Auf den ersten Blick wirkt es wie ein attraktiver Arbeitsplatz. Man spürt die Energie. Menschen arbeiten bereichsübergreifend zusammen, ergreifen Initiative und übernehmen Verantwortung. Auf den zweiten Blick vermisst man etwas: die tollen Erfolge.
Der Fall
Einiges von dem, was wir uns unter „New Work“ vorstellen, sehen wir hier. Offene, modern gestaltete Bürolandschaften, die Kanban Boards an der Wand, Gespräche in der Kaffeeküche. Ein Startup, das mittlerweile einiges Personal aufgebaut hat, aber den Teamgeist der ersten Stunde bewahren konnte. Das Arbeitsklima ist energiereich und kooperativ. Die Arbeit recht selbstbestimmt.
Empowerment – Check!
Die Teams sind motiviert und achten, dass sie Zeit für kreatives Arbeiten haben. Ein Problem ist dies nicht, da sich die Teams selbstorganisieren und über viele Freiheiten in der Arbeitsgestaltung verfügen. Auch wenn man mit Einzelnen spricht, Mitarbeitende haben das Gefühl, selbstständig arbeiten zu können und auch eigene Entscheidungen treffen zu können.
Zusammenarbeit – Check!
Das Klima unter den Kolleginnen ist unterstützend. Man tauscht sich aus und lernt voneinander. Die Kollegen treffen sich auch privat oder zumindest auf persönlich angehauchten regelmäßigen Teamevents und kennen sich so gut. Die Zusammenarbeit klappt auch sehr gut und selbst über Teamgrenzen hinweg.
Alles in allem eine anschauliche Firma, die Leute sind motiviert. Das Geschäft läuft auch ganz gut und die Geschäftsführung hat neue Ideen bereits in der Pipeline.
Erfolge – Check?
Die Mitarbeitenden sind stolz auf ihre Firma und erzählen auch gerne von ihren Markterfolgen. Den Markterfolgen der Firma. Den guten Ideen. Den Ideen der Geschäftsführung. Auf den zweiten Blick stutzt man hier. Was ist mit den Erfolgen der Teams? Oder Einzelner? Was, mit den Ideen der Teams? Tatsächlich suchen die Teams nach neuen Ideen und produzieren auch viele interessante Ansätze und Gedanken. Aber wirklich etwas daraus geworden ist bisher wenig.
Transparenz – /
Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass einige der Ideen, die entwickelt wurden, redundant sind oder aktuell nicht in die Firmenstrategie passen. Zum Teil sind es auch Ansätze, die unter den speziellen Umständen im Markt und/ oder dem Ökosystem der Firma schlicht nicht greifen. Anderen Ideen mangelt es an Weitsicht. Risiken und Nachteile werden scheinbar übersehen.
Ein wenig frustrierend ist das schon, für die Teams. Langsam wirkt es sich auch auf die Motivation aus. Scheitern ist ja vor dem Hintergrund der Lerngelegenheit nicht schlecht. Aber so wirklich weiter kommen die Teams nicht. Die Teams haben das Gefühl, dass sie immer erst hinterher erkennen, dass die Idee oder der Ansatz nicht wirklich erfolgsversprechend war.
Das Modell
Die Arbeitsweise erfolgreicher agiler Unternehmen fußt auf drei Elementen: Transparenz, Empowerment und Kollaboration (T E C Modell), wie im Buch „Der Code agiler Organisationen“ aufgezeigt. Dabei sind alle drei Elemente wichtig – die Schwerpunkte können für Firmen unterschiedlich liegen – das Vernachlässigen eines der Elemente hindert jedoch konsequent den Erfolg.
Und zurück zum Fall
Bei dem geschilderten Fall sehen wir einiges an Empowerment und flexibler Kollaboration. Das vernachlässigte Element ist die Transparenz. Den Betroffenen war das nicht bewusst. Denn die Firma legt großen Wert auf die Informationsweitergabe und die Vision ist sogar schön visualisiert für alle sichtbar, die Arbeit auf Kanban Boards geschrieben.
Zu Transparenz gehört die Möglichkeit, sich ein eigenes Bild zu machen.
