Wenn die Landkarte als Reise verkauft wird

Nein, darauf würden wir niemals reinfallen. Sicher? Na gut, im Reisebüro um die Ecke würden wir den Schwindel sicher entlarven. Doch das Prinzip “Die Landkarte als Reise verkaufen” funktioniert durchaus und findet oft Anwendung wie Heinz Jiranek zeigt. Vermutlich sogar häufiger als wir denken …

In irgendeiner Rubrik »Beraterwitze« habe ich folgende böse Geschichte gelesen:

Die Frösche diskutieren das Problem, dass jeden Morgen die Störche kommen und sich erbarmungslos ein paar wehrlose Kollegen einverleiben und wieder von hinnen fliegen. Die Verzweiflung wächst, sodass schließlich eine der renommierten Beratungsgesellschaften engagiert wird. Die angereisten Berater führen Interviews, analysieren aufs Genaueste Prozesse und Vorgänge und tauchen ein paar Wochen später wieder mit der Ergebnispräsentation auf. Auf Folie 18 wird die Lösung präsentiert: Noch bevor die Störche kommen, sollen die Frösche an einen sicheren Platz fliegen. Sind die Störche wieder weg, dann können alle wieder unbeschadet zurückkommen. Allerseits Applaus und Zufriedenheit. Als der nächste Tag kommt, stellen die Frösche jedoch erschüttert fest, dass sie gar nicht fliegen können. Das Storch-Drama nimmt unverändert seinen Lauf. Verzweifelt und erbost werden die Berater daraufhin zur Rede gestellt. Das sei ja wohl recht billig, eine chic präsentierte Lösung vorzustellen, die aber überhaupt nicht funktionieren könne! Darauf antworten die Berater nüchtern und kühl: »Wir haben euch die Lösung gegeben. Umsetzen müsst ihr sie natürlich selbst.«

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Die Landkarte als Reise verkaufen

Eine bitter-zynische Ohrfeige für Berater und für die Naivität ihrer Kunden. Vielleicht aber auch für uns Leser und Konsumenten der Ratgeber-Literatur. Es kann ja sein, dass die Empfehlungen und auch die zugrunde liegenden Analysen stimmen. Aber nur weil etwas richtig ist, ist es noch lange nicht machbar. Aus der Aussage »XY stimmt«, lässt sich nie und nimmer folgern: XY ist umsetzbar. Einstellungen sind kein Garant für entsprechendes Verhalten.

Managementliteratur verfängt sich oft im Appelativen. Appelle aber sind nutzlos. Wir bemerken das nicht sofort, weil die Plausibilitätsfalle den Blick trübt. Der Autor hat verdammt recht, denken wir, genau so sehe ich das auch! Wir empfinden Sympathie für die, die gleicher Meinung sind, wie wir selbst. Und im wohligen Nebel von Plausibilität und Sympathie vergessen wir die einzig entscheidende Frage: Wie kann man das erreichen? Wie kommt man von A nach B? 

Beliebig herausgegriffene Führungstipps:

  • Behandeln Sie andere immer respektvoll!
  • Hören Sie genau zu und denken Sie mehr als Sie sprechen!
  • Fragen Sie viel!
  • Seien Sie geduldig!
  • Ergreifen Sie die Initiative, wo Sie können!
  • Agieren Sie stets vorbildlich!
  • Loben Sie Ihre Mitarbeiter regelmäßig! 
  • Sagen Sie Nein zu Unwichtigem!
  • Fokussieren Sie sich auf das Wesentliche!
  • Seien Sie positiv!
  • … und beliebig viele weitere Tipps …

Wie aber lernt man es, geduldig zu sein? Wie kann ich einem Mitarbeiter gegenüber respektvoll auftreten, wenn ich mich zutiefst über sein Verhalten ärgere? Wie kann ich mich auf das Wesentliche fokussieren, wenn meine Mailbox vor Aufgaben überquillt, die einfach erledigt werden müssen, dringend aber nicht wichtig sind? Bücher, die diese Fragen offenlassen oder die davon ausgehen, dass die Umsetzung der Einsicht folgt, sind mit Vorsicht zu genießen.

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