Unklarheit der Jobkiller #1

Prioritäten setzen, strukturiert arbeiten und den Überblick behalten – für viele eine immer größere Herausforderung. Unsere Tage sind aufgewirbelt, es ist wie eine Sucht, immer mehr zu tun, ständig Informationen aufzunehmen und im Vollbetrieb zu laufen. Wer es schafft, einfach nachzudenken und zur Ruhe zu kommen, wird zur Ausnahmeerscheinung. Diese Tendenz führt unweigerlich zu Überlastung und Fokusverlust.

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Hier die Geschichte von Raffael: Als Marketingprofi soll er im neuen Job ein 12-köpfiges Team führen. Im Einstellungsgespräch hat sich sein Vorgesetzter begeistert von Raffaels Vorschlägen gezeigt. In den ersten Wochen muss Raffael sich einarbeiten und ist zu beschäftigt, um nach konkreten Zielen zu fragen. Doch eigentlich weiß er nicht, was von ihm erwartet wird. Als Raffael schließlich nach klar definierten Zielen fragt, bemerkt er, dass sein Vorgesetzter ungeduldig reagiert. Statt mit Raffael Ziele zu vereinbaren, überträgt der Vorgesetzte ihm nun konkrete, unangenehme Aufgaben. Er soll Stellenbeschreibungen adaptieren und zur Last gewordene Mitarbeiter kündigen. Raffael hat das Gefühl, sein Vorgesetzter gibt ihm diese Anweisungen, um sich nicht mit klaren Zielen beschäftigen zu müssen. Offenbar kennt er selbst das Ziel nicht. Der Vorgesetzte ist unzufrieden und genervt von Raffaels Nachfragen. »Ich erwarte mir mehr Eigeninitiative in dieser Position«, lässt er Raffael schließlich wissen und überreicht ihm die Kündigung.

Fokusverlust führt zu Spielen und Verwirrung

Was für ein Dilemma. Als Außenstehende sehen wir, wie sich das Unausweichliche abzeichnet. Doch auf dem Spielfeld ist gar nichts klar. Raffael versucht verzweifelt, konkrete Erwartungen herauszufinden. Der Vorgesetzte versucht seinerseits, diese Definition zu umgehen, weil er selbst keine Klarheit hat. Das kommuniziert er jedoch nicht an Raffael. Stattdessen spielt er ein zerstörendes Spiel: Er gibt ihm Scheinaufträge, um ihn zumindest für kurze Zeit beschäftigt zu halten und sich nicht mit der Fokussierung beschäftigen zu müssen. Aus dieser Unklarheit entsteht Verwirrung – sie kann nicht mehr gelöst werden und führt schließlich zur Kündigung.

Mitarbeitende tun sich schwer, konkrete Pläne zu entwickeln und umzusetzen, wenn sie keine klare Zielsetzung von ihren Vorgesetzten bekommen. Oft sind Führungskräfte selbst so überarbeitet und abgelenkt, dass sie den Fokus längst verloren haben. Sie sind im Hamsterrad gefangen und sehen keinen Ausweg, außer noch härter zu arbeiten, noch mehr Multitasking zu betreiben. Das Dilemma liegt darin, dass sie häufig ihre operativen Aufgaben beibehalten, obwohl sie mehr Führungsaufgaben bekommen.

Nachdenken: Die verlernte Kompetenz

Leider wird das aktive Finden von Klarheit nur allzu gerne übergangen, weil sich alles so rasant bewegt, der Tag voll ist und wir von hunderten Dingen abgelenkt werden. Die Arbeit zu unterbrechen, eine Pause zu machen und sich Zeit zum Denken zu nehmen, bedeutet für viele Luxus – einen Luxus, den sie sich nicht gönnen.

Nachdenken ist anstrengend für unser Gehirn, es kostet Energie. Wir sind jedoch grundsätzlich auf Energieoptimierung eingestellt. Nachdenken müssen wir uns daher vornehmen und uns bewusst darauf einlassen. Das heißt: Ruhe, Handy in einen anderen Raum legen oder abschalten (viele wissen übrigens gar nicht, wie das geht). Hinausgehen an die frische Luft – im Gehen kommen die besten Gedanken. Hinsetzen und die Ergebnisse zu Papier bringen.

Wer Klarheit finden möchte, um sie auch anderen entgegen bringen zu können, muss sich von Ablenkung frei machen und Raum zum Denken nehmen – eine Aufgabe, die nur bewusst und mit äußerster Konsequenz funktioniert. Sich diese Zeit zu nehmen, ist die Basis für respektvollen Umgang und Klarheit in Beruf und Leben.

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