Die Schwarmblödheit

Schön aneinandergekuschelt läuft es sich zusammen viel besser ins Unglück. Das zeigt die Geschichte aber auch die Gegenwart immer wieder. Warum verkehrt sich die so vielgelobte “Schwarmintelligenz” so oft ins Gegenteil? Warum hat der Manipulator gerade bei Gruppen so leichtes Spiel?

Zum Manipulator gehört auch der Manipulierte. Aber wie kommt es, dass ich große Menschengruppen leichter manipulieren kann als einzelne Personen? Was sind überhaupt die wichtigsten Charakteristika des „Menschen in der Masse“? Ich zähle sie einfach einmal auf, und Sie prüfen an jedem einzelnen Punkt nach, (wenn Sie Lust haben), ob diese Charakteristika nach Gustave Le Bon (*?7. Mai 1841 in Nogent-le-Rotrou; †?15. Dezember 1931 in Paris), der als Begründer der Massenpsychologie gilt), in Bezug auf Ihr eigenes Leben als zum Beispiel Wähler oder Parteimitglied oder Ostermarschierer oder Gewerkschaftsmitglied oder Kirchentagbesucher etc. zutreffend dargestellt sind. (Sie haben übrigens richtig gelesen. Le Bon ist jetzt seit fast hundert Jahren unter der Erde. Noch immer aber lesen sich seine Kerngedanken erschreckend frisch und aktuell.)

  1. Eine Masse ist impulsiv, leicht irritierbar, suggestibel, leichtgläubig, leicht zu infizieren von übertriebenen und genialen Ideen, dabei anderen Gruppen gegenüber intolerant und diktatorisch.
  2. Massen transportieren meistens Ideen oder politische und kulturelle Ziele, die jedoch nur von Wenigen realisiert werden, oft sind es diejenigen, die in der Lage sind, daraus ökonomischen Nutzen zu ziehen.
  3. Das Individuum kann sehr viel leichter in der Masse in Höhen aufsteigen oder in Tiefen hinabsinken (meist letzteres).
  4. Moderne Massen sind vor allem durch einen schrankenlosen Egoismus charakterisiert, der Intoleranz mit sich bringt und eine fachlich intellektuelle Diskussion verhindert.
  5. Die Mitglieder einer Masse büßen die Kritikfähigkeit ein, die sie als Individuen haben. Ihre Persönlichkeit schwindet.
  6. Die Masse kann Persönliches nicht von Sachlichem unterscheiden.
  7. Sie erliegt leicht Suggestionen, deren Wirkung der Hypnose vergleichbar ist, und wird hysterisch; sie ist leicht lenkbar.
  8. Sie ist daher auch empfänglich für Legenden, die von meist heldischen Führern und Ereignissen handeln.
  9. Die Meinungsbildung in der Masse erfolgt durch geistige Ansteckung.
  10. Die Masse ist nur wenig intelligent.
  11. Sie denkt einseitig grob und undifferenziert im Guten wie im Bösen.
  12. Die Masse denkt nicht logisch, sondern in Bildern, die häufig durch einfache Sprachsymbolik hervorgerufen werden.
  13. Die Masse ist leicht erregbar, leichtgläubig und sprunghaft. Ihre Emotionalität ist schlicht.
  14. Die Masse ist im Allgemeinen sehr konservativ.
  15.  Die Masse kann nicht durch logische Argumente überzeugt werden, sondern nur emotional.
  16. Die Masse handelt mitunter uneigennützig, gegebenenfalls auch tugendhaft oder heroisch, dann oft im Überschwang.
  17. Die Masse ist unduldsam und herrschsüchtig.
  18. Sie kann sehr grausam werden, weit über das dem Einzelnen Mögliche hinaus, und ist bei geeigneter Führung bereit zu Revolutionen.
  19. Die Grundüberzeugungen der Masse verändern sich nur sehr langsam.
  20. Die moralischen Urteile einer Masse sind unabhängig von der Herkunft oder dem Intellekt ihrer Mitglieder.
  21. Die Masse urteilt durch vorschnelle Verallgemeinerung von Einzelfällen.
  22.  Ihre Überzeugungen nehmen schnell religiöse Züge an und beruhen oft auf Wunschvorstellungen.

Machen Sie sich mal den nächsten Spaß und wenden die obigen Punkte 1 bis 22 auf Geschehnisse der jüngsten Vergangenheit an. Neo-Nazis kommen nur als Randthema in Ihrem Leben vor? Man schüttelt den Kopf und geht weiter? Sind ja nur wenige tausend Wirrköpfe? Natürlich gehören Sie nicht zu dieser Gruppe. Aber sie existiert. Sind wohl nur dumpfe Wirrköpfe. Und wie steht es um unsere islamischen Mitbürger? Thilo Sarrazin hat wochenlang mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ die Massen manipuliert. Er hat Gruppen gebildet, die entweder für oder gegen seine Thesen waren. Stammtische hatten wieder ein Thema und es wurde kräftig polarisiert und geholzt. Dem freundlichen pakistanischen Taxifahrer haben wir dann aber ein Extra-Trinkgeld gegeben. Und in meinem Haus hat die türkische Familie aus dem zweiten Stock auch noch keinen Hammel über offenem Feuer gebraten. Trotzdem: Ich war nach der oberflächlichen Lektüre von Sarrazins Buch richtiggehend „sensibilisiert“. Wir hatten alle ein Gesprächsthema. Auf dieser Grundlage hat man dann seine eigene informelle Gruppe gebildet. Entweder dafür – oder dagegen. Egal. Aber man fühlt sich eben in der Gruppe geschützt, aufgehoben und geborgen.

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