Positiv Priming – Starke innere Bilder

Es gibt Tage, an denen bestimmte Aufgaben einfach leichter von der Hand gehen: Mal bewältigst du die Joggingrunde leichtfüßig, mal ist sie eine Qual. „Das kennt jeder Spitzensportler! Und gegen diese Tiefs hilft eine recht simple Methode: Positiv Priming. Denn das Beste an ihr ist, dass es ganz ohne fremde Hilfe gelingt.“, sagt die Olympiasiegerin Heike Henkel.

Nicht immer steht so viel auf dem Spiel wie bei Olympischen Spielen. Trotzdem hast du bestimmt schon häufig die Erfahrung gemacht, dass bestimmte Aufgaben an manchen Tagen viel leichter als an anderen von der Hand gehen. An manchen Tagen bewältigst du deine Joggingrunde leichtfüßig, während an anderen jeder Schritt eine Quälerei ist.

Warum nicht den Priming-Effekt auch hier nutzen? Das Beste ist auch hier wieder, dass du es ganz allein ohne fremde Hilfe tun kannst. Mache es wie die Probanden im Versuch von John Bargh: Bevor du deine Joggingschuhe anziehst, kannst du dich bewusst mit Wörtern beschäftigen, die etwas mit Leichtigkeit, Geschmeidigkeit und Schnelligkeit zu tun haben, und daraus eine eigene Liste erstellen. Mir fällt spontan ein: Gepard, leichtfüßig, hell, Freude, Tempo, durchatmen, geschmeidig, flugs, mühelos. Sicher hast du für dich selbst ganz eigene Ideen.

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Alternativ kannst du dir auch Bilder anschauen, die mit Laufen, Leichtigkeit und Geschwindigkeit zu tun haben.

Wenn du vor einem anstrengenden Tag stehst, an dem viele verschiedene Aufgaben zu bewältigen sind, und du dich nicht gestresst oder unter Druck fühlen möchtest, kannst du in ähnlicher Weise vorgehen: Sammle Wörter, die mit Frische, guter Laune und Elan zu tun haben: hell, Sonne, frisch, Lachen, fröhlich, leicht, wunderbar, einfach, beweglich, Freude.

Umgib dich also mit Wörtern und Gegenständen, die innerlich positive Vorstellungen und Zustände bei dir auslösen. Du kannst sogar Düfte dafür verwenden. Wenn du in deinem Urlaub in einer Gegend warst, in der es nach Pinien und Zitrusfrüchten gerochen hat, kannst du dir diesen Duft in einem Lämpchen mit ätherischen Ölen ins Büro stellen oder nach einem Körperduft suchen, der dich an die Luft in deinem Urlaub erinnert. Du bringst dich so viel leichter in eine gute Stimmung – und eine gute Stimmung lässt dich manchen Stress gar nicht erst spüren.

Gleichzeitig solltest du darauf achten, dich nicht ständig mit negativen Informationen, schlechten Nachrichten und Gesprächen über unlösbare Probleme zu beschäftigen. Meide auch Menschen, die in allem nur Probleme sehen. Denk daran, was in den Nachrichten kommt, was in der Zeitung steht und worüber sich Nachbarn gerne unterhalten. Eine Kostprobe gefällig?

Kaum kommst du aus deiner Wohnung, begegnet dir der Nachbar im Flur. Er steht unter Dampf und lässt ihn gleich bei dir ab, denn er ist genervt. Weil der Strom abgelesen werden müsste und der Vermieter sich nicht kümmert, obgleich die Miete schon viel zu hoch ist. Auch die Bank hat schon wieder die Gebühren erhöht. Überhaupt ist alles teurer geworden, und dein lieber Nachbar untermauert es gleich mit mehreren Beispielen. Weil der Nachbar dieses neue Auto hat, das er sich doch eigentlich gar nicht leisten kann. Außerdem parkt er es viel zu nah an deinem Carport, du solltest dich mal beschweren. Denn wenn du es demnächst beim Ausparken streifst, bist du schuld und musst für den Schaden aufkommen.

