Die “I have a dream-Technik”

Walter Meinwohl sitzt zurückgelehnt und scheinbar gedankenverloren in seinem Büro. Er starrt immer wieder aus dem Fenster, ohne wirklich etwas zur Kenntnis zu nehmen. War es das? Ist das meine Erfüllung? Diese und andere Fragen bewegen ihn nun schon seit Tagen. Instinktiv weiß er, dass er unzufrieden ist und dass er etwas ändern muss. „Entweder meine Einstellung oder mein Leben“, denkt er und beginnt sich erneut in seinen Traum zu begeben. „Ja, ich habe einen Traum, Wunsch, eine Vision oder Idee. So ganz tief drinnen wüsste ich schon, was ich machen würde, wenn ich nur die Gelegenheit, das Geld, die Voraussetzung hätte…“

„Ich kann nicht zufrieden sein, es muss was geschehen“. Diese Phasen kennt fast jeder im Leben – ob als Unternehmer, Führungskraft, Mitarbeiter, Mutter, Vater oder als Mensch an sich, ganz gleich ob es sich um berufliche oder private Themen handelt. Wächst der Druck, die Angst und die Unsicherheit, beginnt man sich in geistige Vorstellungen zu flüchten – kurz in einen Traum. Hier scheint es grenzenlose Möglichkeiten zu geben, hier ist die Lösung greifbar nah, eine Lösung ohne Hindernisse, mit der Garantie zum Erfolg. Doch wie oft bleibt es bei der bloßen Vorstellung, eben bei diesem Traum.
Die berühmte Rede „I have a dream“ von Dr. Martin Luther King ist in seiner Struktur und Besonderheit nach wie vor ein wertvoller Impuls, wenn es um Veränderung und einen Spurwechsel geht. Wie eindrucksvoll diese Rede noch heute ist, zeigt auch das gewählte Motto von Präsident Barack Obama: Yes we can!

I have a dream

Vor der Erkenntnis und Einsicht, dass sich etwas ändern müsste oder muss, sind einige Feststellungen vorausgegangen, was man in der Rede von Dr. Martin Luther King sehr chronologisch wiederfindet. Es kann deshalb sehr hilfreich sein, sich diese Rede etwas genauer anzuschauen und sie dann auf unsere heutigen Bedürfnisse zu adaptieren.

Dr. Martin Luther King beginnt damit, dass er das Recht eines jeden auf seine persönliche Freiheit einforderte, und machte deutlich, dass er heute Klarheit schaffen will.

>>In gewissem Sinne sind wir in die Hauptstadt unseres Landes gekommen, um einen Scheck einzulösen.<< Wie oft haben wir schon gehört und gelesen, dass wir das Recht haben unser Leben nach unseren Bedürfnissen zu gestalten. Solange wir aber davon überzeugt sind, dass wir unabhängig vielleicht schon im gewissen Grad autark sind, sehen wir keinen Veränderungsbedarf.

Was aber, wenn wir feststellen, wie abhängig und wie stark wir fremdbestimmt sind? Der Kleinunternehmer sieht sich der Wirtschaftskrise hilflos ausgeliefert, die Mitarbeiter stehen der Angst vor Kurzarbeit und Entlassung fast ohnmächtig gegenüber und andere haben permanent das Gefühl, dass ihre Leistung keine rechte Anerkennung findet. Alle fühlen sich irgendwie als Opfer, sind erstarrt und hoffen, dass niemand das Dilemma bemerkt, in dem sie stecken. Doch so wird sich nichts verändern. Es gibt nur einen Weg: Raus aus der Passivität und sich klar machen, dass man das Recht hat, sein Leben glücklich und zufrieden zu gestalten. Hin zur Aktivität, denn Veränderung, Spurwechsel, Freiheit, Gerechtigkeit kann nicht erwartet werden, man muss es einfordern, dafür sorgen, dass es einem widerfährt.

>>Jetzt ist die Zeit.<< Mit dieser Aussage, die er vier Mal wiederholte, machte er deutlich, dass nichts mehr aufgeschoben wird, sondern jetzt die Zeit der Veränderung ist, was er mit dem Satz >>1963 ist kein Ende, sondern ein Anfang<< verstärkte.

Jetzt ist die beste Zeit, etwas anders zu machen als gestern, wo permanente Unzufriedenheit als Motor der Wirtschaft herhalten musste. Wie sonst ließe sich der Drang nach immer höher, schneller und perfekter erklären, was letztendlich und logischerweise in eine Anleitung zur Unfreiheit münden musste.

>> Lasst uns nicht aus dem Kelch der Bitterkeit und des Hasses trinken<< Für ihn war die Vergangenheit kein Grund verbittert zu sein. Vielmehr fordert er seine Zuhörer auf, die Vergangenheit als solches zu akzeptieren, damit die Veränderung auf einer höheren Ebene mit Würde stattfinden kann.

