Am Kopf gescheitert

Nein, es geht nicht um den miss lungenen Selbst-Haarschnitt in Pandemiezeiten. Es geht vielmehr um das,was in unserem Kopf passiert. Und unser Einfluss darauf ist größer als wir denken, illustriert Markus Czerner.

Mit fünfzehn Jahren spielte ich mein erstes Herren-Tennisturnier. Ich hatte Pech mit der Auslosung und musste in der ersten Runde gegen die Nummer eins der Setzliste ran. Viele Spieler wären frustriert gegenüber dem drohenden Erstrunden-Aus gewesen, ich sah das hingegen etwas anders. Ich durfte auf dem Center-Court spielen, vor wesentlich mehr Zuschauern als auf den, zum Teil abgelegenen, anderen Plätzen. Ich konnte zeigen, was ich draufhabe. Der Gedanke, bei meinem ersten Herrenturnier gleich die Nummer eins der Setzliste rauszuschmeißen, hat mich unendlich beflügelt. Ich konnte es kaum erwarten, auf den Platz zu gehen. Mein Selbstvertrauen ist damals schon stellenweise mit mir durchgegangen. Ich habe mir von Anfang an gedacht, dass ich frei aufspielen kann. Ich hatte keinen Druck und niemand erwartete etwas von mir. Wer rechnete schon damit, dass ich die Nummer eins des Turniers raushaue?

Ich machte eines der besten Matches meiner bisherigen Karriere. Es war so ein Tag, an dem mir alles gelang. Ich gewann den ersten Satz mit 6:4. Im zweiten Satz habe ich meinem Gegner zum 5:4 den Aufschlag abgenommen. Ich musste nur noch »durchservieren«, wie wir in Tenniskreisen so schön sagen. Vier Punkte trennten mich noch vom Sieg. Vier Punkte, die ich bei eigenem Aufschlag selbst bestimmen konnte – und wie gut hatte ich bisher serviert. Null Doppelfehler, sechs Asse und zahlreiche Service-Winner. Es bestand kein Zweifel daran, dass ich das Match gewinne.

Ich verlor den ersten Punkt und machte drei in Folge. 40:15, zwei Matchbälle. Ich steckte mir einen Ball in die Hosentasche, nahm den zweiten in die Hand und ging zur Grundlinie, um mich auf meinen ersten Matchball vorzubereiten. Auf dem Weg zur Linie hatte ich auf einmal, urplötzlich, einen Gedanken im Kopf: »Ich gewinne gegen die Nummer eins des Turniers. Bei meinem ersten Herrenturnier. Wie geil ist das denn?!« Genauso schnell wie dieser Gedanke kam auch die Angst. Meine Knie fingen an zu zittern, meine Handflächen wurden feucht und mein rechter Arm wurde immer schwerer und schwerer. Ich war unfähig, überhaupt noch einen Ball ins Feld zu spielen. Ich gab den ersten Matchball mit einem Doppelfehler ab, obwohl ich im ganzen Match zuvor nicht einen Doppelfehler produziert hatte. Aber gut, einen Matchball hatte ich noch. Da kam auch schon der nächste nervige Gedanke: »Jetzt bloß nicht noch einen Doppelfehler servieren. Und was ist eigentlich, wenn ich noch verliere?«

Ich machte Doppelfehler Nummer zwei und somit war auch Matchball Nummer zwei weg. Den zweiten Satz verlor ich, trotz meiner 5:4-Führung, noch mit 5:7 und den dritten Satz mit 0:6. Es ging nichts mehr. Ich war ein Schatten meiner selbst und bin auf dem Platz mental völlig zusammengebrochen. So schlimm das damals auch für mich war, mir sind das erste Mal zwei Dinge klar geworden. Erstens: Ich bin anscheinend an meinem Kopf gescheitert. Zweitens: Meine Gedanken haben Einfluss auf meine Leistung.

Die Macht unserer Gedanken

Neben den Menschen, die ein ganzes Leben lang Angst davor haben, zu scheitern und Fehler zu machen, gibt es dann auch noch die Menschen, die sich ihr ganzes Leben immer nur auf den Misserfolg vorbereiten, und zwar in ihrem Kopf – genauer gesagt, in ihren Gedanken. Das sind diejenigen, die schon gescheitert sind, bevor sie überhaupt mit irgendetwas angefangen haben, womit sie überhaupt scheitern können. Ganz einfach, weil sie ihren Kopf auf Misserfolg programmiert haben.

