Wie Sie dem Angsthasen Beine machen

Angst ist eine Emotion, die unser Verhalten, unser Lebensgefühl und unsere Gelassenheit hemmt. Schützte sie einst unsere Vorfahren vor zu riskantem sozialen und körperlichen Verhalten, steht sie uns heute gerade im sozialen Bereich häufig im Weg. Aber auch Ängste rund um den Bereich unserer finanziellen Sicherheit werden heute häufig über Gebühr aktiviert. Und ganz oben steht bei (fast) allen Menschen die Angst vor dem Tod.

Mit Ängsten zu arbeiten ist allerdings gar nicht so einfach. Denn, wie du dich erinnerst, sind Ängste auf der Ebene von Ich-2. Sie unterliegen nicht unserem bewussten Willen. Darüber hinaus sind Ängste auch nicht wirklich schmeichelhaft für unser Ego Ich-1. Deswegen treiben sie häufig ihr Unwesen im Unbewussten, sabotieren von dort unser Verhalten und unsere Verhaltenswünsche. Um Ängste jeder Couleur abzubauen, müssen wir sie erkennen und uns ihnen stellen. Dazu stelle ich dir im Folgenden ein paar einfache und wirkungsvolle Techniken vor.

Den Angsthasen aus dem Hut holen

Der Angsthase wohnt im Ich-2. Er kann dort im Unbewussten herrlich sein Unwesen treiben, weil ihn dort zunächst niemand sieht. Heimlich rührt er dort ängstliche mentale und manchmal auch körperliche Zustände an. Häufig sind sie nicht stark genug, dass wir sie bewusst auf der Ebene Ich-1 wahrnehmen würden.

Bei jedem von uns hat der Angsthase Sorgen und Befürchtungen. Typische Beispiele für Ängste und Sorgen der meisten Menschen sind:

  • Was ist, wenn mein Partner mich verlässt?
  • Was ist, wenn ich keinen Job mehr habe?
  • Was ist, wenn ich richtig krank werde?

Darüber hinaus hat jeder noch so seine eigenen Themen …

Um Ängste abzubauen, gibt es eine ganz einfache Technik. Wir stellen uns der Angst, indem wir sie uns bewusst machen. Wir packen den Angsthasen an seinen Ohren und ziehen ihn aus der Tiefe hoch auf unsere bewusste Ich-1-Ebene.

Technik Angst abbauen: Sobald wir eine Sorge oder Angst spüren, stellen wir uns in die Tiefe die Frage ›Was soll schon passieren?‹. Dann wird uns der Angsthase antworten und uns manchmal unbequeme Szenarien ausmalen. Wir nehmen dann dieses neue Szenario und wiederholen unsere Frage ›Was soll schon passieren?‹. Das machen wir so lange, bis es kein Anschlussszenario mehr gibt. Du musst dir klarmachen, dass die finalen Szenarien nicht immer positiv aussehen. Denn am Ende von allem steht immer Gevatter Tod. Deswegen geht es hier auch nicht darum, ein besonders gutes Gefühl aufzubauen. Sondern es geht darum, das subtile Treiben des Angsthasen offensichtlich zu machen und durch das mentale Durchspielen alternative Lösungen zu finden, aber sich auch in gewisser Weise mit manchen Dingen schlicht abzufinden.

Wie die Technik funktioniert, möchte ich dir anhand von zwei Beispielen exemplarisch beschreiben.

Ich bin als freiberuflicher Speaker und Trainer auf Buchungen durch meine Kunden angewiesen. So hat mein Terminkalender in der Regel ein halbes Jahr Vorlauf. Danach kommt gähnende Leere. Diese gähnende Leere ist für meinen inneren Angsthasen das wirtschaftliche Nichts. Ab hier würde nach dessen Berechnung die Pleite drohen und so macht die Leere ihm Angst. Dadurch könnte mich jedes Mal, wenn ich in den Terminkalender blicke, aus der Tiefe Angst erfassen. Diese Angst würde mich für den Moment hemmen und darüber hinaus schlicht und ergreifend meine Lebensqualität reduzieren.

Wenn ich die Technik anwende, sieht das bei mir folgendermaßen aus. Ich frage mich zunächst in der Tiefe, wovor ich eigentlich Angst habe. Dann kommt in diesem Beispiel die Antwort ›Keine Kunden mehr zu haben‹. Dann stelle ich mir die Frage ›Was soll dann schon passieren?‹. Es folgt die Antwort ›Dann hast du kein Geld mehr!‹. Ich wiederhole meine Frage ›Was soll dann schon passieren?‹. Antwort: ›Dann musst du deine gesamten Reserven verbrauchen.‹ Ich: ›Was soll dann passieren?‹ Antwort: ›Danach hast du nichts mehr. Du musst deine Wohnung aufgeben, eine Sozialwohnung beantragen und Hartz IV beziehen.‹ Und ich frage erneut: ›Was soll dann schon passieren?‹ Nach einer kleinen Pause kam es dann aus der Tiefe: ›Dann lässt du dir was Neues einfallen. Entweder gibst du mehr Vorlesungen oder schreibst neue Bücher oder, oder, oder!‹

Deswegen begeistert mich der Gedanke an einen leeren Terminkalender noch immer nicht, aber ich habe meinem Angsthasen vorgeführt, dass ein leerer Terminkalender nicht unser Ende wäre. Damit gibt er in Zukunft natürlich bei dieser Frage nicht sofort Ruhe, aber ich erkenne immer schneller, wenn sie aufkommt, und kann den Angsthasen mit Lösungen etwas beruhigen. Je häufiger ich dann mit ihm dieses Thema immer wieder und wieder durchgehe, desto ruhiger wird er. Dass das so ist, liegt an der Konstruktion von Ich-2, wo der Angsthase wohnt. Dieser Bereich besteht aus verknüpften Nervenzellen und die Verknüpfung entsteht immer erst durch regelmäßiges Wiederholen. Deswegen denke daran, dass du, wenn dir die Technik gefällt, regelmäßig mit ihr arbeiten solltest.

