Seit Monaten haben die Begriffe Werte und Wertevermittlung Hochkonjunktur. Nicht nur in den Führungsetagen, auch auf dem Weiterbildungsmarkt gibt es kaum noch ein Angebot ohne diese gewaltigen Worte. Werte und Wertevermittlung erscheinen uns als das Gebot der Stunde. Wird sich aber nicht überwiegend darauf beschränkt mehr Werteorientierung anzumahnen, deren Wichtigkeit zu unterstreichen, um dann dazu aufzufordern sie zu formulieren und einzuhalten? Aus diesem Grund muss man sich fragen: Was steckt hinter diesen Begriffen? Notwendigkeit oder nur ein Etikett, Voraussetzung oder ein schmucker Rahmen, Fundament des Handelns oder Beruhigungspille? Die Praxis ist manchmal ein strenger Kritiker, denn alleine der Zusatz von Begriffen befähigt nicht automatisch auch zur Wertevermittlung.
Das „WIE“ ist entscheidend
Betrachtet man z. B. die Gallup-Studie, so haben die Befragten (meist Mitarbeiter) seit langem das Gefühl, dass es immer ungerechter zugeht und Leistung sich nicht wirklich lohnt, was sich letztlich in Unzufriedenheit und Misstrauen niederschlägt. Die Folge ist, dass Leistungsbereitschaft und freiwilliges Engagement auf der Strecke bleiben.
Unternehmen und Führungskräfte sind sich dessen bewusst und versuchen deshalb mit Wertestatements und Wertevermittlung gegenzusteuern. Sie haben sich der Verantwortung und Aufgabe gestellt, weil sie wissen, dass es gerade in schwierigen Zeiten gilt, Werte wie Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Gerechtigkeit herzustellen, um Leistungsbereitschaft und Loyalität zu fördern.
Doch nur darüber reden oder mal eben Wertedefinitionen herauszugeben schafft noch keinen Wandel und so ist die Kernfrage nach dem WIE entscheidend geworden. Gefragt sind nicht Theoretiker, die mit salbungsvollen Worten Dinge beschreiben, die keiner versteht, sondern Praktiker, denen es gelingt die Theorie so aufzubereiten, dass jeder Mitarbeiter im Unternehmen von der Wichtigkeit überzeugt ist und am Gestalten der Wertedefinition teilhaben kann. Gleichzeitig sollte man sich mit den Irrtümern der Wertevermittlung vertraut machen, um dem anschließenden Findungsprozess gleich den richtigen Rahmen zu geben.
Irrtümer der Wertevermittlung
Wir brauchen neue Werte
Wir benötigen keine neuen Werte. Wir haben bewährte Werte und Bewährtes soll man bewahren. Was wir aber benötigen sind zeitgemäße und alltagstaugliche Zugänge zu eben diesen alten bewährten Werten, wollen wir unsere Mitarbeiter, Kunden und Partner ehrlich und nachhaltig erreichen und sie dazu motivieren nach ihren eigenen Wertevorstellungen leben und damit agieren zu können.
Werte sind immer sofort klar und fix
Jeder Mensch hat seine eigenen Wertevorstellungen, es geht hier nicht um den Wert an sich, sondern über die Vorstellung darüber. Oft wird darüber hinweggesehen und leicht wird man dadurch – teils unbewusst – dogmatisch und intolerant. Deshalb ist es wichtig zu wissen, dass es möglich ist, dass ein und derselbe Wert ganz unterschiedlich wahrgenommen und in seiner Auswirkung vorgestellt werden kann – denken wir nur mal an den Wert der Gerechtigkeit – wie unterschiedlich der gesehen werden kann!
Werte sind nicht wettbewerbsfähig
In jüngster Zeit hat Werteorientierung an Bedeutung gewonnen und ist bei immer mehr Unternehmen auf der Prioritätenskala weit nach vorne gerückt. Sicherlich haben Werte schon immer eine Rolle gespielt. Warum aber gewinnen sie heutzutage wieder mehr an Bedeutung?
Kunden und Mitarbeiter oder die Gesellschaft identifizieren sich stärker mit Unternehmen, die dieselben Wertevorstellungen haben. Das liegt vor allem daran, dass sich der Einzelne durch die Ereignisse des letzten Jahrzehnts verstärkt mit dem Thema auseinandergesetzt hat, den Umgang dadurch bewusster erlebt und sensibler geworden ist. Wer heutzutage also erfolgreich sein will hat eine klare Wertephilosophie, an der sich nicht nur das Unternehmen mit seinen Mitarbeitern orientieren kann, sondern auch Kunden und Partner.
Das Formulieren von Werten ist Chefsache
Wertevermittlung heißt nicht: „Ich sage euch, welche Werte in unserem Unternehmen gelten sollen“. Diese Form von Vermittlung kann nicht funktionieren, weil sie meist als Anordnung und weniger als Chance für alle begriffen und erlebt wird.
Soll eine Werteformulierung von allen Beteiligten getragen und gelebt werden, dann muss man sich für eine andere Form der Vermittlung, nämlich dem dialogischen Vermitteln entscheiden. Hier heißt die Aufgabenstellung: „Was sind unsere Werte (Unternehmen und Führung) und wie versteht ihr eure Werte (Mitarbeiter und ggf. auch Kunden).“ Zwischen den Vorstellungen beider Gruppen gilt es nun zu vermitteln, um eine für alle einvernehmliche Formulierung zu finden.
