Das agendalose Meeting besticht durch eine interessante Mischung aus großem Freiraum und wenigen, dafür aber klaren Regeln. Ohne großen Aufwand gelingt so ein Treffen, welches alleine von den Teilnehmern geprägt ist.
Ein solches Format ist auch das Lean Coffee. Ins Leben gerufen wurde es 2009 in Seattle von Jim Benson und Jeremy Lightsmith. Die Ursprungsabsicht der beiden war es, sich in einer Gruppe von Interessierten über ein bestimmtes Thema aus dem Bereich Lean-Management auszutauschen. Dabei wollten sie keine Veranstaltung kreieren, die durch großen Organisationsaufwand gekennzeichnet ist. Ihre Absicht war es vielmehr, ein Treffen zu schaffen, welches alleine von den Menschen geprägt ist, die kommen und ebenfalls lernen und sich austauschen möchten.
Bei Lean Coffee ™ (ein Warenzeichen von Modus Cooperandi) handelt es sich um ein agendaloses Treffen, bei dem die Teilnehmer ihre Agenda demokratisch und aktuell selbst aufstellen.
Das Vorgehen folgt einer einfachen Struktur: Im ersten Schritt wird eine Struktur geschaffen, die an das eben kennengelernte Task Board erinnert. Es gibt auch hier drei Kategorien: to discuss / discussing / discussed
Als Arbeitsmaterial dienen Haftnotizzettel und Stifte. Die Teilnehmer notieren nun die Themen, über die sie gerne sprechen möchten.
Im zweiten Schritt stellt jeder Teilnehmer seine Themen in je maximal zwei Sätzen vor.
Danach wird im dritten Schritt über die zu diskutierenden Punkte abgestimmt. Aus den Informationen, die über Lean Coffee zu finden sind, geht hervor, dass jeder Teilnehmer zwei Stimmen bekommt. Ich selbst empfehle, nach den Regeln der Mehrpunktabfrage abstimmen zu lassen (Kapitel 5.4, Seite 144 ff. ) Jeder Teilnehmer bekommt die halbe Anzahl an Antworten als Punkte.
In der Reihenfolge des Votings werden die Themen nun zur Diskussion freigegeben. Der jeweils zugehörige Haftnotizzettel wird auf »discussing« gesetzt.
Die Zeit für die Diskussion ist limitiert. Nach der vorgegebenen Zeit (beispielsweise fünf oder sieben Minuten) wird in die Runde gefragt, ob eine Verlängerung gewünscht ist. Die Teilnehmer entscheiden durch Daumen hoch oder Daumen runter. Ist die Verlängerung für die meisten interessant, gibt es noch ein kurzes zusätzliches Zeitfenster. Danach ist Schluss. Ist das Thema abgeschlossen, wird der Haftnotizzettel in die Kategorie »discussed« eingeordnet.
Lean Coffees gibt es weltweit. Auch ist jeder eingeladen, selbst aktiv zu werden und ein Lean Coffee zu starten. Vielleicht haben Sie ja selbst Lust, sich zu einem bestimmten Thema mit anderen Interessierten auf diese Weise auszutauschen. Oder Sie möchten einfach einmal bei einem Lean Coffee dabei sein. Schauen Sie einfach ins Netz. Mit dem Suchbegriff: »Lean Coffee Deutschland« stoßen Sie einerseits auf Artikel zum Format. Darüber hinaus werden sich aber gewiss auch aktuelle Ankündigungen für solche Treffen finden.
Für die Moderation bietet dieser Ansatz darüber hinaus interessante Impulse, die sich auch sehr gut in Meetings übernehmen lassen. Allerdings gilt es, hierbei auf drei Punkte zu achten:
- Ziel
- Teilnehmerinteresse
- Thema
- Ziel
Beim Lean Coffee steht der freie Informations- und Erfahrungsaustausch zu einem Thema im Vordergrund! Es geht weder um die Herbeiführung einer Entscheidung zu einem Thema noch darum, am Ende des Tages mit gemeinsamen Lösungen und konkreten Maßnahmenplänen nach Hause zu gehen. Wenn das Ziel Ihrer Moderation also der Austausch ist, kann eine Lean-Coffee-Sequenz hierbei möglicherweise den Turbo zünden. Doch hierfür sind noch weitere Voraussetzungen nötig:
Teilnehmerinteresse
Aus dem großen persönlichen Interesse an diesen Themen resultiert die Energie eines jeden Einzelnen, die letzten Endes diesen hochwertigen Austausch in Blitzgeschwindigkeit ermöglicht. Deswegen werden durch das Voting auch die Themen aussortiert, die nur auf geringes Interesse stoßen. Wenn Sie die Freiheit haben, Ihre Teilnehmer über die zu diskutierenden Themen entscheiden zu lassen, sind die Voraussetzungen für eine funktionierende Turbo-Runde fast erfüllt.
Thema
Die Macht der Stoppuhr funktioniert dann, wenn es um Fach- und Sachthemen geht. Schwierig wird es bei Themenstellungen, die sich um persönliche Befindlichkeiten und Werte handeln. Doch wenn Sie die Zielfrage ernst nehmen, dann schließen sich diese persönlichen Themen von selbst aus. Denn bei Fragen, die meine persönlichen Werte und Befindlichkeiten betreffen, geht es sicherlich selten nur um den reinen Austausch ohne Lösungsabsicht.
Schauen Sie also neugierig, wann und wo Sie von den Erkenntnissen der Lean-Coffee-Methode profitieren können.
So wie in diesem Vertriebsteam: Im Rahmen des monatlichen Regelmeetings steht am Ende immer eine Lean-Coffee-Sequenz zu einem aktuellen Produkt auf der Agenda. Es ist an dieser Stelle anzumerken, dass sich die Palette der sehr anspruchsvollen Produkte kontinuierlich erweitert und so ein ständiger Bedarf an Erfahrungsaustausch besteht. Die Teammitglieder schreiben also auf ihre Haftnotizen die Themen, die ihnen rund um dieses Produkt aktuell unter den Nägeln brennen. Das können sowohl technische Eigenschaften als auch Verkaufsargumente oder Kundeneinwände sein. Durch diesen Power-
Austausch wird das individuelle Produkt-Know-how eines jeden Teammitglieds innerhalb kürzester Zeit enorm erweitert. Denn durch die konsequente Zeiteinhaltung werden auch die Vertriebsmitarbeiter, die nicht nur gerne, sondern auch viel reden, dazu angehalten, auf den Punkt zu kommen.
Michaela Stach ist seit 1995 Unternehmerin. Nach zahlreichen fundierten Ausbildungen im Bereich Coaching, Change Management, Moderation und Großgruppenmoderation spezialisierte sie sich auf die systemische Moderation und gründete 2011 die Akademie für Systemische Moderation. Hier finden 5-modulige Zertifikatsausbildungen und offene Aufbauseminare statt. Michaela Stach führt darüber hinaus selbst Moderationen und Großgruppenmoderationen durch und vermittelt ihr umfangreiches Know-how in Inhouseseminaren.