Selbstorganisation in agilen Teams – so funktioniert’s

Agile Teams arbeiten in klar definierten Strukturen und Formaten. Anders als im klassischen Projekt sind agile Teams bestrebt, die eigenen Performance ständig zu verbessern. Die Basis dafür ist personelle Kontinuität und konsequentes Selbstmonitoring. Eine agile Organisation ermöglicht, dass positive Schwarmintelligenz entsteht.

Was passiert, wenn man einer Gruppe Menschen ein Ziel vorgibt und ihnen die Freiheit lässt, das Ziel auf eigenem Wege zu erreichen? Oft endet dies in einem Desaster: Entweder es kümmert sich jeder um sich selbst oder ausschließlich um die Belange der anderen. Chaos entsteht. Was ist die Lösung? Selbstorganisation in einem agilen Rahmen funktioniert anders. Hier zieht nicht jeder in „seine“ Richtung, sondern die Teams setzen gemeinsam das um, was zum jeweiligen Zeitpunkt maximal den internen oder externen Kundenwert steigert.

Dies ist ein grundlegender Unterschied zu Organisationen, in denen viele Mitarbeiter in jeweils ganz vielen unterschiedlichen Projekten tätig sind. Auch dort wird oftmals mit gewissen Freiheitsgraden gearbeitet. Jedoch verselbständigt sich so manches Projekt und wird dabei immer „langsamer“. Manches Projekt kommt sogar vollständig zum Erliegen, ohne dass dies von Management eingestanden wird.

Das Buch zum Thema


» Mehr Infos

Natürlich kann man agile Methoden auch in einer Projektorganisation einüben. Die volle Wirkung erreicht der agile Ansatz jedoch erst dann, wenn ganze Teams dauerhaft agil werden und anfangen Ihre eigene Fortschrittsgeschwindigkeit zu reflektieren, diese zu messen und mit geeigneten Hilfsmittel wie zum Beispiel einem Burndown-Chart selbst zu monitoren und sich im Folgeprozess immer weiter selbst optimieren.

In der agilen Welt, z.B. bei Scrum, ersetzt Selbstkontrolle die Fremdkontrolle. Die Entwicklungsteams sind selbst für das „Wie?“ zuständig, das „Was?“ hingegen – die Priorisierung – kommt vom Product Owner. Der „Prozess“ wird von einer dritten Rolle, un zwar vom sogenannten Scrum Master unterstützt. Ein Scrum Team ist dabei grundsätzlich hierarchiefrei. Jedes Teammitglied hat hier seine Aufgaben, die über die drei Rollen definiert sind, und in diesem Rahmen auch seinen Einfluss auf das Geschehen.

Wir können hier von geteilter Verantwortung oder auch kollegialer Führung sprechen. Abgesehen von dem Management, welches den Rahmen schafft und gewissermaßen die „Leitplanken“ vorgibt, und insofern auch zusätzliche Verantwortungen trägt, gibt es in agilen Organisationen kein „oben“ oder „unten“. Alle tragen dazu bei, dass die Unternehmensziele erreicht werden. Lediglich die Aufgabenfelder sind unterschiedlich – und können zudem je nach Situation immer wieder wechseln.

Im positiven Sinne erlaubt das Konzept der „Hierarchiefreiheit“ somit sich nicht sklavisch an einer scheinbar vorgegebenen „heiligen Ordnung” orientieren zu müssen. Wichtiger ist, dass Entscheidungen immer wieder inhaltlich begründet werden, damit sie für den Einzelnen Sinn ergeben und für die Gesamtorganisation Wert erzeugen. Jedoch bedeutet diese Form der Selbstorganisation nicht zwingend, dass ein Team alle Entscheidungen immer auch selbstorganisiert treffen muss. Vielmehr ist damit gemeint, dass es Teams erlaubt sein muss, zwischen dem „Ausführungs-Modus“ und dem „Innovations-Modus“ flexibel hin- und herzuwechseln, je nachdem was der Kontext konkret erfordert.

Echte Innovation und wirkliche Wertschöpfung entsteht in Unternehmen, bei denen Menschen in einer ausgeprägten Weise selbstorganisiert zusammenarbeiten, verbunden durch gemeinsame agile Werte sowie agile und flexible Arbeitsmethoden. Hinzu kommt sinnvollerweise eine Unternehmenskultur, die agiles Denken und Handeln erlaubt. Eine geringe interpersonale Distanz mit intensiver Kommunikation und agilen Meetingformaten unterstützt dies.

Warum ist das so? Ein hoher Grad an Selbststeuerung und Selbstkontrolle in den Teams erlaubt, dass eine positive Schwarmintelligenz entstehen kann. Mitarbeitende agierten dann weniger taktisch und konzentrieren sich stärker darauf, unternehmerische Probleme und Herausforderungen anzugehen und nachhaltig zu lösen.