Es macht keinen Sinn darüber zu lamentieren, wie was entstanden, ist oder darüber zu klagen, dass die Experten von früher, die gleichen sind, die heute wissen, warum dass nicht funktionierte, was sie selbst einmal predigten. Akzeptieren wir, dass es so war und in Zukunft immer so sein wird, dass es dies wohl auch schon zu Zeiten von Konfuzius gegeben haben muss. Wie sonst wäre die Berufsbeschreibung für Experten: „Es ist leicht klug für gestern zu sein“ schon vor 3000 Jahren entstand.

Nun machte er auch keinen Hehl daraus, dass er und seine Zuhörer mit der Situation nicht zufrieden sein können. >>Wir können nicht zufriedengestellt sein.<< Auch diese Aussage wiederholte er vier Mal, bevor er zu seiner fundamentalen Aussage  „I have a dream“ kam.

Wir können nicht zufriedengestellt sein und abwarten, bis uns wiederum andere sagen, was morgen zu tun ist. Wir können nicht zufriedengestellt sein, passiv danebenzustehen und darauf zu warten, wie es weitergeht. Warum auch, jeder von uns hat eine Vorstellung darüber, wie er sein Leben gestalten will. Vielleicht ist es noch nicht bewusst formuliert oder es bestehen noch gewisse Ängste und Blockaden vor seinen eigenen Vorstellungen. Möglicherweise hat man schon schlechte Erfahrungen mit diversen Vorhaben gemacht, Niederlagen einstecken müssen oder man fürchtet sich davor, was andere wohl darüber reden werden. Deshalb ist die „I have a dream-Technik“ so wertvoll, man kann es einfach mal wagen seine Vorstellungen aufzuschreiben. Vielleicht muss man ein paar Nächte darüber schlafen, seine eigenen Gedanken öfter mal nachlesen und verfeinern. Doch es kommt der Punkt, an dem man sich entscheidet – entweder man traut sich nicht oder man packt es an.

>>I have a dream<< Nicht weniger als sieben Mal sprach er diesen Satz aus und formulierte sehr bildhaft, was er sich genau vorstellte.

Man braucht oft viel Mut, die eigenen Vorstellungen, persönlichen Ziele und Träume laut kundzutun und deshalb ist es legitim danach zu fragen, wie man das umgehen kann. Viele große Persönlichkeiten haben es vorgemacht und ihre Gedanken, Ideen und Vorhaben zunächst niedergeschrieben. Wie einst Schliemann, der abends im Zelt, nur beleuchtet von einer Petroleumlampe seine Erkenntnisse und Erlebnisse festhielt. Oder David Livingstone, der mitten im Dschungel an einem Lagerfeuer seine Notizen machte, um nur zwei zu nennen. Dass Bemerkenswerte an diesen Menschen war, dass sie nicht nur ihre Forschungsergebnisse und Visionen niederschrieben, sondern sie haben auch ihre Denkweisen, Gefühle, Konflikte und Erfolge kommentiert. So können wir uns heute eine Vorstellung von diesen Forschern machen und ahnen, wie sie als Mensch gewesen sind. Und warum? Weil die Gründlichkeit der Aufzeichnungen selbst nach Jahrzehnten diese Schlussfolgerung zulässt. Eine faszinierende Vorstellung, weil dies sich jeder zunutze machen kann, nämlich sich seinem Vorhaben, Ziel und Traum zunächst schriftlich zu nähern. Dabei sollten keine Details ausgelassen werden, also was will ich und was will ich nicht, will sorgfältig unterschieden sein. Wenn auch Emotionen und Glücksgefühle in der Formulierung Platz haben, ist es rund.

Es sei der Versuch erlaubt, dies einmal in der Tradition von Martin Luther King auszudrücken: „Haben Sie einen Traum, dass Sie derjenige sind, der auch aus der schwierigsten Situation eigenständig eine Wende herbeiführen kann. Haben Sie den Traum, dass Sie in schwierigen Zeiten den Mut und das Herz aufbringen für Schwächere da zu sein. Haben Sie den Traum, in dem Sie beschreiben, wie es Ihnen gelingt unabhängig zu werden, finanzielle und geistige Freiheit zu genießen. Haben Sie den Traum, in dem Sie klar formulieren, wie Sie den Mut aufbringen, das umzusetzen, was Sie zum Glücklichsein benötigen“. Wie gesagt, es ist nur ein Versuch, doch es steckt ungeheure Kraft dahinter.

Nach der sehr emotionalen und bildhaften Beschreibung führte M.Luther King seine Rede mit der Feststellung fort, dass sein Glaube an die Erfüllung seines Traums ihn in jeder Hinsicht befähigt.

>>Mit diesem Glauben werde ich fähig sein, aus dem Berg der Verzweiflung einen Stein der Hoffnung zu hauen<<.

Einfach dran glauben? An was soll man denn glauben? Soll das alles sein? Natürlich denken wir bei dem Begriff Glauben sofort an Religion und sicher hat das Martin Luther auch für sich so gemeint. Doch es gibt noch eine weitere Sichtweise, die auch nichtreligiös betrachtet werden kann. Obwohl anzumerken ist, dass es vielen leicht fällt, an 25% Rendite zu glauben, sich aber dagegen schwer tun, an ihre eigenen Vorstellungen zu glauben. Aber lassen wir das mal außer Acht und betrachten den Begriff „Glauben“ einmal nicht religiös, womit die Aussage von M. Luther King eine alltagstaugliche Bedeutung bekommt.