Wenn so dein erstes Gespräch am Morgen im Treppenhaus auf dem Weg zur Arbeit verläuft, dann steht dein Tag unter schlechten Vorzeichen. Während der Fahrt im Auto hörst du dann die Nachrichten aus dem Radio. Schon wieder ist viel Schlimmes passiert. Donald Trump ist Präsident in den USA geworden, und störungsanfällige Atomkraftwerke in Frankreich und in Belgien laufen auch noch. Es hat einen Raubüberfall auf eine Tankstelle gegeben, und ein Tunnel auf dem Weg zur Arbeit ist länger gesperrt als geplant. Die politischen Parteien geben einander die Schuld am Anstieg des aktuellen Haushaltsdefizits.

Auch das ist Priming, wenn auch unabsichtlich. Bedenke: Du wirst ständig von dem beeinflusst, was sich in deiner Wahrnehmung befindet. Künftige Wahrnehmungen richten sich dann in die gleiche Richtung aus. Im Fall unseres Beispiels steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dir an diesem Tag ganz besonders viele Probleme auffallen, gegen die du nichts tun kannst und die dich natürlich ärgern.

Was also tun, um negatives Priming zu vermeiden? Suche dir die Nachrichten heraus, die dich wirklich interessieren. Wenn in Südamerika ein Staudamm bricht und davon ganz viele Menschen betroffen sind, dann ist das schlimm, das ist keine Frage. Aber ist diese Nachricht für dich relevant? Musst du dich davon betroffen fühlen und dich damit auseinandersetzen? Nein, denn du hast auch ein Recht auf emotionale Selbstbestimmung! Lege lieber häufiger mal eine CD ein, höre ein Hörbuch oder Musik, die du magst, anstatt dich dem auszusetzen, was zufällig in der Welt passiert. Sag dem Nachbarn, der dich ständig mit seinen Sorgen belästigt, freundlich: »Guten Morgen! Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag – leider muss ich direkt zur Arbeit und hab’s eilig« und verlass das Haus, ohne dich in ein Gespräch verwickeln zu lassen. Du bist nicht unhöflich, wenn du nicht seine miese Stimmung teilen möchtest. Verbringe deine Mittagspause bewusst mit Menschen, mit denen du gerne zusammen bist und die Dinge aus einem konstruktiven Blickwinkel betrachten, anstatt den Tisch mit den unverbesserlichen Pessimisten zu teilen. Meide Mitmenschen, die über andere lästern und gerne über andere herziehen, die neidisch oder missgünstig sind. Diskutiere politische Fragen mit Menschen, die du für differenziert und informiert hältst, anstatt dich mit denen auseinanderzusetzen, die nur gerne die aktuellen Stammtischparolen wiederholen. Vermeide zu viel Negatives in deinem Umfeld, wann immer es geht. Und sprich, wenn es um konkret zu bewältigende Herausforderungen geht, nicht so viel über die Ursachen von Problemen, sondern suche zielstrebig nach Lösungen. Wenn die Dinge passiert sind, interessieren die Ursachen nur, wenn ihre Kenntnis zu einer Lösung beitragen kann. Die Ursachen sind immer die Vergangenheit. Lege dein Interesse auf die Gegenwart und Zukunft. So lenkst du deine Aufmerksamkeit und deine Wahrnehmung im Alltag in eine Richtung, die dich stabiler und handlungsfähiger werden lässt, anstatt dich zu ängstigen oder zu lähmen.

Füttere dein Gehirn mit positiven Bildern

»Man kann es sich nicht vorstellen, bis man beginnt, es sich vorzustellen.«

Vor Wettkämpfen hatte ich (Heike) in meiner aktiven Zeit oft zwangsläufig viel Zeit, um mich mit dem bevorstehenden Ereignis gedanklich auseinanderzusetzen. Um mich davon abzulenken, tat ich die unterschiedlichsten Dinge. Doch irgendwann geht einem die Fantasie für die passende Ablenkungsbeschäftigungstherapie aus.

Als ich dann eines Tages im Hotel auf meinem Bett lag, ließ ich die aufkommenden Gedanken einfach zu und fing an, mir vorzustellen, wie ich anlaufe und über die Latte springe. Von Mal zu Mal entstand ein immer umfangreicheres Bild. Ich fügte immer mehr Details hinzu und nahm jedes Mal eine Sinneswahrnehmung mehr hinzu. Ich spürte die warme Sonne auf der Haut, nahm den Geruch der Kunststoffbahn (Tartan) und des Plastiküberzugs der Matte wahr. Auch die Geräusche, die ich allerdings als ein Bündel von Geräuschen wahrnahm, gehörten dazu. Die Bilder wurden immer detailgetreuer, sodass ein ganzer Gedankenfilm entstand.

