Tablet und Handy im Unterricht!? Kann weg!

Tablets und Handy im Unterricht – digiales Lernen eben – gelten als Heilsbringer. Lesen, Schreiben, Rechnen, Denken – trotz aller digitaler Bemühungen wachsen die Defizite. Also Dosis erhöhen? So wie er Freistaat Bayern die Schulen mit Tablets fluten? Mitnichten, denn allerorts werden kritische Stimmen laut und die ersten Protagonisten üben sich bereits im Salto rückwärts. Denn statt weitere Millionen in digitale Ausrüstung zu investieren, gibt es weitaus wirksamere Methoden, dem Bildungsinteresse der Kinder gerecht zu werden. Und um eins klarzustellen: Es geht nicht darum, digitale Endgeräte aus der Schule zu verbannen. Vielmehr sollten sie Mittel zum Zweck sein und nicht der Zweck selbst. Eine kleine Bestandsaufnahme.

Seit vielen Jahren werden digitale Medien als Heilsbringer der Pädagogik und als Lösung für die Bildungsmisere gepriesen. Tablets sonnen sich im Digitalisierungshype und die Bildungsministerien meinten ernsthaft, dass die flächendeckende Ausstattung mit Tablets die Bildungsgerechtigkeit erhöhen würde.

Aktuelles Beispiel für eine unverantwortliche und ignorante Anschaffung von Tabletts liefert Bayern. In diesem Bundesland sollen bis 2028 1,6 Millionen Schülerinnen und Schüler an gut 6.400 Schulen Tablets erhalten. Das nützt den Tech-Giganten wie Apple und Microsoft, die schon seit Jahren in die Schulen drängen.

App, App, App

und fertig ist der Depp!

Kabarettist Christoph Sieber

Bildungspolitischen Aktionismus

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Lernen mit Hirn
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Doch nun gibt es Gegenwind.  Der Ordinarius für Schulpädagogik und Universitätsprofessor Dr. Klaus Zierer hält das Vorhaben für „Bildungspolitischen Aktionismus“. Es sei aus erziehungswissenschaftlicher Sicht nicht begründbar und unverantwortlich. Seit Jahren sinkt das Bildungsniveau, denn die mediale Ablenkung, der wachsende Verlust an klassischer Lernhaltung sowie abnehmende soziale Kompetenzen seien die Folge unreflektierter Implementierung von Technik und Ausdruck eines Digitalisierungswahns. (Quelle: https://www.sueddeutsche.de/bayern/schulen-muenchen-paedagoge-kritisiert-digitalisierungswahn-an-den-schulen-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-230815-99-838800)

In Schleswig-Holstein sollen Smartphones an den Grundschulen verboten werden. So lautet der Vorstoß der Bildungsministerin Karin Prien. Bildschirme üben auf Kinder eine hypnotische Wirkung aus. Das fördert die Fettleibigkeit und führt zu motorischen und sozialen Defiziten. Wie verrückt ist das?: Jugendliche sitzen im selben Raum und „chatten“ miteinander. An weiterführenden Schulen nimmt Cyber-Mobbing beängstigende Ausmaße an. Das Lesen ganzer Bücher wird für viele zur Qual. (Quelle: https://www.nzz.ch/meinung/der-andere-blick/handyverbot-im-klassenzimmer-warum-die-cdu-politikerin-karin-prien-recht-hat-ld.1751548)

Vorreiter machen Rolle rückwärts

Schweden, Frankreich, Finnland und die Niederlande waren bei der Digitalisierung des Erziehungswesens die Vorreiter. Jetzt blasen sie zum Rückzug. Die Regierungen machen v.a. die Vorschulen bildschirmfrei. Wir wissen, dass menschliche Interaktion für das Lernen sehr entscheidend ist, und das gilt besonders in den ersten Lebensjahren. Digitale Medien haben in (Vor-) schulen einfach nichts zu suchen. (Quelle: https://www.diagnose-funk.org/aktuelles/artikel-archiv/detail?newsid=1991)

In Frankreich gilt das Handyverbot an Vorschulen, Grundschulen und weiterführenden Schulen bereits seit Jahren. Ein Komplettverbot internetfähiger Geräte wie Handys, Tablets und Smartwatches ist in allen Räumlichkeiten für Kinder und Schüler zwischen drei und 15 Jahren verboten.