Aber zu Transparenz gehört mehr: Die Möglichkeit, sich ein eigenes Bild zu machen. Genauer, drei Facetten:
- Transparenz mit Informationen und Daten
- Transparenz von Ergebnissen und Wirkung der eigenen Arbeit
- Transparenz von Plänen und Absichten
#1 Transparenz mit Informationen und Daten
In unserem Fall waren die Mitarbeitenden auf die regelmäßigen Info-Sessions angewiesen. Hier kommuniziert das Management regelmäßig, wo die Firma steht und was die Pläne für die nahe Zukunft sind.
Mitarbeitende ernähren Ihren Geist mit den Informationshappen, die ihnen zugeworfen werden. Statt die Lage, die Umstände und die Chancen selbst betrachten zu können und die Auswirkungen der eigenen Arbeit verfolgen zu können, um selbst optimieren und innovieren zu können. Zwei Beispiele sollen Herausgegriffen werden.
#2 Transparenz mit Plänen und Absichten.
Die Pläne der Firma wurden zwar offen kommuniziert, jedoch ohne die Beweggründe darzulegen – die Geschichte dahinter. Wieso wurde ein bestimmter Plan gewählt? Wie genau wird der Weg Wirkung zeigen und was soll ultimativ damit erreicht werden? Auch fehlte den Mitarbeitenden oft der Bezug zur Vision bzw. zu den übergeordneten Zielen der Organisation und die strategische Bedeutung. Noch gravierender: die Mitarbeitenden wurden in die Planung nicht miteinbezogen. Die Eigenverantwortung, die die Teams haben, hörte also dort auf, wo es um die eigentliche Wirkung auf den Markt ging.
Eigene Ideen dazu, wie die eigentlichen Ziele vielleicht ganz anders, besser oder schneller erreicht werden können, konnten die Teams nicht angemessen entwickeln. Stattdessen verschwendeten die Energie in Ideen, die am Ende nicht zielführend waren, oder in den Umständen – die nicht ausreichend transparent waren – nicht anwendbar waren.
#3 Transparenz mit der Wirkung der eigenen Arbeit.
Wenn wir eines von Giganten wie Amazon lernen können, dann die Wichtigkeit, die Sichtlinie zum Kunden zu haben. Über direkten Kontakt oder über Information und Daten zur Situation es Kunden und zum Kundenverhalten. Exzellenter Kundenservice und Innovation entsteht da, wo Menschen überall in der Organisationen überlegen können, wie sie für die Kunden (noch mehr oder weiteren) Wert schaffen können.
In dem geschilderten Fall fanden Gespräche mit Kunden kaum statt und wenn, dann eher zufällig. Wenn etwas Interessantes erfahren wurde, gab man das an das Management weiter. Einen strukturierten Austausch unter den Kolleginnen dazu gab es nicht. Kundenfeedback ging ebenfalls nur direkt an die Führung. Eine Auseinandersetzung mit den Facetten der Transparenz im T E C Modell zeigt eine ganze Reihe an Ansatzpunkten auf, die hilfreich oder notwendig sind, um die Teams nicht nur sich selbst organisieren zu lassen, sondern ihnen auch die notwendige Transparenz zu bieten, um alle Informationen zu beschaffen, die sie brauchen um relevante Ideen zu entwickeln und deren Erfolg selbst zu prüfen, aber auch um Optimierungs- und Anpassungsbedarf schnell zu erkennen und darauf kreativ reagieren zu können.
Und diese Erfolge gilt es dann auch transparent zu machen, um davon zu lernen, und, um zu feiern.
Dr. Stefanie Puckett ist Diplom Psychologin mit Forschungshintergrund. Sie lebte und arbeitete global für mehrere Unternehmensberatungen, in Management- und globaler Rolle für eine Fortune-500-Firma, und führte ihr eigenes Unternehmen. Sie arbeitete mit über 500 Führungskräften und leitete mehrere hundert Workshops, Seminare, Coachings und Beratungsprojekte. Sie ist überzeugt davon, dass Veränderung immer mit dem Menschen beginnt. Als Beraterin und Executive Coach nutzt sie wissenschaftlich fundierte Thesen, um Problemen auf den Grund zu gehen.