Es wäre schön, wenn es so einfach wäre: Man sucht sich einfach ein paar resiliente Mitarbeiter und packt die in einem Team. Baff! Schon steht das resiliente Team. Ganz so einfach geht das leider nicht. Menschen haben Stärken und Schwächen, sind unterschiedlich belastbar, reagieren unter Stress höchst unterschiedlich. Brigitte Hettenkofer illustriert die drei häufigste Irrtümer und wie sie vermieden werden.
Erster Irrtum: Resiliente Mitarbeiter schaffen ein resilientes Team
Ein erster Irrtum ist, man suche sich resiliente Mitarbeiter, mache daraus ein Team und schon erblüht Team-Resilienz. Starke Einzelpersonen ergeben nicht automatisch ein starkes Team. Unterschiedliche Talente und Stärken sowie die Art und Weise, wie die Teammitglieder zusammenarbeiten, sind die Schlüsselkomponenten für die Bildung einer belastbaren Gruppe. Zusammenarbeiten bedeutet, die Stärken und Schwächen des anderen zu kennen und zu verstehen, Ideen und Informationen auszutauschen und sich auf den anderen zu verlassen, um die Aufgaben zu bewältigen. Nur durch diese gemeinsame Anstrengung kann ein Team belastbar und produktiv werden. Grundsätzlich ist es eine gute Voraussetzung, wenn Mitarbeiter belastbar sind.
Nichtsdestotrotz machen wir alle harte Zeiten und Schwierigkeiten durch. Ein großes Projekt kann abgebrochen werden, ein Konflikt kann eskalieren oder man muss wegen einer schweren Krankheit eine Pause einlegen. Die Art und Weise, wie wir mit solchen Situationen umgehen, kann unseren individuellen und gemeinsamen Erfolg maßgeblich beeinflussen. Genau das haben viele Unternehmen erkannt und unterstützen ihre Mitarbeiter mit diversen Resilienztrainings. Das ist eine begrüßenswerte Entwicklung.
Als ich selbst in den frühen Zweitausenderjahren meine Resilienz-Trainings angeboten habe, war die Annahme dieses Themas noch etwas sperrig. Die Bedeutsamkeit von Resilienz wurde noch nicht richtig verstanden, schon der Begriff war manchen fremd. In den Anfangszeiten gab es häufig den Irrglauben, dass Resilienz die Fähigkeit ist, Stress gut bewältigen zu können. Dies ist jedoch nur ein Teilbereich des Konzepts. Es ist wichtig, Stress standhalten zu können, aber echte Resilienz ist viel mehr als das. Es geht um die Fähigkeit, sich an Veränderungen anzupassen, Rückschläge zu verkraften und trotzdem eine positive Einstellung zu bewahren – in der eigenen Kraft zu bleiben oder sie wieder zu erlangen.
Frage an Sie: Wird die Widerstandsfähigkeit eines Teams nur durch starke Mitglieder in der Gruppe gewährleistet?
Mal angenommen, ein Team besteht aus überwiegend resilienten Mitarbeitern, dann müsste doch alles wunderbar sein. Die Teammitglieder können gut mit Stress umgehen, verfügen über eine hohe Selbstwirksamkeit, blicken zumindest meistens optimistisch auf ihre Arbeitssituation, haben Lust, Neues zu lernen, akzeptieren auch mal Unangenehmes bei der Arbeit, pflegen ihr Netzwerk im Unternehmen, übernehmen Verantwortung und können auch noch ihre Emotionen gut steuern. Ein Traum, oder?!
Jedes Unternehmen und jede Führungskraft wünscht sich Mitarbeiter, die mit Leidenschaft bei der Sache sind und immer nach Möglichkeiten zur Optimierung suchen. Dabei wird übersehen, dass ein Team mehr ist als die Summe der einzelnen Mitarbeiter und eine eigene Dynamik entwickelt. Treten wir einen Schritt zurück und vergegenwärtigen wir uns, was ein Team ist. Mir gefällt besonders die einfache Definition von Prof. Dr. Kilian Hennes (2021: 31):
Unter einem Team wird hier verstanden, was entsteht, wenn Menschen gegenwärtig eine gemeinsame Aufgabe wahrnehmen.
In meinen Teamentwicklungen beobachte ich oft, dass eine Gruppe eine beeindruckende Fähigkeit besitzt, schwierige Szenarien zu bewältigen und vor allem mit größerer Geschlossenheit aus Krisen hervorzugehen. Auch wenn einzelne Teammitglieder nicht unbedingt besonders belastbar sind.
