Unternehmenskultur – Schluss mit der Ausrede!

Je mehr Erfahrungen Unternehmen mit der agilen Transformation machen, desto mehr wird die Bedeutung der Unternehmenskultur deutlich. Sie ist die Hemmnis Nummer eins. Sie kann aber auch die größte Chance sein. Ein genauerer Blick auf agile Organisationen zeigt, dass es die Unternehmenskultur ist, die die gemeinsame Basis für Agilität bildet.

Die Organisationsentwicklung hat uns schon immer gelehrt, dass Veränderungen nachhaltig erreicht werden, wenn sie bei den Menschen beginnen. Bei agilen Transformationen ist das nicht anders. Im Gegenteil – wie auch aus dem Manifest für agile Softwareentwicklung hervorgeht. Und je mehr wir lernen, desto klarer wird, dass organisatorische Agilität eine Frage der Art und Weise ist, wie Menschen denken und handeln; eine Frage der Organisationskultur. So ist es nicht verwunderlich, dass agile Organisationen eine ähnliche Kultur aufweisen, aber nicht unbedingt Gemeinsamkeiten in Bezug auf Struktur und Governance haben (siehe z.B. Kimes, 2009; Aronowitz, De Smet & McGinty, 2015). Welche Merkmale braucht die Kultur um einen Beitrag für Organisationsagilität zu leisten?

Was ist Organisationsagilität?

Organisationale Agilität ist nicht „Scrum at scale“. Es geht überhaupt nicht um einzelne agile Methoden. Sie hat auch wenig mit Tischfußball und Couchecken zu tun, auch nicht mit Hunden im Büro.

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Bei organisatorischer Agilität geht es eigentlich nur um eines: Anpassungsfähigkeit. Der Markt verändert sich, die Technik bietet neue Möglichkeiten, das Alte effizienter, schneller, kundenspezifischer zu produzieren und das Neue zu entwickeln, die Anforderungen an die Organisation oder andere Umstände ändern sich. Die Organisation reagiert darauf, indem sie sich anpasst. Ihre Strategie, Produkte, Prozesse und Strukturen. Betrachtet man Konzepte der Business Agility (nach der Agile Alliance) oder das Konzept der Digital Business Agility (Global Center for digital Business Transformation; Loucks, Macaulay, Noronha & Wade, 2016), so muss man die Definition von organisatorischer Agilität um einen weiteren Aspekt ergänzen: die Fähigkeit, interne und externe Veränderungen frühzeitig zu erkennen und daraus neue Möglichkeiten abzuleiten, um neuen oder größeren Wert für Kunden zu schaffen.

Letztlich geht es darum, wie Menschen arbeiten, wie sich Einzelne, Teams und die Organisation als Ganzes verhalten. Planen wir auf Sicht und gehen Entwicklungen schrittweise an, um sie zu erforschen und auf dem Weg zu lernen? Beobachten wir, was draußen vor sich geht? Sind wir bereit, die Richtung zu ändern, um mit den Trends Schritt zu halten? Können wir schnell reagieren und umsetzen?

Unternehmenskultur als Chance, nicht als Ausrede

Wie wir arbeiten, wie wir uns verhalten, das ist die Unternehmenskultur. Wenn eine Organisation agiler werden will, dann ist sie das größte Hindernis oder der stärkste Hebel. 

„Die Bedeutung von Investitionen in Kultur und Wandel auf dem Weg zur Agilität kann nicht genug betont werden. (Brosseau, 2019).

Warum also gehen wir das Thema Unternehmenskultur icht an?

Das liegt oft daran, dass Kultur als schwammiges, weiches Wohlfühlkonzept verstanden – oder gar nicht verstanden – wird. Es liegt auch daran, dass wir zwar eine vage Vorstellung davon haben, wie eine agile Kultur aussieht, irgendwie hipp und start-up-mäßig, aber erstens ist sie oft so weit von unserer eigenen Realität entfernt und zweitens bietet uns dieses Bild keine konkreten Ansatzpunkte.

Oft reagieren Menschen in der Organisation auf das Thema Kultur mit einem resignierten Achselzucken „Das ist bei uns so, das kann man nicht ändern“.

Organisationskultur wird eher als Ausrede denn als Chance gesehen. Kultur als starre Masse, als ein historisch gewachsenes, heute versteinertes Skelett. Eine Kultur ist irgendwann einmal entstanden – in ihren Grundzügen – und hat sich kontinuierlich weiterentwickelt, geschliffen, vertieft und spezifiziert. Eine träge Masse, aber eine lebendige. Kultur hat mit Menschen zu tun, mit dem System, mit Umständen und Strukturen, aber sie ist mehr als die Summe ihrer Teile. Kultur ist lebendig und was lebendig ist, entwickelt sich: kann sich verändern. Kultur ist ein Ergebnis von kollektivem Lernen.

Die Pandemiekrise als Chance, Kultur anzugehen

Heute, angesichts einer globalen Pandemie, die uns in eine Krise stürzt, lernen wir sehr schnell, uns an neue Wege anzupassen. Wir lernen auch viel über uns selbst und über die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten. Wir lernen viel über unsere Kultur, wir lernen, wo ihre Stärken liegen und was uns daran hindert oder bremst, das bestmögliche Unternehmen zu werden, um die heutigen Herausforderungen zu bewältigen. Wir lernen neue Dinge. Lernen heißt sich entwickeln.

Wir reflektieren und bauen auf diesen Erkenntnissen auf und lassen sie in unsere Kultur einfließen. Diesen Faden sollten wir jetzt gut festhalten und ganz bewusst die Art und Weise, mit der wir (zusammen-)arbeiten neu gestalten.

Die große Aufgabe ist es in Organisationen eine Umgebung zu schaffen, die uns ein selbstbestimmtes Vorgehen ermöglicht. Wie eine solche Umgebung aussehen muss – das haben wir in der Krise gelernt. Ein Rahmenmodell liefert hierzu auch das T E C Modell aus dem Buch „Der Code agiler Organisationen“.

Quellen:

Aronowitz, S., De Smet, A. & McGinty, D. (2015). Getting organizational redesign right. McKinsey Quarterly. Juni 2015.

Brosseau, D., Ebrahim, S., Handscomb, C. & Thaker, S. (2019). Accessed Februar 2019. The journey to an agile organization. McKinsey & company. Mai 2019.

Jurisic, N., Lurie, M. Risch, P. & Salo, O. (2020). Doing vs being: Practical lessons on building an agile culture. McKinsey.com. August 4, 2020.

Kimes, M. What admired firms don`t have in common. Fortune. Veröffentlicht: 6. März 2009. archive.fortune.com

Loucks, J., Macaulay, J., Noronha, A & Wade, M. (2016). Digital
Vortex. How Today‘s Market Leaders Can Beat Disruptive Competitors at Their Own Game. DBT Center Press, Plano/Texas.

Manifesto for Agile Software Development. agilemanifesto.org

Puckett, S. (2020). The agile culture code – A guide to organizational agility. BusinessVillage.

Quelle:

Puckett, S. (2020). Der Code agiler Organisationen – Das Playbook für den Wandel zur agilen Organisationskultur. BusinessVillage Verlag.

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