Texten Sie bloß keinen zu

„Sie dürfen über alles reden, nur nicht über zehn Minuten!“ Der bekannte Spruch trifft eigentlich recht genau, worum es in geht. Wenn Sie zu viel reden in einer Beziehung, ob privat oder beruflich, erlangen Sie dadurch eine Dominanz, die andere stresst. Sie wirken dadurch als jemand, der sich für das Gegenüber nicht interessiert. Sie stellen sich selber in den Mittelpunkt, Ihre eigenen Probleme und das, was Sie gerade beschäftigt, bestimmen Ihre Kommunikationssituationen.

Im privaten Bereich bestimmen Redezeit und Themenfixierung sehr stark über den Eindruck, den wir aus einer Kommunikation mit anderen Menschen mitnehmen. Natürlich ist der Inhalt des Ausgetauschten zentral für unser Urteil. Aber ob unsere Gesprächspartner uns auch gelegentlich zuhören oder ob sie uns im Dialog lediglich dominieren wollen, das bestimmt nachhaltig unseren Eindruck von einem Kontakt zu einem Mitmenschen. Wenn uns jemand zutextet, also einfach pausenlos spricht, kommen wir uns nach kurzer Zeit vor wie eine Klagemauer, der man zwar seine Geheimnisse anvertraut, die aber selber kein Interesse weckt.

Eine schöne Weisheit aus der chinesischen Philosophie zeigt ebenfalls sehr prägnant, was gemeint ist: Tsi Qin fragte seinen Lehrer Mo Di: „Meister, ist es gut, wenn man viel spricht?“ – „Welchen Sinn soll es haben, viele Worte zu machen?“, entgegnete Mo Di. „Schau dir den Frosch im Teich an. Er quakt den ganzen Tag und die ganze Nacht, bis seine Zunge trocken ist. Aber niemand hört ihm zu. Der Hahn im Hühnerstall hingegen kräht nur zwei oder drei Mal bei Tagesanbruch. Aber jeder hört auf ihn, denn jeder weiß, dass jetzt der Tag beginnt. Und so solltest du auch nur reden, wenn es einem Ziel dient.“ (aus: Nöllke, 2002).

Zwischen Klappe halten und ausführlich erläutern – das Maß entscheidet!

In einem sehr lesenswerten Buch zeigt Cornelia Topf (Topf, 2010) auf, dass das Zuviel-Reden sehr oft dazu führt, dass wir als Quasseltanten oder Selbstdarsteller wahrgenommen werden (vergleichen Sie dazu die Kommunikationstypen im Kapitel 2). Von dieser Kategorie Leute halten die meisten – zu Recht – nicht besonders viel. Wir modernen Menschen können laut aktuellen Forschungen rund 20 Sekunden wirklich aufmerksam sein, bis uns ein neuer Reiz packen müsste. Alles, was darüber hinausgeht, wird von uns oft weitgehend weggeknipst. In fast allen Führungstrainings wird vermittelt, dass gute Führung fast immer gute Kommunikation bedeutet. Das ist ja nicht falsch, aber viele Chefs verwechseln gute Kommunikation mit pausenlosem Reden. In der Medizin mag das Gesetz „mehr Einsatz von Chemie bewirkt mehr“ ja noch fallweise stimmen, aber im Umgang miteinander können wir uns nicht auf so simple Gesetze verlassen. Das alte Sprichwort „Stille Wasser gründen tief“ sagt eigentlich genau, worum es hier geht: Wer auch schweigen kann und nicht immer nur reden zu müssen glaubt, wirkt kompetenter, glaub- und vertrauenswürdiger. Ein guter Richter wie der biblische König Salomon wurde sprichwörtlich, weil er zwei Streitparteien einfach schweigend zuhören konnte, anschließend nachdachte und dann sein Urteil fällte (das „salomonische Urteil“).

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Testen Sie sich selber: Fragen Sie einen Geschäftspartner bei der Begrüßung einmal mehr, wie es ihm gehe. Tun Sie das aber mit klar signalisiertem und echtem Interesse. Dann aber beobachten Sie sich: Wie lange halten Sie seine Ausführungen aus? Wie stark interessieren Sie seine Inhalte wirklich? Schaffen Sie es, doppelt so lange zu warten mit Ihrer eigenen Wortmeldung, wie Sie das bisher taten? – Hier liegt der Kern meiner Botschaft dieses Abschnittes: Halten Sie sich zurück! Wer ständig redet, anweist, kommentiert und beurteilt, bringt seine Gesprächspartnerinnen nicht nur zum Schweigen, sondern auch zum Nicht-mehr-Weiterdenken. Üben Sie das; es ist einfacher, als Sie denken.

