Die Hierarchie ist tot! Lang lebe die Hierarchie!

Vor kurzem las ich den Artikel »Disruption braucht Hierarchie«. Die Überschrift kündigt einen Nachweis dafür an, wie grundlegender Wandel an Weisungsbefugnis hängt. Achtung Spoiler. So lange der Text ist, so wenig Beweise finden sich darin. Anstelle gibt es eine Liste von Kritikpunkten am New-Work-Heilsgeschwafel. So sympathisch sich das liest, so hartnäckig treibt es mir die Galle hoch. Im ganzen Text ist das zentrale Argument für die Notwendigkeit von Hierarchie, dass disruptiver Wandel auch mit – oder soll ich sagen trotz – ihr gelingt. Das ist ein Beweisfehler. Der kommt ja bei den besten Dogmatikern regelmäßig vor. Also was regt mich daran so auf?

Das ganze ist ein Ablenkungsmanöver. Für alle, die es bisher verpasst haben: Unsere Zivilisation geht vor die Hunde. Und das hat Gründe. Forrest Gump fasste es so zusammen

Dumm ist der, der Dummes tut.

So gesehen sollte es doch einfach sein, aus der Misere raus zu kommen. Wir müssen nur aufhören, Dummes zu tun. Ich bin zutiefst davon überzeugt, wir können das! Also gehen wir mit uns ins Gericht. Was hindert uns daran? Sicherlich die Glaubenssätze, denen der Autor des Artikels, Herr Bull, auf den Leim gegangen ist. Damit ist er keineswegs allein. Ihr behindert die Rettung unserer Welt, wenn Ihr Dinge für erwiesen haltet wie:

  • Am Ende muss es einen geben, der entscheidet.
  • Das ist jenseits meiner Gehaltsklasse.
  • Für mich wäre es schon in Ordnung, wenn die Kollegen einfach ihren Job ordentlich machen würden.

In diesem Glauben schenkt ihr das her, was euch zu Menschen macht – die Verantwortung über das eigene Leben. Wenn Du in Deiner Komfortzone verweilen willst, dann hör hier auf zu lesen. Denn ab jetzt wird es bitter. Ignoranz stützt genau die Systematik, die unsere Anwesenheit auf diesem Planeten am stärksten gefährdet. Ein Schema, das uns zugrunde richten wird. Es ist unser Drang, Weisungshierarchie allüberall zu formalisieren. Das geht, mit Ansage, seit einigen Jahrzehnten nach hinten los. Und Autoren, die wie Fin-Rasmus Bull, bis zum heutigen Tag völlig nachweisbefreit dem Wohl der Hierarchie in der Arbeitswelt das Wort reden, vertiefen unser Leid. Denn, ob es Dir gefällt oder nicht. Unfassbar viele Menschen verbringen den größten Teil ihres Lebens damit, sich in formal hierarchisierten Arbeitszusammenhängen abzustumpfen. Dort schenkt ihr in kleinen Paketen Tag für Tag eure Menschlichkeit her. Das ist untot werden auf Raten. Denn selbst wenn die Lebensuhr irgendwann die Achtzig überschreitet, hat sie in Wahrheit schon lange vorher aufgehört zu ticken. Es geht deshalb um nichts Geringeres als: Wie gewinnst Du Dein Leben zurück?

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Die Hierarchie bist du!

Mit Recht kannst Du jetzt die Frage stellen: Hat der Borck schon mal in die Welt geschaut? Kennen wir in der Realität überhaupt einen hierarchiefreien Fleck? Die ganze Natur beruht ja wohl darauf. Wie sonst kommt ein Hai ans Ende der Nahrungskette. Und es stimmt. Es gibt fast keine Situation ohne Über- und Unterordnung. Bedeutet das dann nicht auch, dass Herr Bull irgendwie richtig liegt? Leider nein, denn diese wirklichen Hierarchien haben eine Gemeinsamkeit. Sie sind allesamt flüchtig. Ihre Beständigkeit wird immer wieder auf die Probe gestellt und eher früher als später bricht sie. Eine im Artikel ungenannte Grundannahme von Herrn Bull ist, eine formal festgelegte Führungskräftehierarchie brächte Vorteile. Denn ihr Handeln verteidigt er. Er jubelt ihnen einfach die Eigenschaften von verantwortlicher natürlicher Führung zu. Dabei wissen wir alle, es ist in vielen Fällen reiner Zufall, dass formal Weisungsbefugte auch gute Führungskraft entfalten. Und es ist so sicher wie das Amen in der Kirche, irgendwann verlieren die Besten genau diese Kraft. Hält sie dann die Form in ihrer Position, haben wir den Salat. Und was heißt das jetzt?

Augenhöhe was für ein Quatsch

Leider liegt Herr Bull bei einer Sache völlig richtig. Das New-Work-Geschwätz, nach dem alles gut wird, wenn wir die Menschen in Ruhe ihr Ding durchziehen dürfen, funktioniert genauso wenig. Da ist es ein Privileg, dass ich mit Firmen zusammen arbeiten kann, die das eine lassen ohne das andere zu machen. Ich nenne sie adaptive Organisationen. In ihnen entwickeln Typen Führungskraft und ja, sie stellen sich damit über ihre Kolleginnen und Kollegen. Die sind natürlich berechtigt, ihre Gefolgschaft jederzeit aufzukündigen. So wird ein Schuh draus. So gelingt Disruption. So entwickelt sich die Kraft von Gandhi. Ohne niedergeschrieben Form. Ohne festgelegte Macht. Ohne willkürliche Anweisung. Nämlich durch tatsächliche Orientierung aufgrund von scharfer Klarheit und Wirkung aufgrund von getragener Verantwortung.

Und so frage ich. „Wollen wir weiterhin mit der Verantwortung unsere Menschlichkeit an den Nagel inthronisierter Hierarchen hängen?“ Ich weiß: „Wir können so viel mehr!“

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