Vollkommen überschätzt 

Häufig wird angenommen, dass Männer eher dazu neigen, ihre Fähigkeiten zu überschätzen und Risiken einzugehen, während Frauen sich selbst unterschätzen und vorsichtiger agieren. Oder anders ausgedrückt: Männer sind vergleichsweise selbstsicherer – und Frauen blockieren sich eher durch Selbstkritik.

Ist da was dran? Oder ist das nur ein Klischee? Es gibt es Studien, die diese Annahme bestätigen. Die Gründe dafür sind aber komplex. Denn Selbstvertrauen wird von verschiedenen Faktoren wie Persönlichkeit, Erfahrung, Kultur und Erziehung beeinflusst. Aber auch die Gene spielen eine Rolle. In diesem exklusiven Gastbeitrag teilt die Psychologin Dr. Yana Fehse ihre Erkenntnisse mit, ob und inwiefern das Geschlecht ebenfalls eine Rolle beim Selbstvertrauen spielt. 

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Zusammenhänge zwischen Geschlecht und Selbstvertrauen 

Die Erforschung der Zusammenhänge zwischen Geschlecht und Selbstvertrauen ist ein bedeutender Schritt, um Stereotypen und Klischees zu hinterfragen. Selbstvertrauen kommt bei Männern und Frauen unterschiedlich zum Ausdruck. Männer neigen tatsächlich dazu, mutiger zu sein und sich in verschiedenen Lebensbereichen mehr zuzutrauen. Sie sind eher bereit, Risiken einzugehen und neue Dinge auszuprobieren, getreu dem Motto „Wer wagt, gewinnt“. Frauen hingegen agieren meist vorsichtiger und überschätzen demzufolge ihre Fähigkeiten seltener. Sie neigen dazu, sich selbst eher schlechter einzuschätzen, als sie in Wirklichkeit sind. Das gilt sowohl in beruflichen Situationen als auch im täglichen Leben. Diese unterschiedlichen Verhaltensweisen in Bezug auf Selbstvertrauen können sich auf vielfältige Weise zeigen, etwa bei der Bewerbung auf Jobs, in Gehaltsverhandlungen oder bei der Meinungsäußerung in Meetings. Und das bleibt natürlich auf der Ergebnisseite nicht ohne Konsequenzen.

Verschiedene Faktoren haben Einfluss auf das Selbstvertrauen 

Sowohl die Erziehung als auch biologische Faktoren spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Selbstvertrauen und der Art und Weise, wie sich Männer und Frauen in verschiedenen Situationen verhalten. In vielen Kulturen und Gesellschaften werden Jungen dazu ermutigt, Risiken einzugehen, während Mädchen häufig dazu angehalten werden, folgsam und höflich zu sein. Diese unterschiedlichen Erziehungsansätze prägen das Selbstvertrauen und die Risikobereitschaft im späteren Leben. Mit ihren Radau-Erfahrungen werden Jungs besser vorbereitet auf die Berufswelt. Darüber hinaus wirken biologische Faktoren, wie der Testosteronspiegel, auf die Unterschiede im Selbstvertrauen und Verhalten zwischen Männern und Frauen. Ein höherer Testosteronspiegel, der typischerweise bei Männern zu finden ist, kann zu erhöhter Risikobereitschaft und Selbstsicherheit führen. Dies zeigt sich beispielsweise im Straßenverkehr und in Gehaltsverhandlungen, wo Studien und verschiedenen Publikationen* zufolge Frauen etwa 33 % weniger Gehalt verhandeln als ihre männlichen Kollegen. 

Umgang mit Kritik und Meinungsäußerungen 

Der Umgang mit Kritik und Meinungsäußerungen ist ein weiterer Bereich, in dem Unterschiede im Selbstvertrauen zwischen Männern und Frauen zum Vorschein kommen. In beruflichen oder sozialen Situationen neigen Männer dazu, häufiger und selbstbewusster ihre Meinung zu äußern. Sie setzen oft auf Quantität und präsentieren ihre Ansichten unabhängig von ihrer Qualität, während Frauen dazu neigen, sorgfältiger über ihre Worte nachzudenken, bevor sie sprechen. Diese unterschiedlichen Herangehensweisen können dazu führen, dass Männer als dominanter und durchsetzungsstärker wahrgenommen werden. Bei der Konfrontation mit Kritik zeigen Männer oft eine größere Widerstandsfähigkeit und können mit negativem Feedback besser umgehen. Frauen hingegen neigen dazu, Kritik stärker auf sich selbst zu beziehen und ihre Fähigkeiten infrage zu stellen, auch wenn das objektiv gar nicht gerechtfertigt ist. 

Tipps für ein besseres Miteinander

Um das Selbstvertrauen von Männern und Frauen zu stärken und ihnen zu helfen, selbstbewusster in verschiedenen Lebensbereichen aufzutreten, gibt es laut Dr. Fehse einige wirksame Empfehlungen und Strategien. Für Männer könnte es wichtig sein, sich bewusst Zeit zu nehmen, um auf Qualität statt Quantität zu setzen und auf die eigene Intuition zu hören. Das bedeutet insbesondere, sich vor dem Sprechen oder Handeln eingehender mit den eigenen Gedanken und Gefühlen auseinanderzusetzen und die innere Stimme mehr zu beachten (Body-Mind-Connection), aber eben auch die Bedürfnisse anderer angemessen zu berücksichtigen. Sehr selbstsichere Männer können von aktiverem Zuhören profitieren, indem sie auch anderen Raum geben, ihre Meinungen zu äußern und dadurch ein ausgewogeneres Kommunikationsumfeld für beide Geschlechter schaffen.

Frauen empfiehlt die Psychologin, ihr Selbstvertrauen aktiv zu stärken. Sie können zum Beispiel ein positives Erinnerungsmanagement praktizieren, indem sie ihre Erfolge, egal wie klein sie sind, täglich mehr wertschätzen und feiern. Dadurch richten sie ihren Fokus bewusst auf das Positive und stärken damit kontinuierlich ihr Selbstwertgefühl. Auch der regelmäßige Sprung aus der Komfortzone zahlt sich immer aus. Zum Beispiel bei Gehaltsverhandlungen können Frauen klar und präzise ihre Kompetenzen und Erfolge in den Vordergrund stellen und dann ihre Forderungen selbstbewusst mitteilen. Mit einem selbstbewussten Auftreten können Frauen ihren Verhandlungspartner nonverbal überzeugen.

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