Das große Blablabla

Meetings sind wichtig im Büroalltag.  Und noch wichtiger kommen sich die Darsteller darin vor Die Veranstaltung wechselt den Namen je nach Anlass und Rang der Teilnehmer: Teambesprechung, Weekley, Jour-Fix. Und damit es nicht langweilig wird, heißt die Agenda mal TOPS, mal Liste und mal Backlog. Der Ablauf ist dann immer der gleiche: diskutieren, entscheiden, verteilen, erklären, diskutieren, entscheiden … Da fragt man sich ratlos: Haben die nichts Besseres zu tun?

Neulich rief ich einen Freund an, um ihm zum Geburtstag zu gratulieren. Nach meinen Glückwünschen zum erreichten Lebensalter, redeten wir, wie das so ist, auch über die Arbeit. Er hatte gerade einen Sitzungsmarathon hinter sich. Bis zu meinem Telefonanruf wechselte er von einem Videocall in den nächsten. Allesamt Meetings mit vier oder mehr Teilnehmenden. Zusammenfassend erklärte er mir: „Mir steht es bis hier. Laber, laber, laber und dann auf den Folgetermin vertrösten. Und das Tag ein Tag aus.

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Dabei bleibt die Arbeit liegen. Kann das wahr sein?“ Ich musste lachen und antwortete: „So schlimm wird es doch kaum sein?“ Woraufhin er resignierte: „Noch schlimmer, all meinen Kollegen geht es genauso. Und doch hängen wir im Hamsterrad fest.“ Da mir nichts Passendes einfiel, entstand eine mehrsekündige Sprechpause. Dann sagte er: „Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber kannst Du mir zum Geburtstag Hoffnung schenken?“ Da musste ich erst recht lachen. Als ich mich beruhigt hatte, fiel mir etwas ein. So kam meine Antwort: „Ob ich das kann? Keine Ahnung. Aber vielleicht kann es ein Mitarbeiter meiner Kunden. Doch vorsicht, der rechnet gerne.“ Und so kam es, dass ich meinem Freund an seinem Ehrentag vorzählte, wie man aus dem Meeting-Mäuserad herauskommt.

Jetzt wird’s übel

Gehst Du gerne in Besprechungen? Laufen die bei Euch in der Firma produktiv ab? Hast Du so wenige, dass es egal ist? Dann kannst Du Dir diesen Lichtblick einfach sparen. Wenn nicht, aufgepasst! Jetzt kommt harter Tobak. Denn zuerst einmal packe ich scheinbar Arbeit oben drauf. Unsere Kunden steigen ja bekanntlich aus vielen betriebswirtschaftlichen Traditionen aus. Eine davon sind Regelmeetings, wie etwa Jourfixes, Mitarbeitergespräche und ähnliches. Doch was machen sie dann? Wir zeigen ihnen, wie Arbeitstreffen so gestaltet werden, dass dort direkt die Arbeit passiert. Allerdings «nur» die Abstimmungen, zu denen mehrere Menschen benötigt werden. Der Rest darf und soll in Einzelarbeit geschehen. 

Hast Du aufmerksam mitgelesen? Ja genau, Besprechungen werden bei uns gestaltet. Das ist aufwändig. Denn wir überlegen sehr gründlich, wie es den Teilnehmenden leicht fällt, effektiv weiter zu kommen, ohne, dass wir Qualität und Effizienz in der Arbeit verlieren. So kommt es wiederholt vor, dass in ein Treffen von sechzig Minuten drei, fünf, acht oder noch mehr Stunden Vorbereitung fließen. Vielleicht geht es Dir jetzt wie meinem Freund. Tief seufzend sagte er zu mir: „Ja, ich kann mir sogar vorstellen, dass das was bringt. Doch wenn ich die Zeit da rein stecke, dann sieht mich meine Familie nur noch im Urlaub.“ Und er hat recht. Zumindest, solange sie in seiner Organisation am System der Regelmeetings festhalten. Bis vor einigen Monaten hätte ich dennoch versucht, ihn von unserer Praxis zu überzeugen. Ich hätte mich angestrengt, ihn zum guten Arbeiten zu missionieren

Der mühsame Pfad des Missionars

Da fahre ich dann Argumente auf wie:

  • So schaffen wir den Systemwechsel von der Kommunikation hin zur Beteiligung.
  • Eine Agenda lässt Dich Deinen Kalender einhalten. Doch inhaltliche Zusammenarbeit erzeugt Ergebnisse, an die sich die Teilnehmenden stärker gebunden fühlen. So holt ihr in der Umsetzung die Zeit wahrscheinlich wieder rein.
  • In einer so gestalteten Besprechung gibt es viel weniger Raum für politische Spielchen und dergleichen.