Was genau ist hier mit “positiver Schwarmintelligenz” gemeint? Ob ein Schwarm „panisch“ oder „intelligent“ reagiert, macht sich an dem Grad der Intelligenz der Teilnehmenden fest. Ein Fischschwarm ist immerhin so intelligent, dass diese unter Umständen einen großen Bogen um einen sie sonst einzeln oder kollektiv verspeisenden Hai herummachen.

Bei Menschen in Organisationen, die oft sehr umfangreiche Qualifikationsvoraussetzungen mitbringen geht es eher um das „Wollen“ und das „Dürfen“, nicht so sehr um das „Können“ (vgl. LKWD Formel: Leistung = Können x Wollen x Dürfen).  Zudem muss die Struktur in der gearbeitet wird, Selbstorganisation und Selbstkontrolle unterstützen.

Was sind die Voraussetzungen damit selbstorganisierte Teams erfolgreiche arbeiten können?

  • Die Teams sollten „cross-funktional“ aufgestellt sein. Ziel ist es hier, mit sogenannten „T-shaped profiles“ zu arbeiten. Das heißt, jedes Teammitglied sollte hier über genügend Kompetenz in der Breite haben um „anschlussfähig“ zu sein (horizontale Achse eines „T“) sowie gleichermaßen über ein eigenes vertieftes „Spezialwissen“ in einem oder mehreren Feldern verfügen („vertikale Achse eines „T“), um einen entsprechenden Beitrag zu den Lösungen leisten zu können.

  • Selbstorgansiert bedeutet, dass das Team ist in der Lage, das zu entwickelnde Produkt oder Dienstleistung ohne Hilfe von außen zu liefern. Hier müssen also alle zentrale Fähigkeiten und Fertigkeiten über das Team direkt abrufbar sein. Selbstorganisation bedeutet also, auf einen gezielten Kompetenzaufbau innerhalb existierender Teams zu fokussieren.

  • Selbstorganisation bedeutet, dass das Team eine ganze Reihe von Managementaufgaben übernehmen soll. Dazu gehört z.B. auch der Plan-Ist-Abgleich beispielswiese mittels Burn-Down-Chart, das deswegen auch vom Team bzw. einzelnen Teammitgliedern gepflegt wird (und nicht etwa von einer Chef-, Stabs- oder Management-Ebene!).  Dabei kann es sich Controlling, Personalmanagement oder weitere Monitoring-Aufgaben handeln, dies variiert je nach Team, Funktionsbereich und Branchenfokus.

  • Selbstorganisierte Teams sind in der Regel Teams mit sehr gut ausgebildeten Experten („T-shaped profile“, siehe oben), die zudem über ein hohes Maß an Erfahrung in ihrem Feld verfügen. Eine solche Menge an Erfahrungswissen, wir können hier auch von Feldkompetenzen sprechen, ist keineswegs trivial und lässt sich nur sehr bedingt, z.B. über Schulungen, vermitteln. Wirklich etwas von der Sache zu verstehen, wirkt sich übrigens psychologisch positiv auf das Selbstbewusstsein aus, auch das ist hilfreich für eine gelungene Selbstorganisation.

  • Selbstorganisation bedeutet NICHT, dass es keine Hierarchien gibt. Es gibt sie in aller Regel sehr wohl, jedoch im Sinne einer betriebswirtschaftlichen Gesamtverantwortung, die den Rahmen und gewissermaßen auch die „Leitplanken“ vorgibt, in denen dann die Teams erfolgreich arbeiten können. Das „Formale“ tritt zurück und wird auf häufig auf das notwendigste beschränkt. Die Struktur orientiert sich vielmehr an den Erfahrungen, was Teams konkret benötigen, um erfolgreich sein zu können – und solche agilen Strukturen werden immer wieder neu angepasst, getreu dem Motto „Nicht agil sein, sondern fortwährend agiler werden“.

Selbstorgansiert zu sein (bzw. zu werden) ist sehr anspruchsvoll in Bezug auf die Kommunikation untereinander, die Leistungsbereitschaft sowie hinsichtlich der Fähigkeit, auf Augenhöhe langfristig zusammenzuarbeiten. Eine professionelle Begleitung eines solchen mitunter nicht immer einfachen Prozesses wird in aller Regel von allen Beteiligten als hilfreich empfunden. So kann die Art und Weise der Kommunikation untereinander, die Auswahl von Methoden und Tools, die anstehenden nächsten Schritte in der Struktur-Evolution sowie eine fortwährende gemeinsame Reflexion des Gesamtbildes zusätzlich wirksam unterstützt werden.

Teilen

Dieser Artikel kann nicht kommentiert werden.