Gerade habe ich dir ein Beispiel mit akzeptablem Ende gezeigt. Es gibt natürlich auch Szenarien, die mit unserem Ende enden. Dazu möchte ich dir auch ein kurzes Beispiel aus einem meiner Seminare beschreiben. Dort sagte einmal ein Teilnehmer, nachdem er die Technik angewendet hatte, er käme nicht weiter. Er hatte die Technik angewendet, weil er nicht mehr so gerne in einem bestimmten Waldstück spazieren geht. Dort traf er einst eine Wildschweinfamilie mit Kindern. Er blieb stehen, die Wildschweine blieben stehen und man schaute sich in die Augen. Er machte ›Buh‹ und die Wildschweine ergriffen die Flucht. Als er diese Geschichte dann später anderen erzählte, erfuhr er, dass dies lebensgefährlich gewesen war. Wildschweinfamilien mit Kindern können durchaus in den Angriff übergehen und das mit fatalen Folgen.

Wenn er sich nun die Frage ›Was soll schon passieren?‹ vor dem Hintergrund eines möglichen Angriffs stellte, wären die Antworten nicht so schön. Trotzdem sind wir das Szenario dann durchgegangen. Die Antwort hier wäre also, dass im besten Fall nur Kleider kaputtgehen und im schlechtesten aller Fälle zentrale Blutgefäße verletzt werden, unglücklicherweise auch das Handy nicht funktioniert und er im Wald verblutet.

Aber auch dieses Szenario war es wert, durchgespielt zu werden. Warum? Weil er sich so seine Angst bewusst machen konnte. Es war jetzt nicht mehr nur das Gefühl, dass er nicht mehr in diesen Wald gehen möchte. Vielmehr weiß er jetzt, dass er – zugegeben natürlich nur mit einer sehr, sehr geringen Wahrscheinlichkeit – theoretisch durch eine Wildschweinfamilie getötet werden kann. Da aber diese Wahrscheinlichkeit wohl geringer ist als die, vom Blitz getroffen zu werden, gerade wenn man sich bei einer Begegnung ruhig verhält, kann er nun entgegen seinem Gefühl die Entscheidung treffen, diesen Wald wieder zu betreten. Da dort natürlich mit höchst anzunehmender Wahrscheinlichkeit nichts passiert, kann er so den Angsthasen auch praktisch eines Besseren belehren und wieder deaktivieren.

Übung: Jetzt bist du dran! Schnapp dir doch einmal eine von deinen Ängsten oder Sorgen und spiele sie mit der Technik bis zum Schluss durch. Wenn dir die Technik ›Was soll denn schon passieren?‹ gefällt, nimm dir in Zukunft regelmäßig einen Augenblick Zeit und wiederhole dieses Durchspielen mit deinen Standard-Ängsten. Entwickele so mit der Zeit für die großen Felder des Lebens auch einen Plan B.

Gevatter Tod als Helfer im Alltag

In letzter Konsequenz verfolgt unser Angstprogramm nur einen Zweck: uns am Leben zu halten. Allerdings wird für alle Menschen der Tag kommen, an dem das Programm auf seine letzte Probe gestellt wird und definitiv verliert. Bis dahin wird es aber alles tun, um den Besuch von Gevatter Tod möglichst lange hinauszuschieben. Dabei wird es in vielen Situationen einen möglichen Tod vor Augen haben und aktiv werden.

Stelle dir bitte jetzt einmal vor, dein Ich-2 hätte keine Angst vor dem Tod. Weil sämtliche Angstreaktionen letztlich den Tod verhindern sollen, würde dies im Umkehrschluss eine interessante Folge haben. Wenn die Angst vor dem Tod nicht da ist, muss auch in den Situationen des Alltags keine Angst mehr bestehen. Je mehr du dich also mit der Todesangst beschäftigst, umso furchtloser wirst du mit Alltagsproblemen umgehen können. Die Philosophen sämtlicher Jahrhunderte wussten um diesen Effekt. So rieten sie den Menschen stets, sich in gesunden Zeiten täglich ein Mal für einen Moment mit dem Tod zu beschäftigen.

Die Schwierigkeit, sich mit Todesängsten zu beschäftigen, liegt darin, dass sich unser Gehirn rein technisch gesehen einfach nicht vorstellen kann, dass es uns nicht mehr gibt. Das Angstprogramm aktiviert sich nämlich immer dann, wenn es nicht weiß, wie es in bedrohlichen Situation weitergeht. Sämtliche Religionen versuchen deswegen auch immer zu beschreiben, wie es mit uns nach dem körperlichen Tod weitergeht. Tief religiöse Menschen haben deswegen auch meistens weniger Angst vor dem Tod. Das liegt aus psychologischer Sicht vor allem daran, dass Religionen das Leben nach dem Tod weitergehen lassen. Der Tod ist kein finales Ende, sondern nur ein Übergang. In der antiken griechischen Mythologie wanderten die Menschen zum Beispiel in die Unterwelt, den Hades. Buddhisten erwartet die Wiedergeburt bis zur Erleuchtung. Die Seelen der Christen und Muslime wandern in den Himmel oder in die Hölle, bis sie am Tag des jüngsten Gerichts wieder in einem leiblichen Körper auferstehen können. Solltest du einen tiefen religiösen Glauben haben, dann bist du auf die Begegnung mit dem Tod gut gerüstet. Wenn nicht, möchte ich dir nachfolgenden Tipp geben.

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