Ich stellte mir sogar die Höhen als Zahl vor, die ich dann gedanklich übersprang, ohne dass ich sie in der Realität vorher schon einmal übersprungen hatte. Das Tolle daran: In Gedanken hatte ich mehr als drei Versuche, und jeder endete immer mit einem gelungenen Sprung. Dies hatte den Effekt, dass ich die Angst vor diesen Höhen verlor. Zudem konnte ich mir immer besser vorstellen, die bisher unerreichten Höhen auch in der Realität zu überspringen. Oft war es dann so, dass ich es kaum erwarten konnte, bis der Wettkampf losging. Ich wollte dann endlich das in Gedanken Erlebte in die Realität umsetzen.

Meine Erfahrung ist, dass du nur mit genügend positiven Eindrücken auch eine wirklich positive Einstellung zu der Aufgabe bekommen kannst, die du bewältigen möchtest. Bevor man in den Wettkampf geht, hat man oft noch eine Menge Zeit. Nutze daher die Zeit, um dir den Wettkampf wie einen Film durch den Kopf gehen zu lassen.

Das bedeutet, dass du dir den Verlauf deines bevorstehenden Wettkampfes bildlich so genau wie möglich vorstellst, wie ich es oben beschrieben habe. Diese Technik kannst du auch wunderbar in dein Training einfließen lassen, indem du dir bei der Ausführung einer schwierigen Übung vorstellst, wie du diese Kraft nutzt und über eine bestimmte Höhe springst oder in einer neuen Bestzeit durch das Ziel läufst.

Du kannst dir auch dein Ziel auf einen Zettel notieren und ihn zu Hause gut sichtbar anbringen, zum Beispiel am Spiegel. So wird es zu einem vertrauten Anblick, und die Angst davor verringert sich mehr und mehr. Im Hochsprungtraining habe ich die Latte auch schon mal auf 2,10 Meter gelegt, um mich mit Höhen über 2,00 Meter vertraut zu machen. Mit einem Imitationssprung (angedeuteter Sprung an der Latte) habe ich mich dann an die neue Höhe herangetastet, sie also normaler wahrgenommen, und so mehr Vertrauen für die neue Höhe gewonnen.

Bau dir starke innere Bilder – und noch viel mehr! Von Visualisierung und Co.

Die Arbeit mit inneren Bildern nennen wir Visualisieren. Das kommt von der Vision, dem Sehen. Wir sehen etwas, was in Wirklichkeit nicht da ist, das aber genauso wirkt, als sei es da. Noch wirksamer werden diese Vorstellungen, wenn wir nicht nur das Sehen, sondern auch weitere Sinne nutzen. Dann nennen wir das Ergebnis Halluzination. Keine Sorge, das hat nichts mit den krankhaften Halluzinationen zu tun, unter denen manche Menschen leiden. Halluzination in unserem Sinne ist etwas, wozu unser Geist in der Lage ist: die Fähigkeit, etwas zu riechen, zu schmecken, zu hören oder zu spüren, was in Wirklichkeit nicht da ist. Wenn wir das als mentale Fähigkeit bewusst nutzen, können wir unsere Potenziale intensiv erweitern!

Insgesamt sind neun Sinne für Halluzinationen nutzbar. Wir betrachten sie deswegen als voneinander getrennt, weil sie von unterschiedlichen Nervenbahnen unterstützt und von voneinander getrennten Sinneszellen aktiviert werden. Es sind

  • der Sehsinn,
  • der Hörsinn,
  • der Geruchssinn,
  • der Geschmackssinn (mit den fünf Grundgeschmacksformen süß, sauer, bitter, scharf und salzig. Alle anderen Nuancen werden übrigens vom Geruchssinn wahrgenommen.),
  • der Sinn für Druck und die Wahrnehmung von Druck auf der Haut, Berührung,
  • der Temperatursinn,
  • der Schmerzsinn (Wahrnehmung von Schmerz, Unbehagen und Wohlsein),
  • der Sinn für die Herzfrequenz und
  • der Sinn für den Atemrhythmus.

Verbinden wir die Vorstellung verschiedener Sinneseindrücke zu einem Gesamtkunstwerk, entsteht eine machtvolle Vorstellung, die sofort und unmittelbar zu einem Gefühl führt.

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