Die Stärke eines Teams kann sich in der gemeinsamen Erfahrung entfalten. Das hat sich im Sport immer wieder gezeigt, denn Teams, die gemeinsam durch Höhen und Tiefen gegangen sind, gehen in der Regel gestärkt aus der Sache hervor. Das Gleiche gilt für Unternehmen und andere Organisationen. Wenn ein Team eine schwierige Erfahrung gemeinsam durchsteht, kann dies zu einem bedeutenden Unterschied in der Zusammenarbeit führen. Sie lernen, einander mehr zu vertrauen und sich aufeinander zu verlassen, was zu einer besseren Kommunikation und einer gelingenden Zusammenarbeit führen kann. Letztendlich kann dies das Team effektiver und erfolgreicher machen.
Ich halte das Bild eines Miteinanders, das nur eine Gruppe starker Mitarbeiter gemeinsam stark sein kann, für völlig unrealistisch und vor allem unbrauchbar. Wie gehen wir dann mit den vermeintlich Schwächeren um? Entfernen wir diese Menschen aus dem Team? Außerdem widerspricht es meinen langjährigen Erfahrungen mit Team-Coachings. Resiliente Mitarbeiter sind noch lange keine Garantie für Team-Resilienz.
Zweiter Irrtum: Team-Resilienz ist ein statischer Zustand
Ein zweiter Irrtum ist: Team-Resilienz ist ein statischer Zustand. Wenn er einmal erreicht ist, dann ist alles gut. Um Team-Resilienz aufzubauen, ist es wichtig, sie auch in Zeiten relativer Ruhe zu entwickeln und nicht auf eine Krise zu warten. Außerdem gibt es keine magischen Werkzeuge, mit denen sich die Resilienz eines Teams einfach herbeizaubern lässt. Sie erfordert Arbeit und die Bereitschaft, als Team zusammenarbeiten zu wollen, um alle Herausforderungen meistern zu können. Team-Resilienz entfaltet sich in Etappen auf einer spannenden Reise. Und wie in jeder Reise gibt es Höhen, Tiefen und auch Umwege. Die Wahrheit ist, dass Team-Resilienz etwas ist, was im Laufe der Zeit kultiviert werden muss. Ein Team wird resilient, wenn es sich auf einen kontinuierlichen Reflexionsprozess einlässt und nach Möglichkeiten sucht, seine innere Stärke weiter auszubauen, um so ihr inneres Potenzial zu entfalten. Es wird Zeiten geben, da erlebt sich ein Team sehr resilient und in anderen Phasen wird sich das Team weniger resilient verhalten. Die Resilienz eines Teams ist kein fester Zustand, sondern ein fortlaufender Prozess, der sich entwickelt und an die sich ständig verändernde Umgebung anpasst. Es ist die Fähigkeit gemeint, wirksam auf Herausforderungen zu reagieren und sich von Widrigkeiten und Rückschlägen wieder zu erholen. Resilienz ist eine wesentliche Fähigkeit für ein gelingendes Miteinander, das ermöglicht, im Team motiviert zu bleiben und gemeinsam auf ein vereinbartes Ziel hinzuarbeiten. Verabschieden Sie sich von der Vorstellung, dass Team-Resilienz als Zustand erreichbar ist. Ich möchte Sie inspirieren und einladen, sich auf den Weg zu machen, um herauszufinden, was im Team alles möglich ist. Teams haben oft viel mehr Kompetenzen und Potenziale zur Gestaltung ihrer Zusammenarbeit, als sie selbst zunächst wahrnehmen. Ich muss immer an einen Satz einer geschätzten Kollegin, Birgit Baumann denken: »Trust the group«. Wenn wir der Gruppe vertrauen, eröffnen wir die Möglichkeit, dass sich kollektive Intelligenz entwickelt. Und genau diese kollektive Intelligenz ist das Herzstück eines wirklich belastbaren Teams.