Mediensucht – Krankenkassen schlagen Alarm

Und in Deutschland? Seit Jahren gibt es fundierte Kritiken an den Digitalisierungsplänen. Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen haben rechtzeitig und fundiert auf die Folgen der Digitalisierung im Unterricht hingewiesen. Heute schlagen zusätzlich auch verschiedene Krankenkassen Alarm. „Wenn jetzt nicht schnell gehandelt wird“, so eine DAK-Studie, „rutschen immer mehr Kinder und Jugendliche in die Mediensucht und der negative Trend kann nicht mehr gestoppt werden. So würden Familien zerstört und die Zukunft vieler junger Menschen bedroht.“ (Quelle: https://www.dak.de/dak/bundesthemen/dak-studie-in-pandemie-hat-sich-mediensucht-verdoppelt-2612364.html#/)

Der Leitmedienwechsel vom Buch zum Computer hat massiv dazu beigetragen, dass der Einsatz von Technik die Lernleistungen deutlich verschlechtert. Und das hat einen Grund:

Informationen, die wir am Bildschirm lesen, nehmen wir anders wahr als in gedrucktem Format. Beim Lesen in einem E-Book gerät die räumliche und zeitliche Orientierung von Inhalten eher durcheinander als beim Lesen eines gedruckten Buches. An Flachbildschirmen lesen wir zwar schneller, aber das Verständnis bleibt auf der Strecke. Fazit: Die Lernleistungen verschlechtern sich.

Googeln statt Denken

So erging es auch dem Informatiker Stefan Kretschmann. Dessen Sohn wechselte mit 13 Jahren für einen „Feldversuch“ in eine „Tablet-Klasse“ nähe München. Dort sollte ausschließlich digital und papierlos gearbeitet werden. Die Leistungen seines Sohnes, so berichtet der Vater, seien ständig abwärts gegangen. Viele Schüler hätten die Geräte insbesondere für Spiele und zum Chatten benutzt. Und hier zeigt sich ein Grundproblem. Auch wenn man Tablets als Medium für Wissenserwerb nutzen möchte, so wie zuvor gedruckte Bücher etc., verwenden zahlreiche Schüler die Tablets für unterrichtsferne Zwecke. Viele Lehrkräfte waren hilflos und völlig überfordert mit der Bedienung der Tablets. Sie waren dem Spott der Schüler ausgesetzt. Die Lehrer kommunizierten mit ihren Schülern auf unterschiedlichen Kanälen: WhatsApp, Mails oder Teams. Die Lehrkräfte gingen davon aus, dass die Schüler selbständig lernen … Welch ein Irrtum. Das eigene Denken wurde permanent durch Googeln ersetzt. Der „Feldversuch“ ist gründlich gescheitert! Die Schule des Sohnes von Stefan Kretschmann befindet sich im Übrigen in der Nähe von München. Dort sollen in den kommenden Jahren, wie wir oben lesen konnten, 1,6 Millionen Schülerinnen und Schüler Tablets erhalten. (Quelle: https://www.welt.de/politik/deutschland/plus247080728/Lernen-mit-dem-Tablet-Das-eigene-Denken-wurde-permanent-durch-Googeln-ersetzt.html)

Millionen für die Bildungskatatrophe

Statt Millionen in didaktisch fragwürdige Technik zu verpulvern, gäbe es wirksamere Möglichkeiten, in die steigende und überall sichtbare Bildungskatastrophe sinnvoller zu investieren: Zur Behebung des Lehrermangels ist es zwingend erforderlich, die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte zu verwirklichen und die Kooperation mit den Eltern zu intensivieren. Es geht darum, so die Bildungsministerin Karin Prien, den Lehrkräften den Rücken zu stärken, den ausgeprägten Tunnelblick der selbsternannten Bildungsexperten abzubauen und die Entwicklungs- und Bildungsinteressen der Kinder endlich in den Vordergrund zu rücken. Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Sie ist ein wesentlicher Faktor der Krise im deutschen Bildungswesen.

Der Schwerpunkt sollte wieder auf dem Wissenserwerb über gedruckte Schulbücher sowie das Fachwissens der Lehrenden gelegt werden. Denn eines sollten wir endlich berücksichtigen: Unser Gehirn arbeitet analog! Das lässt sich nicht im Handumdrehen ändern.

Wir brauchen uns daher nicht zu wundern, wenn im Silicon-Valley, wo die Digitalisierung maßgeblich entwickelt wurde, die Kinder von Bill Gates, Steve Jobs und anderen auf vollständig analoge Schulen geschickt werden!

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