Lernen mit Neugierde

Scheitert ein Projekt, haben es alle gewusst. Passiert ein Fehler, ist der Schuldige schnell ausgemacht. Doch dieser Fingerzeig killt Innovationskraft und Kreativität. Denn Risikobereitschaft, Schnelligkeit und Experimentierfreudigkeit sind die Triebfeder alles Neuem. Und da sind Fehler unvermeidbar. Wer heute Neues wagen will, muss Fehler mindestens akzeptieren, wenn nicht sogar einplanen. Erst dann kann sich ein Lernen mit Neugierde entwickeln.

Fehler passieren. Und wenn wir heute Risikobereitschaft, Schnelligkeit und Experimentierfreudigkeit predigen, müssen wir mit noch mehr Fehlern rechnen. Diese sogar begrüßen, da sie ein Indikator dafür sind, dass tatsächlich Neues gewagt wird und Geschwindigkeit vorgeht.

Fehler begrüßen? Fehler zumindest akzeptieren. Wer heutzutage mehr erreichen will, muss  mitunter mehr riskieren.

Manch Unternehmen nimmt sich eine definierte Anzahl an Fehlern/ Misserfolgen zum Ziel um Mitarbeiter zu ermuntern mehr Neues zu probieren und in noch mehr unterschiedliche Richtungen zu denken. Ein schönes Beispiel ist der Google Friedhof, der Projekte „Killed by Google“ auflistet. Ein Zeichen für Googles explorativen Ehrgeiz.

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Aus Fehlern lernen förder lernen mit Neugierde

Betrachtet man die durchschnittliche Organisation, ist das Risiko (in Kosten, Glaubwürdigkeit und Reputation auf dem Markt, …) oft zu hoch, um eine hohe Anzahl an Versuchen mit sehr geringer Erfolgswahrscheinlichkeit zugunsten ein oder zwei Erfolgen zu fördern. Wenn hier eine „Fehlerkultur“ gefordert wird, geht es auch darum, mehr Risiken einzugehen und schneller auf Veränderungen in Kundenbedürfnissen, Technologie oder Markt reagieren zu können. Doch im Zentrum steht die Förderung einer anpassungsfähigen Organisation, einer lernenden Organisation. So geht es vor allem darum, aus Fehlern zu lernen.

Lernen aus einem Fehler oder Misserfolg beginnt mit dessen Reflektion. Viele objektive aber auch subjektive (nicht wertende) Eindrücke gilt es auch verschiedenen Perspektiven einzuholen und zu analysieren. Wo lag die Ursache? Lässt sich (bei mehreren solcher Ereignisse) ein Muster erkennen? Wie können wir in Zukunft die Ursache ausräumen oder unschädlich machen? Was können wir aus den Ursachen über uns und unsere Arbeit lernen, das uns in Zukunft hilft, besser zu werden?

Wer nur einen Schuldigen sucht macht Reflektion unmöglich

Wenn wir zu sehr damit beschäftigt sind, einen Schuldigen zu finden, stellen wir uns oben genannte Fragen erst gar nicht wirklich. Die einzige Frage ist die nach dem Schuldigen. Vielleicht noch, wie man die Schuld nachweisen kann. Und der oder diejenige, der wichtigen Input zu den oben genannten Fragen geben kann – der Verantwortliche des Fehlers – hat genug damit zu tun, sich zu verteidigen oder einen anderen Schuldigen oder zumindest Teil-Schuldigen zu finden. Reflektion wird so unmöglich.

Der Fingerzeig ist ein Relikt aus Zeiten des Bestrafens von Fehlern

Sollen wir jetzt mit den Fingern auf die Mitarbeiter zeigen? In vielen Unternehmen ist eine solche Schuld-Kultur Folge einer Tradition des Bestrafens von Fehlern. Personen verlieren ihren Job oder ihr Gesicht oder beides oder erleben kleinere negative Konsequenzen.

Auch muss eine Atmosphäre der Offenheit, psychologische Sicherheit gegeben sein, um Reflektieren und Lernen zu können. Und schließlich braucht es hier Übung. Hilfreiche Techniken können die Neugierde beim Lernen und den Detektivehrgeiz in der Belegschaft auch wieder anregen.

Eine Reihe von Techniken findet sich auch im agilen Methodenkoffer gesammelt. Blicken wir auf eine, die „5 Why“ – Fünf aufeinanderfolgende Warum-Fragen, illustriert an dem viel erzählten Beispiel des Lincoln Museums, entnommen dem Buch „Der Code Agiler Organisationen“.

Ein kleines Beispiel

„Der Nationalparkdienst war mit dem Problem konfrontiert, dass das Denkmal äußerlich schnell verfiel. Um die Verschleißerscheinungen zu beseitigen, müsste der Stein regelmäßig kostspielig ersetzt oder restauriert werden. Über fünf Warum-Fragen der Park Service Führungskräfte an die Wartungscrew, konnte das Problem leichter gelöst werden.

  1. Warum verfällt das Material so schnell?

    Wegen der Hochleistungs-Sprühgeräte, mit denen das Denkmal alle zwei Wochen gereinigt wird.

  2. Warum sind alle zwei Wochen Hochleistungswäschen erforderlich?

    Wegen der Menge an Vogelkot auf dem Stein.

  3. Warum gibt es so viele Vogelkot?

    Weil viele Vögel kommen, um sich von den Spinnen zu ernähren.

  4. Warum gibt es so viele Spinnen?

    Sie werden von den vielen Insekten angelockt, die sich nachts dort sind.

  5. Warum gibt es so viele Insekten?

    Sie werden von den leistungsstarken Scheinwerfern angezogen, mit denen das Denkmal bei Nacht für die Touristen beleuchtet wird.

Anstatt das Licht zwei Stunden vor Sonnenuntergang einzuschalten, wurde es 30 Minuten nach Sonnenuntergang eingeschaltet und morgens dreißig Minuten vor Sonnenaufgang ausgeschaltet. Die Zahl der Insekten wurde um 90 Prozent reduziert – Problem gelöst.“

Das Beispiel zeigt auf, dass der Fokus weniger den vermeidlich Schuldigen gelten soll, sondern mehr den Umständen. Der Ehrgeiz muss dem gelten nachzuvollziehen, welche Umstände zu welchen (im Nachhinein) Entscheidungen geführt hat.

Neugierde – wie konnte es zum Scheitern kommen? Warum ist eine Idee fehlgeschlagen? Dies verbunden mit einer Lernorientierung – einem gemeinsamen Eifer, die hilfreichsten Erkenntnisse aus dem Ereignis zu ziehen und hieraus die besten Maßnahmen für die Zukunft abzuleiten. So klappt es auch mit dem Nachbarn.

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