Neue Ideen – nicht bei uns!

Eine neue Studie zeigt: Kreative und innovative Mitarbeiter werden in Unternehmen oft ausgebremst. Doch zunehmend ändert sich dies. Unter anderem weil viele Unternehmensführer erkennen: Querdenker sind keine Querulanten – obwohl sie zuweilen die Routine stören.

Richard P., ein 39-jähriger Softwareingenieur, gehört zu den Mitarbeitern, die sich ein Unternehmen wünscht: Er überlegt ständig, wie man Dinge besser machen kann. „Mich reizt es, elegantere Lösungen zu finden“, sagt er. In jedem Einstellungsgespräch würde er mit dieser Eigenschaft punkten. Doch im Arbeitsalltag geht er hiermit seinen Chefs und Kollegen auf die Nerven. Und mit seinen Ideen blitzt er regelmäßig ab. So zum Beispiel, als er seinem Vorgesetzten vorschlug, das Team anders zu strukturieren, um das Potenzial der Mitarbeiter besser zu nutzen: Sein Chef fühlte sich kritisiert und war beleidigt. Und als er mit neuen Produktideen kam, bekam er zu hören: „Dafür sind sie nicht zuständig.“

Richard P. ist kein Einzelfall. Unternehmen betonen zwar immer wieder, wie wichtig kreative Mitarbeiter sind. Doch wenn diese Ideen äußern, dann werden sie schnell ausgebremst. Eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung „die Ideeologen“ zeigt: Nur bei 29 Prozent aller Unternehmen ist kreatives Denken hoch angesehen. Und nur 24 Prozent würden sich trauen, einen „Querdenker“ einzustellen. Die anderen Firmen schätzen kreative Köpfe nur solange, wie sie sich an die Regeln halten und ihre Ideen nicht wirklich etwas verändern. In vier von fünf Unternehmen ist ein „Regelbruch“ – die Voraussetzung für viele kreative Ideen – weitgehend tabu. Und in immerhin 35 Prozent ist Kreativität sozusagen nur „nach Vorschrift“ erlaubt.

Für die Studie „Erfolgsfaktor Innovationskultur“ wurden im Frühjahr und Sommer 2011 knapp 200 Ideen- und Innovationsmanager sowie Top-Manager deutscher Unternehmen befragt. Die Ergebnisse zeigen, warum es neue Ideen in Unternehmen oft so schwer haben.

Passive „Innovatoren“ überwiegen

In der Studie konnte jedes fünfte Unternehmen (knapp 21 Prozent) als „proaktiver Innovator “ identifiziert werden. In solchen Unternehmen fühlt sich Richard P. wohl: Das Top Management hat ehrgeizige Ziele, alle Mitarbeiter arbeiten mit Hochdruck an neuen Ideen, Mitarbeiter initiieren eigene Innovationsprojekte und treiben sie aktiv voran. Hier fallen Ideen auf fruchtbaren Boden.

Anders ist dies bei den „passiven Innovatoren“ (36 Prozent der Unternehmen). Sie betreiben Neues ohne Ehrgeiz und Leidenschaft. Zudem wird Innovation von oben kaum gefördert. Die Ideen von Richard P. kämen bei passiven Innovatoren nur gut an, wenn sie „nach Vorschrift“ entwickelt wurden und wenig ändern.

Rund ein Viertel der Unternehmen gehört zu den „reaktiven Innovatoren“. Dort ist die gesamte Unternehmenskultur nur darauf ausgerichtet, zu reagieren – zum Beispiel auf Anordnungen der Geschäftsleitung. Kreative Köpfe wie Richard P. können hier Erfüllung finden, solange ihnen die (von oben initiierten) Projekte Spaß machen. An ihre Grenzen stoßen sie, wenn sie sich verwirklichen und eigene Projekte starten möchten.

Im Gegensatz dazu fehlen den „Zufallsinnovatoren“ (16 Prozent der Unternehmen) die Ziele. Es gibt Mitarbeiter und Teams, die Ideen entwickeln – meistens in ihrem Wirkungsbereich. Sie sind kreativ, aber die Vorgaben aus der Chefetage fehlen. Hier hätte Richard P. am Anfang Spaß: Er könnte Ideen entwickeln und versuchen, sie umzusetzen. Nur ob seine Ideen auf Resonanz stießen, das wäre eher eine Frage des Zufalls. Bei Zufallsinnovatoren frustrieren kreative Köpfe oft daran, dass niemand sie beachtet.

Unternehmen brauchen kreative Köpfe

Anfang 2011 schockte der neue CEO von Nokia seine Mitarbeiter mit einer „Brandrede“. „Unsere Ölplattform brennt“, sagte er. „Wir haben zwar brillante Quellen für Innovation bei Nokia, aber wir bringen sie nicht schnell genug auf den Markt.“ Obwohl Nokia zu den weltweit innovativsten Unternehmen zählt, wurde das Unternehmen ein Opfer seiner schwerfälligen Struktur. „Chinesische Handyhersteller werfen Geräte schneller auf den Markt, als wir eine PowerPoint-Präsentation auffrischen. Sie sind schneller, billiger und fordern uns heraus.“

Nokia ist damit nicht alleine. Generell wächst der Druck der Märkte. In zahlreichen Branchen findet ein Paradigmenwechsel statt: Waren die Innovationszyklen früher lange, planbar und teilweise sogar vorhersehbar, so ändert sich das radikal. Egal in welcher Branche, überall registriert man ein wachsendes Innovationstempo. Viele Unternehmen sind zu langsam, um hiermit Schritt zu halten.

Auf die Unternehmen kommen drei große Herausforderungen zu:

  •  Sie müssen kreative Köpfe identifizieren. Die meisten Mitarbeiter kennen ihr kreatives Potenzial nicht einmal selbst. Wie sollen es dann ihre Chefs erkennen? Es gibt zwar Kreativitätstests, doch die sind meist zu theoretisch. Effektiver ist es, Mitarbeitern regelmäßig kreative Nüsse zum „Knacken“ zu geben und zu sehen, wer diese Aufgaben am besten löst.
  • Sie müssen kreative Köpfe halten. Kreative Mitarbeiter wie Richard P. sind schnell gelangweilt. Zu viel Routine erstickt sie. Herausfordernde und faszinierende Aufgaben sind ihnen oft wichtiger als eine Gehaltserhöhung.
  • Sie müssen kreative Köpfe aushalten. Das ist häufig die schwierigste Übung: Ideen nicht als Kritik aufzufassen, sondern als sinnvollen Beitrag. Und damit zu leben, dass nicht jede Idee nobelpreisverdächtig ist.

Noch gelten kreative Köpfe wie Richard P. oft als unbequem. Doch mehr und mehr setzt sich in den Managementetagen der Unternehmen die Erkenntnis durch, dass ohne bahnbrechende Innovationen irgendwann – wie bei Nokia – die „Plattform“ brennt. Auch das ist ein Ergebnis der Studie. Immerhin heißt es bei knapp 50 Prozent aller Unternehmen bereits heute: Wir müssen innovativ sein, um auf Dauer wettbewerbsfähig zu sein. Das Umdenken hat begonnen. Querdenker wie Richard P. werden es in Zukunft besser haben.

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