limbischen Instruktionen zu befriedigen. Der Bremer Gehirnforscher Prof. Dr. Gerhard Roth äußert sich zum Entscheidungsprozess des Menschen wie folgt: „Am Ende eines noch so langen Prozesses des Abwägens steht immer ein emotionales Für und Wider.“

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