Agile Spiele – Die fünf Phasen

Agile Games machen Spaß und sind eine willkommene Auflockerung im Projekt oder im Training. Aber es geht um mehr. Agile Games sollen ein Wissen vermitteln, indem ein Lernziel erreicht wird. Doch damit Agile Spiele gelingen und einen echten Mehrwert bieten, macht es Sinn, diese gezielt vorzubereiten. Mit unserem Modell der fünf Phasen agiler Spiele kannst du deinen Spiele von Beginn an strukturieren und Schritt für Schritt erfolgreich durchführen.

»Welchen Mehrwert liefert das Spiel den Teilnehmern?«

Ein Spiel ist niemals Selbstzweck

Jedes agile Game benötigt Zeit und bringt einen gewissen Mehrwert mit sich. Das Verhältnis von Zeit zu Nutzen wird auch als ROTI (Return of Time Invested) bezeichnet. Beim ROTI geht es also nicht um den Mehrwert eines Spiels per se, sondern um die Frage »Wie viel Zeit wird benötigt, um diesen Mehrwert zu erreichen?«

ROTI = Mehrwert / Zeit

Deine Aufgabe als Facilitator ist es, dir zu überlegen, ob agile Games beziehungsweise genau das Spiel, das du im Kopf hast, das wirklich, wirklich Richtige sind, um den angestrebten Mehrwert zu erreichen. Dazu gehört immer auch ein Blick auf die Situation, die benötigte Zeit sowie den bestehenden Teilnehmerkreis. Gibt es vielleicht auch andere Methoden, Wege und Möglichkeiten, dein Lernziel noch besser zu erreichen?

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Du siehst: Wir spielen also nicht um des Spielens willen, sondern suchen die beste Möglichkeit, um Wissen zu vermitteln.

Ein großer Vorteil von Spielen ist es, in kurzer Zeit viel Wissen zu vermitteln, dieses nachhaltig zu verankern und zu begeistern. Das trifft vor allem dann zu, wenn es sich um implizites Wissen handelt, also Wissen, welches am besten erfahren und nicht gehört oder gelesen wird. Dadurch können wir deutlich einfacher, schneller und vor allem langfristiger auf generierte Erkenntnisse zugreifen – sogar unbewusst. Agile Spiele eignen sich somit vor allem für komplexe Themen und für Situationen, die man einfach mal selbst erfahren muss, um sie wirklich zu verstehen.

Agile Spiele - Fünf Phasen
Agile Spiele – Die fünf Phasen

#1 Agile Spiele – Die Vorbereitung

Was ist das Ziel meines Spiels?

Die Vorbereitung startet mit der Zielformulierung. Überlege dir, welches Ziel du mit dem agilen Game verfolgst und welchen Mehrwert du für die Teilnehmer erreichen möchtest. Hierbei hilft dir eine Teilnehmeranalyse (Seite 25). Es mag selbstverständlich klingen, aber je besser und je differenzierter dein Bild von allen Beteiligten ist, umso leichter lässt sich eine Verbindung von Lernziel, Situationskontext und möglichem Spiel herstellen.

Wer sind die Teilnehmer?

»Know your customer«. Je besser du zum Beispiel die Teilnehmer eines Trainings in der Vorbereitung kennst, desto weniger böse Überraschungen wirst du erleben. Außerdem kannst du mit einem guten Teilnehmerwissen deine Agenda und agilen Games passender auswählen und gestalten.

Welche Materialien du benötigst, findest du direkt in den Spielanleitungen.

Habe ich alle Materialien?

Tipp: Du musst nicht alle Materialien mitbringen. Verlasse dich aber auch nicht darauf, dass alles vor Ort ist. Vor allem, wenn du noch nie in dieser Location warst.

Immer wieder kommt es vor, dass du zwar ein Spiel hast, das auf dein Lernziel einzahlt, das ins Auge gefasste Spiel aber nicht eins zu eins mit deinen Teilnehmern umsetzbar ist. Oder anders ausgedrückt: Rahmenbedingungen des Spiels und Teilnehmer passen zwar, aber das Spiel passt nicht oder noch nicht so richtig. Was kannst du dann machen? In so einem Fall besteht die Möglichkeit, ein bestehendes Spiel zu adaptieren.

#2 Agile Spiele – Raumsetting

Ziel des Raumsettings ist es, dass sich deine Teilnehmer in dem Raum wohlfühlen und sich räumlich so entfalten können, wie es für das jeweilige Spiel notwendig ist. Deine Aufgabe als Facilitator ist es, genau für diese zwei Faktoren zu sorgen. Das optimale Raumsetting beginnt hierbei, noch bevor die Teilnehmer den Raum betreten. Überlege dir, wo du den Raummittelpunkt legen möchtest. Dies ist besonders bei größeren Räumen wichtig. Überlege dir, an welcher Stelle des Raumes die Teilnehmer die meiste Zeit verbringen werden und in welche Richtung sie schauen. Du kannst auch mehr als einen Raummittelpunkt haben. Beispielsweise kannst du einen Lernraum schaffen (zum Beispiel der Stuhlkreis), einen Kreativraum (eine Ecke mit Metaplanwänden und dem Post-it-Lager) sowie einen Spiel- und Übungsraum. Das ist der Teil des Raumes, in dem ihr die agilen Spiele spielt. Hier spielen noch weitere Faktoren wie Türen, Fenster, fest verbaute Möbel, die Sonne und so weiter eine Rolle.

