Offene Kritik zu üben, sollte man sich gut überlegen. Selbst bei aller beteuerter Offenheit: Chefs mögen sie nicht, Andersdenkende und Kollegen auch nicht. Willkommen in der Welt der Alternativlosigkeit. Doch so ausweglos ist es nicht. Anstatt die offene Konfrontation zu suchen, kann man ja einfach mal eine Frage stellen. Geschickt platziert regt sie zum Denken an. Und reagiert dann einer der anderen verschnupft hat er sich selbst entlarvt.
Wir müssen reden
„Also, hören Sie,“ beginnt der Chef das Gespräch, „es ist höchste Zeit, dass wir uns mal unterhalten. Sie sind jetzt seit drei Monaten Projektleiter und ich frage mich, welche Ergebnisse haben Sie bisher eigentlich erreicht? Ich habe so den Eindruck, Ihre Projektbeschreibung ist ziemlich chaotisch.“
Wie nach so einer Einleitung das Gespräch weitergeht, lässt sich leicht erahnen. Es wird auf irgendeine Art und Weise eskalieren. Dabei sind Kritikgespräche per se etwas überaus Hilfreiches, ob nun im Unternehmen, in einer Beziehung oder Partnerschaft. Doch glauben nicht wenige, dass sie anscheinend mit Vorhaltungen, Vorwürfen und Anschuldigungen schneller ans Ziel kommen. Ist das wirklich so?
Statt streiten besser fragen!
Ganz im Gegenteil, gute Fragen sind oft effektiver und nützlicher, wenn es darum geht, wirklich sinnvoll und ergebnisorientiert Kritik zu äußern, Konflikte zu lösen und Krisen zu meistern. Das hat seine Gründe, denn mit Fragen vermeidet man eher ungünstige Botschaften wie eben Vorurteile, Schuldzuweisungen und Voreingenommenheit. Das ist entscheidend, damit einem nicht die Führung des Gesprächs entgleitet, bevor man überhaupt die Chance hatte diese zu übernehmen.
Fragen geben zudem dem Gesprächspartner das Gefühl von Freiräumen, Wahlmöglichkeiten und offenem Ausgang. Das sind genau die Zutaten, damit sich der andere überhaupt auf ein solches Gespräch einlässt. Und nicht zuletzt sorgt das Hervorrufen eigener Lösungen für eine bessere und diszipliniertere Umsetzung – jeder liebt seine eigenen Ideen mehr, als die Aufforderung von außen!
Einfach WWW fragen!
Wie sage ich etwas ohne den anderen zu verletzen? Was mache ich, damit mein Gegenüber sich auf das Gespräch überhaupt einlässt?
Gespräche, besonders mit emotionalem Hintergrund lassen sich aber nur schwer oder überhaupt nicht planen. Ein Gesprächsfaden, eine Gesprächsidee oder Struktur schon und wenn diese zusätzlich in Fragen mündet, ist es nur klug und konstruktiv, sie zu nutzen. Drei Säulen, die es leicht machen ein, für alle Seiten annehmbares Kritik-, Konflikt- oder Krisengespräch zu führen, heißen: Wertschätzung, Wohlwollen und Wahrnehmung.
Die Wertschätzung
Es geht mir nicht darum „was“, sondern „wie“ du gefragt hast – einen Satz, den sicher schon jeder mal gedacht oder gesagt hat. Aus dem Blickwinkel der Wertschätzung darf das, was man gefragt und hinterfragt hat oder generell in Frage stellt weder verletzen noch die Persönlichkeit angreifen. Das hat nicht nur was mit guten Manieren und Führungsqualität zu tun, sondern vor allem mit Vernunft. Eine angegriffene und sich verletzt fühlende Person wird sich mit allen Mitteln wehren, aber sicher nicht zu einem konstruktiven Gesprächsergebnis beitragen. Ein kleiner Test macht das anschaulich. Der berühmte Satz: „Bleiben Sie doch mal sachlich!“ – in der Realität kennt man nur zwei Reaktionen darauf. Der andere ist beleidigt und sagt nichts mehr oder der Streit eskaliert und entgleitet in eine sehr unsachliche Debatte. Beides ist wenig zielführend.
Fragen müssen daher immer in Ton und Wortwahl die Wertschätzung des Gesprächspartners und der Sache selbst (das Thema ist wichtig und es wert) beschreiben. Einleitungen wie: Ich möchte Sie gerne fragen…, darf ich Sie fragen… oder erlauben Sie mir die Frage…. sind Formulierungen, die schwer abzulehnen sind.