Dritter Irrtum: Team-Resilienz kann ad hoc erreicht werden
Diese Vorstellung lässt außer Acht, dass die Resilienz eines Teams nicht allein mithilfe von Tools erreicht werden kann. Sie erfordert kontinuierliche Bemühungen, Planung und ein Engagement für den Aufbau von Resilienz. Es handelt sich nicht um eine einmalige Lösung, sondern vielmehr um einen kontinuierlichen Prozess der Entwicklung und Anpassung. Die Resilienz von Teams lässt sich nicht mit einem einzigen Rezept mit Erfolgsgarantie erreichen, sondern erfordert ein andauerndes Engagement und eine Investition von Zeit und Ressourcen. Lassen Sie mich das mit einer Metapher verdeutlichen: Wollen wir einen duftenden Kuchen backen, dann brauchen wir bestimmte Zutaten, die in einem bestimmten Zustand und in einer gewissen Reihenfolge zu einem Teig verarbeitet werden. Der Teig kommt in eine Form und dann ab in den Ofen. Die Hitze im Ofen lässt den Kuchen gedeihen. Sollten wir mal übersehen haben, dass die Butter schon ranzig war und sie trotzdem im Kuchen gelandet ist, werden wir einen dementsprechend schmeckenden Kuchen aus dem Ofen holen.
Es wäre zu schön, wenn Team-Resilienz auch so gebacken werden könnte. Oder?! Beim Kuchenbacken wissen wir, dass die Zutaten einen gewissen Zustand haben sollten. Durch das Vermischen und mit der Hitze entsteht ein wohlduftender Kuchen.
Ein neues Denkmodell
Wir brauchen also ein anderes Denkmodell – eine andere Sichtweise auf das Team, und zwar den systemischen Blick. Ein soziales System ist komplex und einfache Reparaturen helfen nicht richtig weiter. Damit meine ich vor allem: das lineare Denken ist nicht hilfreich. Ist Sand im Getriebe, wollen wir die Maschine ganz schnell wieder funktionsfähig machen. Bei einer Maschine ist das die richtige Vorgehensweise. Ist Sand im Teamzusammenspiel, dann neigen wir auch dazu: Das muss repariert werden! Ideen für solche Reparaturversuche könnten sein: Ein Teammitglied muss geschult werden, das andere Teammitglied wird mit einem Kritikgespräch bedacht, wieder ein anderes Teammitglied muss entlassen werden. Das sind Reparaturangebote an die sogenannten Symptomträger. In meinen Team-Maßnahmen habe ich schon so oft erlebt, dass der vermeintliche Symptomträger aus dem Team entfernt wurde und es dauerte nicht lange, bis ein anderes Teammitglied das Symptom übernommen hat. Systemiker verstehen dieses Phänomen sehr gut.
Es braucht ein Loslassen des alten Denkmodells, alles kann repariert werden. Ein Perspektivwechsel ist notwendig, denn soziale Realitäten, wie sie ein Team abbildet, sind in der Regel viel zu komplex für einfache Reparaturen. Das alte Sprichwort »Man kann ein Buch nicht nach seinem Einband beurteilen« gilt auch für Menschen und noch viel mehr für ein Team. Und noch einmal: Ein Team ist viel mehr als die Summe der einzelnen Teammitglieder.
Team-Resilienz gelingt nur schrittweise
Team-Resilienz ist nur bedingt machbar, aber in kleinen oder größeren Schritten kann sie ermöglicht werden. Ein System kann von außen nur vorsichtig angeregt werden, sich zu verändern. Es gibt keine Erfolgsgarantie. Denn wer kann wissen, was sich in einem Team aus sich selbst heraus entwickeln könnte, wenn wir mehr auf den Prozess im Team vertrauen? Was machbar ist, ist, einen guten Boden für Team-Resilienz vorzubereiten. Es gilt Möglichkeitsräume für Team-Resilienz zu kreieren, die Teams helfen können, Stürme zu überstehen und gestärkt daraus hervorzugehen.
Wie wäre es mit einer achtsamen Haltung anstelle von vergeblichen Reparaturversuchen? Also innehalten und wahrnehmen, was in dem Team gerade los ist. Darauf achten, wie das Team gerade miteinander interagiert. Was braucht das Team gerade? Darum soll es in diesem Buch gehen, ich möchte Ihnen neue Wege aufzeigen.
Brigitte Hettenkofer ist Diplom Theologin, Business Coach, Resilienz Trainerin, Neuroimaginations® Coach und lösungsorientierte Team Trainerin. Ihre Mission ist es, Menschen dabei zu unterstützen, resilient und psychisch gesund zu bleiben, vor allem in Zeiten von Krisen und hohen Anforderungen. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist es, ein ganzes Team in stürmischen Zeiten so zu stärken, dass ein guter Zusammenhalt erhalten bleibt und die Zusammenarbeit gut gelingen kann. In ihren Trainings und Teamentwicklungen unterstützt sie seit mittlerweile 17 Jahren Unternehmen, Kliniken und die öffentliche Verwaltung.