Wähle Deine Götter mit Bedacht

»Mich hat keiner gefragt!« Es ist wieder einmal Regierungsbildungszeit. So hörte ich kürzlich im Radio einen Politiker aus der Ampel-Koalition sagen: »Wir setzen den Wählerwillen um.« Er gehörte sogar zu der Partei, die im September meine Anti-Rechts-Stimme bekam. Ich dachte nur reichlich frustriert: »Meinem kommt das nicht einmal nahe. Ihr kümmert euch einen feuchten Kehricht um meine Wünsche.« Das, was ich dort fühlte, gilt für die Arbeit vielleicht noch mehr, als für die Politik. Denn komme ich zu einem neuen Kunden, teilen viele Mitarbeiter dieses Gefühl.

Ihr macht doch eh, was ihr wollt

Da spricht die Hilflosigkeit. Wenn weder fundierte Meinung noch besseres Wissen reichen, um Gehör zu finden. Wenn sinnvolle Zuwiderhandlung in Strafe endet. Wenn verständige Nachfragen lästig ist. Dann habt ihr es geschafft. Ihr seid am Teich angekommen. Wie? Was? Am Teich? Wo kommt denn jetzt der Tümpel her? Na woher schon, aus den sozialen Medien.

Francois Zietlow erklärt dort in einem Video, wann es wie Sinn hat, Betroffene in Entscheidungen einzubeziehen. 
Die lapidare Antwort von Olaf Kleindon darauf ist: „D.h. wenn ich den Teich aus strategischen Gründen austrocknen muss, weil es für die Umgebung insgesamt besser ist, lass ich die Frösche entscheiden? ;-)“
Da ziehe ich den Hut vor. Er ist so richtig wortgewandt. Und auch brutal klug. Das bringt es voll auf den Punkt. Man(n) darf doch keinesfalls die Frösche fragen, wenn man(n) schon weiß, dass der Weiher ausgetrocknet gehört. Die könnten ja auf die Idee kommen, das wäre falsch. So ironisch, so gut. Wo ist die Pointe? 

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Nur Gott kennt die Zukunft

Ich entschuldige mich an dieser Stelle vorsorglich bei Olaf Kleidon. Wir sind uns gänzlich unbekannt. Sicherlich ist er, wenn wir uns erst einmal mehr unterhalten, ein netter Zeitgenosse. Einer, mit dem ich gerne mal im Biergarten philosophiere. Hier wird er zur Projektionsfläche von Rückschlüssen, die ihm vermutlich kaum gerecht werden. Doch er hat den Satz nun einmal öffentlich geschrieben, da verträgt er sicher ein wenig Kritik von unten. 

Wer glaubt er eigentlich, dass er ist? Gott? Nein, er selbst sagt von sich, dass er der mit der (Übersichts-)Rolle ist. Er trifft fundierte Entscheidungen. Er übernimmt Verantwortung. Das sind zumindest seine Worte auf die Rückfrage von Jessica Aust, ob die Leute nicht irgendwie auch das Recht haben, an strategischen Entscheidungen teilzuhaben? An der Stelle, die sarkastische Frage: Arroganz, darf es noch ein wenig mehr sein? Ja natürlich! Ich zitiere Herrn Kleidons weitere Reaktion: „Jessica Aust, das sehe ich genauso wie Du: Einbeziehen ja. Entscheiden eher nicht.“ Also nochmal zurück zum Demiurgen. Was zeichnet die Götter der Wirtschaft aus. Olaf will uns mit den Plausibilitäten Übersicht, Begründbarkeit und Verantwortlichkeit verführen. Doch würde das stimmen, gäbe es mehr Gründe dafür, dass die Frösche mitentscheiden, als dagegen. Denn dort finden wir diese Eigenschaften ja deutlich häufiger gespiegelt, als bei einer einzelnen Kröte, die von sich selbst behauptet, so zu sein. Poppt bei Dir auch gerade das Bild von Christian Lindner vor Dein inneres Auge? 

Halt! Bleiben wir beim Thema. Also welche Amphibie versteckt unser Verfechter des scheingesunden Menschenverstandes hinter seinen schönen Worten? Na die Unke. Er unkt von Qualitäten, die wenig bis null mit der Wirklichkeit zu tun haben. Die Jungs und Mädels, die über die Frösche hinweg entscheiden, unterscheidet vor allem eines von ihren Gattungsgenossen. Sie sind oder haben direkten Zugang zum Eigentum. Sie haben ein Dokument, das sagt: Mir gehört das Gelände, auf dem der Teich liegt. So wird ein Schuh draus, lieber Olaf. Denn anders ist weder unser ökologischer Fußabdruck, noch die ständig steigenden Schuldenberge weltweit, noch der Tagesverdienst von Jeff Bezos zu erklären. Und wie komme ich jetzt auf dieses schmale Brett?

Lasst sie mitquaken

Ich kenne Firmen, die professionell ihre Frösche entscheiden lassen. Und hier gerade die existentiellen Themen. Sie sind überzeugt: Wenn es darum geht, ob der Teich ausgetrocknet wird, sollen alle mitdenken. Von Beginn an. Denn über die Selbstwirksamkeit, die das zulässt, gelingen sinnvolle Lösungen. Es kommt zu Ergebnissen, die viel besser sind, als sämtliche Vorstellungen der Eigentümer. Und das ist keine Behauptung von mir. Das sagt Stephan Heiler, der Inhaber der Heiler Glas GmbH regelmäßig in seinem Blog und in Interviews. Er ist einer der ergebenen Geschäftsführer, die kapiert haben, dass Allwissenheit unpachtbar ist. Ich nenne Betriebe, die sich so aufstellen, adaptive Organisationen. Sie haben aufgehört, sich die Welt und ihre Firmeneigner rosa zu färben. Sie dichten ihnen keine übermenschlichen Eigenschaften mehr an. Dort schreiben sich die etwas wagemutigeren Eigentümer-Normalos keineswegs mehr die Leistung der untergebenen Frösche zu. So bleibt ihnen auch der Glaube erspart, sie wären übernormal. Das klappt, weil sie aufhörten, über das Gequake der Frösche zu lamentieren. Stattdessen lernten sie, aus der Kakophonie eine eingängige Melodie zu orchestrieren. Deshalb frage ich. „Wollen wir weiterhin den selbsternannten Göttern Gehör schenken?“ Ich weiß: „Mit den Fröschen quaken ist Leben. Hin und wieder frivol, meistens ernst und manchmal einfach nur unterhaltsam!“

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