Leitet man den Begriff Glaube (auch Glauben) vom indogermanischen ab, dann bedeutet dies – etwas begehren, lieb haben, für lieb erklären, gut heißen, loben.  Aus dem griechischen „pisteuein“ abgeleitet bedeutet es „vertrauen“ und gemeint war “ich verlasse mich auf, ich binde meine Existenz an“. Das lateinische Wort credere (vgl. Credo) ist direkt verwandt mit der altindischen Wurzel sraddha- „glauben“ und ist eine sehr alte (indogermanische) Verbalkomposition. Die Bestandteile bedeuten: „Herz“ und „setzen, stellen“, zusammen also etwa: „sein Herz auf etwas setzen“.

So wird der Glaube an seine Vorstellung (Traum) an die eigene Disziplin, Ausdauer und Kraft möglich, wenn man zutiefst überzeugt sein Vorhaben für gut heißen kann. Wenn man sich etwas zutraut und Vertrauen in seine Fähigkeiten aufbaut und mit Herz, Verstand und Vernunft an seine eigenen Ziele herangeht, dann erst kann es gelingen. Henry Ford, Bill Gates, Mahatma Gandhi, Mutter Teresa und nicht zuletzt Martin Luther King haben genau das getan und ernteten beachtlichen Erfolg.

Das Finale seiner Rede leitete er mit der Forderung >>So lasst die Freiheit erschallen<<  ein, die er ebenfalls sieben mal verwendete.

Ein weiterer Schritt ist es, sein Vorhaben kommunizieren zu können. Aristoteles bezeichnete die Rhetorik als die Kunst seine Ansichten plausibel zu vermitteln. Die Rede „I have a dream“ hat eine Kraft und Plausibilität, der sich keiner entziehen konnte und entziehen kann. Die eigene Lebensvorstellung ist das, was einem keiner verbieten kann, es kennt kein Arm und Reich, es kennt keinen Standesdünkel oder Elitedenken, es kennt nur die Freiheit der Gedanken und die Werte eines jeden, der seinen Traum erfüllen will.

Was wir aus dieser Rede lernen können

Es reicht nicht nur einen Traum zu haben, er muss auch sehr ausführlich formuliert und vor allem begründet sein. Begründen, warum das Recht auf die Erfüllung des Traums besteht. Begründen, wie es zu dem Veränderungswunsch kam. Begründet mit welchen Werten und Wesen. Begründen, wie der Traum verwirklicht werden soll. Begründen, warum der Traum auch umgesetzt werden kann. Begründen, warum der Traum der richtige ist.

“Und was bedeutet das für Ihre Träume”

Auch hier kann ein Zitat von Martin Luther King helfen: „Kein Problem wird gelöst, wenn wir träge darauf warten, dass Gott sich darum kümmert.“ Ersetzt man den Begriff „Gott“ durch Begriffe wie „Methode“, „Tool“ oder „Erfolgssystem“, wird dieses Zitat wieder sehr lebensnah. Das soll nicht heißen, dass wir keine Hilfen annehmen oder Impulse nicht für uns nutzen können, doch man sollte immer dafür sorgen, diese ganz auf seine individuellen Bedürfnisse bzw. auf seine Art und Weise abzustimmen.

Genau dazu eignet sich die Redestruktur von  „I have a dream“ und die Idee dazu  ist recht simpel. Wer möchte kann sich die ganze Rede einmal ausdrucken, neben sich hinlegen und sytematisch Abschnitt für Abschnitt durchlesen. Dann beginnt das Schreiben der ganz persönlichen „I have a dream“-Rede. Das muss nicht in  einem Rutsch geschehen. Man kann sich für jeden Abschnitt eine gewisse Zeit einräumen, z.B. 2, 3 oder auch 5 Tage, solange man braucht um seine Rede auszuarbeiten. Während dieser Phase ist es hilfreich, wenn jeder Gedanke, Impuls oder jede Idee, die einem im Laufe des Tages durch den Kopf geht, sofort festgehalten wird. So wird der Redeabschnitt immer genauer und realistischer in seiner Formulierung, was sich dann wie ein roter Faden durch die Rede zieht und es entsteht eine klare Beschreibung des eigenen Traums, dessen Begründung und Argumentation sich fließend einreiht. Dadurch beginnt man sein Vorhaben gründlich zu beschreiben und sich auf feste und individuelle Fundamente zu besinnen. Des Weiteren bestimmt man genau, was man will und was man nicht mehr will, indem man seine Wünsche kritisch hinterfragt und neue alternative Sichtweisen benennt, aber auch eine ehrliche Einschätzung seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten erhält sowie Potenziale entdeckt und Handlungsbedarf definiert. Das Ergebnis ist verblüffend, denn die Wirkungsfähigkeit an Vorstellungskraft, Kreativität, Innovation und vor allem an Mut zur Veränderung wird somit um ein Vielfaches vergrößert.

Man kann einen Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken (Galileo Galilei).

 

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