Das Wohlwollen
Natürlich kennt sie jeder, die verschiedenen Fragetechniken. Ob offene, geschlossene, alternative, suggestive oder rhetorische Fragen, zunächst ist es entscheidend, welche Absicht der Fragesteller hegt. Da gibt es die, die mit ihrer Frage Recht bekommen möchten, andere wollen Druck erzeugen oder an das schlechte Gewissen appellieren. Wenn Fragen als Machtinstrument, Manipulation oder Täuschung benutzt werden, ist es kein Kritikgespräch mehr, bzw. wird der Gesprächspartner nicht mehr zur Kooperation bereit sein und an einer konstruktiven Lösung kein Interesse mehr haben – warum auch?
Jede Frage sollte dem anderen das Gefühl geben, er hat eine Wahl, kann mit seiner Antwort Einfluss nehmen und mitgestalten. Das heißt, eine Frage soll frei von Vorwurf und Schuldzuweisung sein. Auch hier ein kleiner Test: „Warum ist der Ordner grün?“ So formuliert, gibt man Raum für eigene Argumente, Begründungen und andere Sichtweisen.
Doch was, wenn die Frage nur ein wenig verändert wird: „Warum haben Sie einen grünen Ordner für die Unterlagen genommen?“ Die Sache ist immer noch die Gleiche und doch wird der Angesprochene höchstwahrscheinlich in die Verteidigung gehen und das ist weit weg von einer Lösung. Deshalb gilt der Leitspruch: Eine Frage darf nie zu einem MATT führen!
Wahrnehmung
Wann stellt man welche Frage? Was ist ein günstiger und was ein ungünstiger Augenblick? Gibt es überhaupt einen richtigen Zeitpunkt?
In der Tat gibt es immer drei richtige Zeitpunkte.
- Gute Fragen und konstruktive Kritik leben von der Einleitung und diese hat drei Schritte. Zunächst gilt es ganz neutral und sachlich zu schildern und zu beschreiben, was man wahrgenommen hat [….Ich sah, hörte, nahm wahr, beobachtete…] kurz, worum geht es! Als nächster Schritt wird das Wahrgenommene wohlwollend interpretiert, d.h., in einer Art positiver Grundannahme […ich denke, vermute, glaube…]. Abschließend wird sehr präzise der Verhaltenswunsch zum Ausdruck gebracht. Also, wie soll mein Gegenüber mit dem Gespräch und dem Sachverhalt umgehen! Jetzt wird der Dialog mit einer offenen Frage eröffnet: „Wie sehen Sie die Sache?“ „Was denken Sie darüber?“ o.ä.
- Während eines Kritikgesprächs gibt es unzählig viele Fragemöglichkeiten. Die offene, auch weiterführende Frage genannt, sorgt für einen Gesprächsfluss und somit für den bestmöglichen Austausch verschiedener Ansichten. Die geschlossene, auch Entscheidungsfrage genannt, hilft Gemeinsamkeiten, Lösungen und Vereinbarungen verbindlich zu machen.
- Kein Gesprächsabschluss ohne Frage, schon gar nicht bei einem Kritikgespräch. Wie fühlt sich mein Gegenüber, gibt es noch Unausgesprochenes oder gar andere Themen, die jetzt noch zu klären sind. Und nicht zuletzt die Frage nach dem erlebten Gespräch: Ein gutes Kritikgespräch ist dann erfolgreich, wenn der Kritisierte zum Schluss das Gespräch, sein Empfinden dazu und das Ergebnis offen und kritisch rückmelden darf. Eine Kritik ist niemals eine Einbahnstraße und genau dafür gibt es die Fragen.
Wer den Nutzen und Mehrwert von Fragen versteht und weiß diese richtig zu platzieren, besitzt den Schlüssel zu einem guten und ergebnisorientierten Kritik-, Konflikt- oder Krisengespräch.
„Herr Schulze,“ beginnt der Chef das Gespräch, „Sie sind jetzt seit drei Monaten Projektleiter und ich möchte mich heute mit Ihnen über Ihre Ergebnisse unterhalten. Wie würden Sie diese beschreiben, wo sehen Sie Komplikationen und wo Veränderungsbedarf?“
Wer fragt, der führt und zwar ein erfolgreiches Gespräch – nicht mehr und nicht weniger.
„Dann fahre ich die nächsten 40 Jahre auf demselben Gleis!“ Eine Erkenntnis, die Oliver Groß den Karriere-Kick brachte. Mit nur 22 Jahren wurde er Mitglied der Geschäftsleitung, übernahm Verantwortung für 350 Mitarbeiter und studierte nebenbei Kommunikationspsychologie und Philosophie. In dieser Zeit begann er auch, mit Notizbüchern zu experimentieren und stellte fest, dass diese unscheinbaren Helfer Großes bewirken: Sie helfen Lösungen und Auswege zu finden und eröffnen sogar ganz neue Perspektiven – die Geburtsstunde der NOTIZBUCH-STRATEGIE.