Rund 30 Prozent der Lebenszeit schlafen wir. Unsere Bewegungen sind auf ein Minimum reduziert, das Gehirn scheint abgeschaltet und die Gedanken gehen auf Tauchstation. Das Leben verpennt! Welch eine Verschwendung! Was hätte ich in dieser unproduktiven Zeit alles Sinnvolles tun können, fragen sich so manche Menschen! Arbeiten, Geld verdienen, das Leben genießen oder etwas völlig Verrücktes tun. Und tatsächlich, so manche Zeitgenossen leben nach der Devise: Schlafen kannst du, wenn du tot bist.
Schlafmangel macht krank!
Menschen, deren Schlaf empfindlich gestört ist, klagen über Müdigkeit, Abgespanntheit und Konzentrationsschwächen. Fortwährender Schlafmangel erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und anderen Krankheiten. Etwa 20 Prozent in Deutschland sind von Schlafproblemen betroffen.
Die Gründe für diesen verbreiteten nächtlichen Wachzustand sind Schichtarbeit, Stress im Beruf sowie seelische Belastungen. Die Kunst, einfach einmal abzuschalten, beherrscht nicht jeder. Nächtliche Grübeleien, das Abarbeiten von Problemen und Konflikten behindern den Schlafprozess.
Wer häufig zu wenig schläft, reagiert gereizt, nervös und kann sich schlecht konzentrieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel versucht den Schlafmangel so zu kompensieren: »Ich habe eine Art Kamelkapazität, mit Schlaf umzugehen. Ich kann über eine gewisse Zeit, fünf oder sechs Tage lang, mit wirklich sehr wenig Schlaf auskommen. Dann brauche ich aber auch wieder einen Tag, an dem ich ausschlafe, zehn, zwölf Stunden«, teilt die ehemalige Kanzlerin in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 8. Dezember 2019 mit.
Wer über einen längeren Zeitraum zu Schlaftabletten greift, riskiert, so belegen zahlreiche Studien, dass Depressionen auftreten. Vor allem wird die Schlafarchitektur und somit die natürliche Abfolge verschiedener Schlafstadien zerstört.
Schlaf ist eine Wunderpille!
Ein zufrieden stellender Schlaf ist erholsam, die Akkus sind aufgeladen und ein gelungener Schlafprozess wirkt lebensverlängernd.
Das individuelle Schlafbedürfnis der Menschen ist unterschiedlich. Häufig werden Eulen und Lerchen voneinander unterschieden. „Eulen“ bevorzugen, spät ins Bett zu gehen und morgens länger zu schlafen. Die „Lerchen“ hingegen steigen frühzeitig ins Schlafgemach und sind morgens sehr früh wach. Der individuelle Schlafrhythmus ist veränderbar und von den Lebensumständen abhängig. In früheren Zeiten gingen gezwungenermaßen die Menschen mit Einbruch der Dunkelheit ins Bett, heute können wir jederzeit auf die Matratze sinken.
»Schlaf ist eine Art Wunderpille der Natur für die Gesundheit unseres Geistes und Körpers«, drückt es Dr. Dominik Heib (Universität Salzburg) aus, »kostenlos und ohne Nebenwirkungen, täglich ausreichend einzunehmen. Und für diese Medizin brauchen Sie nicht Ihren Arzt oder Apotheker fragen«.
Warum schlafen wir?
Der nächtliche Trip spielt eine wichtige Rolle für unser Immunsystem. Im Schlaf werden Infektionen und Krankheiten bekämpft. Sind wir krank, schlafen wir besonders viel, um die „Angreifer“ wirksam zu bekämpfen.
Im Schlaf entsorgt unser Gehirn schädliche Stoffwechselprodukte und molekularen Abfall. Diese nächtlichen Wartungsarbeiten sind notwendig, damit die Aufnahme neuer Informationen im Wachzustand schneller und effektiver erfolgen kann. Das molekulare Gerümpel und der Synapsenmüll, die sich in den Körperzellen angesammelt haben, werden entfernt oder einer erneuten Wiederverwendung zugeführt.
Unser Denkorgan ist eine ständige Baustelle, welche vor allem während der lichtarmen Ruhephasen aktiv wird. Wie bei nächtlichen Reparaturen von Straßen, wenn auf einem Autobahnabschnitt nachts gearbeitet wird, damit tags darauf der Verkehr fließen kann. Damit wir weiterhin unseren Denkapparat nutzen können, müssen auch bestimmte Gehirnzellen repariert werden. Zellerneuerung und Zellreparatur sind wichtig für Lernen und Erinnern.
Lernen im Schlaf – Traum oder Wirklichkeit?
Schlaf ist für das Lernen sehr wichtig, weil das Gehirn zahlreiche regenerative Prozesse aktiviert. Die nächtliche Reise schützt das Gedächtnis davor, überschrieben zu werden, wirkt dem Vergessen entgegen und bereitet unser Oberstübchen auf die Lernvorgänge am nächsten Tag vor. Vor allem relevante und mit positiven Emotionen verknüpfte Lerninhalte werden im Schlaf gefestigt. Schlafen macht schlau!
»In unserer schnelllebigen Zeit«, so die Neurologin und Schlafforscherin Dr. Anna Heidbreder »nimmt man sich für viele Dinge Zeit, aber der Schlaf ist nicht mehr so richtig eingeplant und wird häufig verkannt als eine Phase der Untätigkeit – was er natürlich überhaupt gar nicht ist. Schlaf dient nicht nur der mentalen Erholung, sondern er ist entscheidend, damit wir Lerninhalte und Erlebnisse ins Gedächtnis ablegen.«
Na dann: Gute Nacht! Lernen Sie gut!
Michael Kühl-Lenjer verknüpft langjährige Vertriebs-, Führungs- und Trainingserfahrungen mit aktuellen Erkenntnissen der Gehirnforschung. Als Business-Trainer und Kommunikationsberater unterstützt er Unternehmen und Ausbildungsinstitute dabei, neurowissenschaftliche Aspekte in ihre Aus- und Weiterbildung einfließen zu lassen. Michael Kühl-Lenjer ist Mitglied in der Akademie für neurowissenschaftliches Bildungsmanagement (AFNB) und bezieht seine neurobiologischen Kenntnisse direkt von Wissenschaftlern.