Davon hab ich noch einige mehr. Die kannst Du nun glauben oder es lassen. Ich bin mir eh unsicher, ob ich überhaupt die aufzähle, die Dir unter den Nägeln brennen. Jeder Punkt bietet darüber hinaus gute Ansätze, um langwierig zu diskutieren. Darin kommen wir auf die Beispiele, die das eine oder das andere beweisen sollen. Schlussendlich haben wir wieder ein langatmig ergebnisloses Meeting produziert, das Dich davon überzeugen wollte, wie Du mit aufwändig vorbereiteten Besprechungen genau aus der Nummer raus kommst. Das geschah mir in der Vergangenheit mit schöner Regelmäßigkeit. Dann traf ich den matheaffinen Mitarbeiter. Er begleitete bereits seit einigen Monaten das, was wir bei den Kunden Katalyseprozesse nennen. Ihr Ziel ist, Probleme, die immer wieder auftauchen, systematisch aufzulösen. So, dass sie wirklich weg sind. Dazu veranstalten wir dann die anspruchsvoll vorbereiteten Meetings. Denn dort lohnt es sich. Er rechnete mir schlussendlich vor, warum das generell ein Gewinn ist.

Die Meeting-Milch-Mädchen-Mathematik

Um die Rechnung zu verstehen, braucht es die Grundannahmen. Also hier in alller Kürze: In seiner Firma gab es unterschiedliche Regelmeetings. Die hießen Teambesprechung, Weekly, Jour-Fix usw. In diesen Treffen kamen stets verschiedene und dennoch in Teilen sich überschneidende Menschengruppen zusammen. In den meisten Fällen gab es eine Agenda, auf der alle offenen Themen standen. Manchmal hieß das TOPs oder Liste, ein anderes Mal Backlog. Das Muster war stets dasselbe. Es wurde über die Punkte diskutiert, dann wurden (pseudo) Entscheidungen getroffen und Aufgaben zugeordnet. In der Folgewoche, dem Folgemonat traf man sich erneut und erklärte, warum das mit den Aufgaben nur teilweise funktioniert hat. Anschließend wieder diskutieren, entscheiden, verteilen, erklären, diskutieren, entscheiden …

So, beschrieb er mir, gelingt es in Zeiträumen von mehren Monaten bis Jahren, Themen abzuarbeiten. Wobei er außen vorlässt, inwiefern tatsächlich eine Umsetzung stattfindet bzw. sich die Aufgaben einfach durch aussitzen auflösen. Jetzt kommt die Mathematik. Beispielhaft nahm er eine wöchentliche Sitzung, die für eine Stunde anberaumt ist und bei der zwölf Leute teilnehmen. Das sind dann bei einem Lösungszeitraum von acht Monaten grob 4x12x8 = 384 Mitarbeiterstunden. Natürlich, sagt er, werden in der Zeit mehrere Themen angesprochen, doch ob wirklich jedes Thema alle Anwesenden betrifft, ist noch mal ein ganz anderes Fass. Für ihn ging das in der Unschärfe unter, dass auch diese Treffen von irgendjemandem irgendwie vorbereitet werden. Allerdings mit deutlich weniger Aufwand als bei uns.

Dazu vergleicht er einen Katalyseprozess. Hier geht viel mehr Zeit in die Gestaltung. Jedes Meeting schlägt bei zwei Menschen mit durchschnittlich sechs Stunden Vorbereitung zu Buche. Dafür gibt es weniger Treffen. Nämlich nur drei oder vier mit der Gruppe. Und es kommen nur die, die tatsächlich von diesem Thema betroffen sind, also eine Lösung benötigen. Dennoch nehmen wir einmal an, es sind wieder zwölf Leute. Meistens reichen die sechzig Minuten aber nicht, die Besprechungen dauern dann gerne zwei Stunden, damit auch was geschafft wird. Daraus ergibt sich Vorbereitung (4x2x6 = 48h) + Durchführung (4x14x2 = 112h) = 160 Mitarbeiterstunden. Und, das Beste, die Arbeit ist tatsächlich getan. 

Diese Erkenntnis setzt sich im Alltag fort. In Adaptiven Organisation gewinnen die Menschen Zeit für Gelassenheit, ohne dass Arbeit liegen bleibt. Denn folgenlose Sitzungen, in denen man eine Themenliste durchgeht, gehören schlicht der Vergangenheit an. Das tritt allerdings nur dann ein, wenn die Firma konsequent auf Beteiligung wechselt. In hybriden Versuchen kann es sogar zu einer Mehrbelastung kommen. 

Und so frage ich: „Wollen wir uns wirklich in Sitzungsmarathons weiterhin das (Arbeits)Leben vergrämen?“ Ich weiß: „Wir haben Besseres zu tun!“

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