Natürlich kann Ausführlichkeit bei schwierigen Themen auch zur besseren Verständigung beitragen. Das ist und bleibt ein Dilemma, innerhalb dessen wir uns so gut wie möglich arrangieren müssen. So kurz wie möglich, aber so ausführlich wie nötig – das muss auch hier die Lösung sein. Ausführlichkeit darf nur soweit praktiziert werden, wie sie den Empfänger unserer Botschaft zum Denken stimuliert. Die Prägnanz Ihrer Kommunikation (wie in Kapitel 6.2 aufgezeigt) leistet dies in ausgezeichneter Weise: Das Wesentliche hervorheben, kurz bleiben, treffende Ausdrücke verwenden. Vermeiden Sie Abstraktionen, vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen, Verallgemeinerungen und zu weites Herholen Ihrer Argumente. Sie möchten stimulieren und anregen, das sollten Sie nie vergessen. Bringen Sie deshalb auch lebensnahe Beispiele, Aussagen zu Ihrer persönlichen Situation und Fragen in Ihre Botschaften ein.

Diesen Mittelweg zu finden ist nicht einfach, aber zu bewältigen. Stellen Sie sich vor, Sie seien bei Ihrem Hausarzt wegen Rückenschmerzen. Er fragt Sie zu Beginn der Sprechstunde, weshalb Sie bei ihm vorsprechen. Sie haben nun zwei Möglichkeiten, eine zu ausführliche und damit nervende sowie eine prägnante. Sie können also Folgendes sagen zu Ihrem Arzt:

Variante 1: “Mich schmerzt mein Rücken seit Wochen.”

Variante 2: „Seit Wochen habe ich Schmerzen in der Kreuzgegend. Ich hoffe, dass das kein Bandscheibenvorfall ist. Aber wissen Sie, ich habe Respekt vor zu vielen Schmerzmitteln. Man weiß ja, dass Medikamente Nebenwirkungen haben können. Vor denen fürchte ich mich. Man sieht im Fernsehen immer wieder, wie sich falsche Medikamente auswirken. Zudem bin ich wahrscheinlich allergisch auf bestimmte Wirkstoffe. Also nehme ich ganz bewusst nichts ein. Naturheilmittel helfen meist auch, was ich auch seit Wochen mache. Oft hilft mir das Auflegen von warmen Tüchern. Aber ich weiß natürlich nicht, ob ich mich ängstigen muss, weil vielleicht etwas Schlimmeres vorliegt.“

Ihr Arzt ist sicherlich ungeduldig geworden, wenn Sie die Variante 2 gewählt haben. Er hat weitere Patienten und einen genau getakteten Tagesplan. Sie erzeugen für ihn mit Ihrem zu langen Sermon Stress und stellen auch noch seine Kompetenz in Frage.

Es gibt neben den beiden Extremvarianten auch eine angemessene Botschaft, die alles sagt, aber nicht zum Plauderstil gehört: „Immer nach gewissen Bewegungen habe ich starke und stechende Schmerzen in der Kreuzgegend. Sie sind ungefähr 10 cm oberhalb des Kreuzes am stärksten. Wenn ich mich dann etwas bewege und beuge, lässt der Schmerz kurzzeitig nach.“

Halten Sie also Maß in Ihren kommunikativen Botschaften. Versuchen Sie immer prägnant zu sein und nicht mehr zu sagen, als nötig ist. Geben Sie dem Gespräch auch genügend Raum, um Ihrem Gegenüber zuhören zu können. Zeigen Sie auch, dass Sie zuhören. Geben Sie ein Feedback, das beweist, dass Sie zugehört haben. Gehen Sie auf das ein, was Ihnen Ihre Gesprächspartnerin mitgeteilt hat. Nicht die Extrempositionen des Schweigens oder des Plapperns sind es, die den Erfolg bringen. Suchen Sie den vernünftigen Mittelweg. Er ist möglich – und am erfolgreichsten!

 

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