Jetzt soll ich den Kunden auch noch persönlich anrufen? Aber er hat doch schon ein Angebot von uns vorliegen! Viele Verkäufer schreiben Angebot um Angebot, versäumen es jedoch, telefonisch nachzufassen. Für den Kunden ist das ebenso bequem wie für den Verkäufer. Ob sich so allerdings Aufträge generieren lassen, ist äußerst fragwürdig. Warum aber vermeiden es Verkäufer, konsequent nachzufassen?
Es gibt Kunden, die fragen immer wieder an. Und obwohl immer wieder Angebote abgegeben werden, kommt es erstaunlicherweise nie zu einem Auftrag. „Dann war der Wettbewerber eben günstiger!“, „Da können wir sowieso nicht mithalten!“, „Der fragt doch nur an, weil er mehrere Preise einholen muss, kauft dann aber doch wieder bei seinem Stammlieferanten!“ So oder ähnlich klingen die Aussagen von Verkäufern in solchen Fällen. Alles Mutmaßungen, aber der Glaube versetzt ja bekanntlich Berge … nur nicht die im Kopf eines Verkäufers.
Warum sich Nachfassen mehrfach lohnt
Häufig versenden Unternehmen Angebote, legen die Hände in den Schoß und warten auf Resonanz. Kommt eine, ist es o. k., kommt keine, auch Recht! Dann legen wir das Angebot eben ab. Warum ist das so? Gerade in großen Unternehmen werden Angebote nicht unbedingt von den Verkäufern, sondern von anderen Abteilungen erstellt und versandt. Bei mangelnder Kommunikation wissen die Mitarbeiter im Außendienst oft generell nicht, was im Innendienst passiert, geschweige denn, wann ein bestimmtes Angebot das Unternehmen verlässt. Sie können so auch nicht kundengerecht agieren. In kleineren Unternehmen, in denen alles in einer Hand, der des Verkäufers nämlich, ist, lehnt sich dieser ebenfalls gerne mit dem guten Gefühl zurück, seine Aufgabe als Verkäufer mit einem Angebot doch voll und ganz erfüllt zu haben. Außerdem will man den Kunden auch nicht nerven oder bedrängen … ja warum eigentlich nicht? Verkäufer profitieren sogar mehrfach: Durch ein regelmäßiges Nachfassen erhöht sich z. B. auch die Qualität der Anfragen. Rufen Verkäufer ihre Kunden bereits bei einer Anfrage an und fassen auch nach dem Angebot noch einmal nach, sehen Kunden, dass sie es hier nicht so einfach haben. Die logische Folge: Pseudoanfragen nur zur Bestätigung des festen Lieferanten, bleiben aus. Stattdessen fragen Kunden nur noch an, wenn es einen konkreten und ernst gemeinten Anlass gibt.
Oft suchen Verkäufer ebenso vermeintlich wie manchmal verzweifelt nach guten Gründen, um sich wieder einmal bei ihren Kunden zu melden. Diese Suche hat spätestens hier ein Ende: Welchen besseren Grund könnte es wohl geben, als eine Anfrage, die man gerne konkretisieren würde, oder ein abgegebenes Angebot, von dem man wissen möchte, inwieweit es den Vorstellungen des Kunden entspricht.
Angst frisst Seelen auf…
Die Hemmschwelle bei Verkäufern ist in vielen Bereichen eher gering. Nicht so allerdings beim telefonischen Nachfassen. Ruft man lockere Bestandskunden hier und da noch gerne einfach mal so an, haben viele Verkäufer geradezu eine panische Angst davor, bei neueren Kontakten ein Angebot nachzufassen. Die Angst vor spezifischen Fragen ist ebenso groß wie die vor einem „Nein“. Das Argument, dass man das doch bitte schön nicht persönlich nehmen darf, ist zwar in den Köpfen, nicht jedoch im Bauch der Verkäufer angekommen. Verkäufer haben oftmals Angst, manchmal im Gespräch, viel öfter aber schon vorher. Sie stellen sich vor, dass der Kunde:
- „Nein“ sagt
- im Moment keine Zeit hat
- diese Art von Gesprächen nicht führen möchte
- irgendetwas fragt, was sie nicht beantworten können
- irgendetwas fordert, was sie nicht liefern oder erst zu einem späteren Zeitpunkt anbieten können
- technische Zusammenhänge wissen will, die sie nicht erklären können
- oder es einfach persönliche Barrieren gibt.
Diese Angst entsteht meistens aus der Erfahrung heraus: Dies oder jenes lief irgendwann in einem Verkaufsgespräch schon einmal falsch. Vielleicht könnte das ja wieder passieren. Vielleicht aber auch nicht. Viele Verkäufer gehen – zumindest unbewusst – eher geduckt in ein Nachfass-Telefonat und erhalten prompt die Bestätigung: „Das macht keinen Sinn!“, „Das klappt nie!“, „Ich hab es ja gleich gewusst!“
Erkennen ist das Zauberwort der Stunde. Viele Verkäufer gehen mit dem ersten Schritt schon den richtigen Weg. Sie erkennen, dass etwas falsch gelaufen ist und auch wieder falsch laufen kann. Nun aber kommt der Knackpunkt: Anstatt genauer zu analysieren, was passiert ist und etwas zu unternehmen, damit das nicht mehr passiert, stehen Verkäufer wie Hasen vor der Schlange. Wenn Sie sich vorher bewusst werden, was passieren kann, dann nutzen Sie die Chance, genau an diesem Thema zu arbeiten. Lassen Sie die Angst zu! Sie ist ein natürliches Regelinstrument, damit Sie nicht erst beim Kunden in eine verhängnisvolle Situation geraten. Wenn Sie Angst haben, weil Sie z. B. nicht wissen, was passieren wird, dann stellen Sie sich jede mögliche Situation vor und trainieren Sie, damit umzugehen. Stellen Sie sich die Frage: „Was kann im schlimmsten Fall passieren?“
Abschieben gilt nicht
Ganz schlau sind Verkäufer scheinbar, die das Nachfassen auf andere abschieben. Da wird schnell mal ein Praktikant dazu abberufen, Kunden durchzutelefonieren, die aktuelle Angebote erhalten haben. Oder der Innendienstmitarbeiter muss herhalten, man hat ja schließlich noch „so viele“ wichtige Termine bei Kunden … und wenn es brenzlig wird, ist man natürlich zur Stelle … Eine solche Verlagerung des Verkaufsprozesses ist weder effektiv noch effizient, sondern nur ein Zeichen, dass der Angsthase wieder einmal gesiegt hat. Wollen Sie sich als Verkaufsprofi wirklich um eine Nasenlänge schlagen lassen?
Sascha Bartnitzki ist Experte für Akquise und Piranha Selling®. Seine langjährige Erfahrung als Verkäufer gibt er seit 1995 als Verkaufstrainer und Vortragsredner weiter. Der mehrfache Buch-, Hörbuch- und DVD-Autor publiziert regelmäßig in der Fach- und Wirtschaftspresse und gilt als der Top-Akquise-Experte.