Einfach in sechs Phasen
Das Sechs-Phasen-Modell soll das Unternehmen bei der Wertevermittlung unterstützen.
Ziel ist, aus den verschiedenen individuellen Wertevorstellungen ein akzeptiertes Verständnis von Werten und eine praxistaugliche Wertedefinition zu entwickeln und umzusetzen, um eine solche Orientierung zu schaffen. Somit können Entscheidungs- und Ablaufprozesse sowie die Eigenverantwortlichkeit nachhaltiger gestaltet werden.
1. Phase: Absichtserklärung
Nicht selten geschieht es, das Mitarbeiter ein mulmiges Gefühl bekommen, sobald ein Unternehmen bzw. dessen Führung über „Werte“ sprechen. So kann es als eine von vielen Aktionen gesehen und nicht ernst genommen werden. Damit Mitarbeiter sich auf das Unternehmen „Werte“ einlassen können, muss kommuniziert werden, welche Absicht hinter dem Bemühen steht. Dazu gehört es auch Vorteile und Nutzen für alle Beteiligten hervorzuheben und Handlungssicherheit zu schaffen.
2. Phase: Aufklärung
In dieser Phase wird wichtiges Basiswissen vermittelt: Was sind Werte, was Normen und Regeln, Wertevorstellungen, Moral etc. Ebenso sollten dadurch mögliche Skepsis, Angst und Misstrauen genommen werden. Das ist sinnvoll, denn ein gleichberechtigter Dialog kann nur stattfinden, wenn alle über die gleichen Wissensmöglichkeiten verfügen. Ein Vortrag von
90 Minuten ist ausreichend. Professionelle Unterstützung kann eine gute Ergänzung sein, wobei aber darauf zu achten ist, dass die Theorie verständlich, motivativ und spannend vermittelt wird. Dabei gilt der Leitsatz: Begeistern – Befähigen – Bewegen. Wer eine Theorie nicht alltagstauglich, einfach und an lebendigen Beispielen erklären kann, hat sie entweder selbst nicht verstanden oder will nicht verstanden werden
3.Phase: Austausch
Bevor nun der eigentliche Dialog beginnt, sollten natürliche Grundsätze wie das Recht auf eigene Vorstellung für einen Wert geregelt sein. Die Alltagstauglichkeit von Werten sollte in den Vordergrund gestellt und deshalb nicht bestimmt werden..
Vorgehensweise: Je nach Gruppengröße darf jeder Teilnehmer 3-5 Werte aufschreiben, die dann gesammelt und sortiert werden. Schwerpunkte werden erarbeitet, z.B. Mehrfachnennungen oder Ähnlichkeiten. Dazu sollten alle Beteiligten 5 Tage Zeit haben, was per Karteneinwurf oder Pinwandeintrag geschehen kann, z.B. im Aufenthaltsraum.
4. Phase: Das moderierte Gespräch
Über jeden einzelnen Wert wird gesprochen und versucht, eine für alle Beteiligten akzeptable Regelformulierung zu finden. Bei größeren Unternehmen kann das Abteilungsweise geschehen.
Tipps für die Fragen und roter Faden für Moderation – nach dem Schleiermacher Modell (modifiziert)
- Güterlehre
Was will ich in meinem Unternehmen vorfinden?
Was soll unser höchstes Gut sein?
Was ist Ziel unseres Handelns? - Tugendlehre
Welche Grundhaltung wollen wir einnehmen? - Pflichtenlehre
Was sollen unsere Pflichten sein?
Welche Pflichten soll ich als Einzelner übernehmen?
5. Phase: Die Vereinbarung
Eine gemeinsame Vereinbarung wird getroffen und verabschiedet, die sich im Alltag bewähren. Sie werden zur Orientierung bei Entscheidungen und verleihen den Mitarbeitern dadurch auch Handlungssicherheit!
6. Phase: Die praktische Umsetzung im Alltag
Dazu sollte auch immer ein Angebot bestehen, sich über gemachte Erfahrungen im Alltag auszutauschen. Mit dieser offenen und aktiven Vorgehensweise, werden Werte zu einem Motor im Unternehmen. Nachhaltigkeit, Loyalität, Engagement, Leistungsbereitschaft und Eigenverantwortung werden somit gefördert und gehören von nun an zum Unternehmensbild.
Das Komplizierte an der Wertevermittlung ist, dass sie so einfach ist
„Dann fahre ich die nächsten 40 Jahre auf demselben Gleis!“ Eine Erkenntnis, die Oliver Groß den Karriere-Kick brachte. Mit nur 22 Jahren wurde er Mitglied der Geschäftsleitung, übernahm Verantwortung für 350 Mitarbeiter und studierte nebenbei Kommunikationspsychologie und Philosophie. In dieser Zeit begann er auch, mit Notizbüchern zu experimentieren und stellte fest, dass diese unscheinbaren Helfer Großes bewirken: Sie helfen Lösungen und Auswege zu finden und eröffnen sogar ganz neue Perspektiven – die Geburtsstunde der NOTIZBUCH-STRATEGIE.