Agile Spiele im digitalen Raum

Spätestens seit Beginn der Ausbreitung des Corona-Virus arbeiten wir vermehrt digital zusammen. Gerade im Kontext der rein remoten Zusammenarbeit sind Empathie, gemeinsame Problembewältigung und eine schnelle, direkte Kommunikation noch wichtiger als zuvor. Zusätzlich lockern agile Spiele das schnöde Vor-dem-Bildschirm-Sitzen auf und lassen auch die digitale Zusammenarbeit Spaß machen.

Was braucht es für erfolgreiche digitale Spiele? In erster Linie benötigst du natürlich ein Videokonferenztool. Zweitens brauchst du ein digitales Kooperationstool.

Als Facilitator eines Digital Agile Games solltest du stringenter und strukturierter moderieren als bei einem Spiel vor Ort. Du wirst digital deine Teilnehmer und deren Gruppendynamik nicht so gut einschätzen können wie bei einer Veranstaltung vor Ort. Folglich wirst du dich weniger auf deine intuitive Einschätzung verlassen können, weswegen dein Plan für das Spiel im Vorfeld eine Spur detaillierter sein sollte. Jedoch ist es deine Moderation, die den wirklichen Unterschied macht. Eine etwas engere Führung, um die Regeln und Timeboxes einzuhalten, jedoch ohne den spielerischen Freiraum zu nehmen, ist hierbei der Schlüssel zum Erfolg.

#3 Agile Spiele – Die Anmoderation

Die Anmoderation eines Spiels ist für dich wie das Rucksackpacken für eine lange Reise. Nur wenn du weißt, wo du hinwillst und wie das Wetter dort sein wird, kannst du die richtigen Dinge einpacken. Für deine Teilnehmer ist die Anmoderation wie der eigentliche Beginn der Reise. Von den vorherigen zwei Phasen haben sie schließlich nichts mitbekommen. Während der Anmoderation werden die Teilnehmer auf das Spiel eingestimmt und in eine Story eingebunden. Sie erfahren die Regeln, die Timebox sowie das Ziel des Spiels.

Tipp: Das Spielziel unterscheidet sich von dem Lernziel. Unter Spielziel verstehe ich das Ziel, welches die Teilnehmer verfolgen und worauf sie in diesem Spiel hinarbeiten (beispielsweise die Schnellsten zu sein oder die meisten Punkte zu bekommen). Das Lernziel hingegen umfasst die Erkenntnisse, welche die Teilnehmer am Ende des Spiels für sich mitnehmen sollen (beispielsweise ein Gefühl für iteratives Arbeiten).

#4 Agile Spiele Durchführen

Für einen Facilitator ist es bei der Durchführung eines agilen Games wichtig, den Kopf frei zu haben. Während das Spiel läuft, solltest du dir also nicht überlegen, wie du Runde zwei einleitest, das Ergebnis am Flipchart mitskizzierst oder wie viel Zeit die Teilnehmer noch haben. Diese grundlegenden Dinge hast du dir bereits vorher in deinem Kopf zurechtgelegt und optimalerweise übersichtlich notiert. Dein Hauptaugenmerk sollte auf der Stimmung, dem Spielgeschehen und den Gruppendynamiken liegen, um diese Elemente eines Spiels gezielt zu steuern.

Tipp: Mir persönlich hilft es, jedes Spiel gedanklich vorzuspielen. Ich lasse quasi einen Minifilm in meinem Kopf ablaufen, um zu überprüfen, ob ich wirklich an alles gedacht habe.

#5 Das Debriefing

Die Debriefingphase sollte etwa fünfzig Prozent der Zeit des gesamten Spiels ausmachen. Das hat seinen Grund: Achtzig Prozent des Mehrwertes eines Spiels entstehen beim Debriefing. Daher lautet die Empfehlung, dass der Debriefingphase in etwa genauso viel Zeit eingeräumt werden sollte wie der eigentlichen Spielzeit nach der Anmoderation.

Während des Debriefings wird die Spielerfahrung, also das implizit Erlernte, in eine explizite Erfahrung, die Lernerfahrung, übertragen. Stell es dir am besten wie eine sehr intensive Runde Monopoly vor. Während du vor dem Brett sitzt, bist du wie gefangen und jedes Gefängnis und jede Steuerabgabe lässt dich emotional aufwallen. Du verlierst den Überblick über das große Ganze. Lässt du hingegen das Spiel am nächsten Tag Revue passieren, fallen dir plötzlich lauter gute Ideen und Strategien ein, die du das nächste Mal anwenden kannst. Genauso verhält es sich mit dem Debriefing. Es ist die bewusste Zeit des Sich-Zurücknehmens und des bewussten Reflektierens, um zu lernen.

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