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Unsere Gedanken haben Macht, was oft belächelt wird. Als ob wir tatsächlich mit unseren Gedanken unser Handeln beeinflussen können – obwohl das seit Jahrzehnten einschlägig wissenschaftlich belegt ist. Laufen Sie beim nächsten Spaziergang im Wald einmal über einen schmalen Schwebebalken in ungefähr zwei Metern Höhe und lassen Sie Ihren Gedanken freien Lauf. Wie Sie einen falschen Schritt machen, das Gleichgewicht verlieren, vom Balken stürzen, in die Tiefe fallen – vielleicht stellen Sie sich ja auch noch vor, wie Sie mit einem gebrochenen Bein am Boden liegen und nicht mehr aufstehen können.

Sollten Sie diese oder ähnliche Gedanken haben: Laufen Sie bitte nicht über den Balken, denn Sie haben bereits entschieden, runterzufallen. Durch solche Gedanken kommt die Angst. Sie werden nervös, Ihre Handflächen werden feucht und Ihre Knie fangen an zu zittern. Jeder Schritt, den Sie von jetzt an gehen, ist ein absolutes Risiko.

Nehmen wir die gleiche Situation, allerdings laufen Sie nicht über einen Schwebebalken in zwei Metern Höhe, sondern über einen Balken, der fest am Boden liegt. Sie würden, ohne nachzudenken, einfach über den Balken laufen – was soll Ihnen auch groß passieren? Selbst wenn Sie das Gleichgewicht verlieren, gleicht der Sturz einem kleinen Ausfallschritt. Ihnen wird nichts passieren, weil Ihnen nichts passieren kann. Ohne Angst und voller Zuversicht überqueren Sie den Balken.

Worin liegt der Unterschied zwischen der Situation mit dem Schwebebalken und der Situation mit dem Balken am Boden – ist es wirklich nur die Höhe? Nein, ist es nicht. Die Höhe spielt eigentlich gar keine Rolle, zumindest nicht in der Realität, aber umso mehr in Ihren Gedanken. Den Balken in zwei Metern Höhe zu überqueren ist genauso leicht, wie über den am Boden liegenden Balken zu laufen. Was es so schwer macht, sind unsere Gedanken.

Diese Situation können Sie als Metapher für alle anderen Bereiche des Lebens nehmen. Sobald etwas schiefgehen könnte und wir unangenehme Konsequenzen zu erwarten haben, steht uns unser Kopf im Weg. Es macht keinen Unterschied, ob wir den Balken in zwei Metern Höhe überqueren, wir ein wichtiges Bewerbungsgespräch vor der Brust haben oder wir den alles entscheidenden Termin bei einem Investor haben – in allen genannten Situationen können wir verlieren, und zwar so richtig.

Wir Menschen kommen zwar aus Gefühlen heraus erst ins Handeln, aber für unsere Gefühle sind unsere Gedanken verantwortlich. Das Spiel ist ganz einfach: Positive Gedanken sorgen für positive Gefühle und negative Gedanken für negative Gefühle. Werden Sie manchmal morgens wach und sind niedergeschlagen? Fehlt Ihnen der Antrieb? Verspüren Sie Ängste, während Sie noch warten, bis der Wecker das dritte Mal klingelt? Oder werden Sie morgens wach und strotzen vor Motivation, sodass Sie es gar nicht erwarten können, in den Tag zu starten?

Was auch immer auf Sie zutrifft, Sie hatten vorher einen Gedanken, der genau dieses Gefühl verursacht, und mit diesem Gefühl werden Sie handeln. Wer nachhaltig etwas in seinem Leben ändern möchte, der muss seine Gedanken ändern. Wir verpulvern so viel Zeit und mitunter auch Geld, um unser Handeln zu optimieren: Eine Weiterbildung hier, ein Seminar dort, begleitet von der Hoffnung, dadurch etwas in unserem Leben verändern zu können. Leider bringen uns ausgezeichnete Kompetenzen auf der Handlungsebene nichts, wenn wir wenig bis gar keine Kompetenzen auf der Mentalebene haben. Unser Handeln ist nur ein Symptom, die Ursache sind unsere Gedanken. Ändern Sie Ihre Gedanken und Ihr Handeln wird sich automatisch nachhaltig ändern – und somit auch Ihr Leben.

Auf einen Blick

Jeder Gedanke hat Macht. Wir Menschen kommen zwar aus Gefühlen heraus erst ins Handeln, aber für unsere Gefühle sind unsere Gedanken verantwortlich. Aus einem Gedanken entsteht ein Gefühl und mit diesem Gefühl handeln wir. Viele Menschen beschäftigen sich gedanklich immer nur mit dem Scheitern und wundern sich dann, dass sie tatsächlich scheitern. Dabei ist es das logische Resultat. Sie kennen es alle: Du bist, was du denkst.

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