Mut zur Entscheidung

Allzuoft gibt es Situationen in denen wir – ganz gleich welche Entscheidungen wir Treffen – “Federn lassen”. Gerade im Hinblick auf Veränderungsprozesse scheitern viele Menschen an dem Umstand. das sie für eine Veränderung immer etwas anderes aufgeben müssen. Doch was ist die Lösung? Verzicht auf die eigentlich gewünschte Veränderung? Oder lässt sich dieses Dilemma auch anders lösen?

Dilemma heißt: Egal, wie Sie sich entscheiden, Sie müssen Federn lassen. Entweder hängt das Ergebnis auch von der (uns unbekannten) Entscheidung eines anderen ab, wie zum Beispiel im Gefangenendilemma, oder die Entscheidung führt in jedem Fall dazu, dass Sie auf etwas verzichten müssen. Beide Fälle begegnen uns in Entscheidungssituationen immer wieder. Gerade in Veränderungsprozessen scheitern viele Menschen an dem Dilemma, dass sie immer etwas aufgeben müssen, wenn sie sich verändern wollen. Dabei lässt sich dieses Paradoxon des Verlierens um des Gewinnens willen nicht auflösen. Auch lässt es sich in komplexen Entscheidungssituationen nicht vermeiden, dass andere Akteure Dynamik in die Entscheidung bringen. Das liegt ebenfalls in der Natur der Sache. In der Folge verzichten dann viele Menschen lieber auf die eigentlich gewünschte Veränderung.

Schwierig wird es auch, wenn wir mit einer Verwicklung zweier Entscheidungen konfrontiert sind. Man nennt das in der Fachsprache Double-Bind. Es meint die implizite Verknüpfung zweier Entscheidungen.

Beispiel: Double-Bind: Ein Hotel-Kellner fiel seinem Chef dadurch auf, dass er fast allen seiner Gäste mit dem Frühstück ein Frühstücksei verkaufte, was seinen Kollegen nicht gelang. Auf die Frage, wie er das wohl anstellte, sagte er: »Na, das ist ganz einfach. Ich frage meine Gäste, ob sie ein Ei oder zwei Eier zum Frühstück möchten.«

Was geschieht hier? Der Kellner setzt auf eine geschickte Art einen Entscheidungsrahmen. Er setzt implizit voraus, dass seine Gäste ein Frühstücksei möchten. Dieser Prämisse folgen die meisten Menschen. Und damit wird auch schon klar, wie sich ein derartiges Dilemma lösen lässt: Stellen Sie den Entscheidungsrahmen infrage und trennen Sie die Entscheidungen. Die Frage lautet dann »Möchte ich überhaupt ein Ei?« Und wenn ja, »Wie viele Eier möchte ich?« Sie könnten sich natürlich auch fragen: »Möchte ich überhaupt frühstücken oder vielleicht doch lieber nur die Zeitung lesen?«

Dilemmata sind der klassische Grenzfall menschlicher Ratio. Ein berühmtes Beispiel aus der Literatur ist die Geschichte von Buridans Esel, der verhungerte, weil er sich nicht entscheiden konnte, welchen von zwei Heuhaufen, vor denen er stand, er fressen sollte. Fraß er den einen, musste er auf den anderen verzichten. Ziemlich dumm könnte man meinen, nicht wahr? Aber das ist ein Klassiker. Überlegen Sie einmal, wie oft Sie schon vor einer Entscheidung standen, die mit Verzicht verbunden war und Ihnen damit als scheinbar unlösbar erschien. Im wirklichen Leben sind Dilemmata ein Zeichen von festgefahrenen Mustern. Sie lassen sich rein kognitiv und logisch nicht lösen, denn dann wären es keine Dilemmata. Es nützt Ihnen dann nichts mehr, zu strukturieren und Ihre Modelle zu verfeinern. Das führt Sie eher noch viel tiefer ins Dilemma. Sie kennen das Problem schließlich in allen Facetten, aber Sie bleiben gefangen in seinem Teufelskreis. Den müssen Sie aufbrechen und verlassen, wenn Sie ein Dilemma lösen wollen.

Da hilft nur ein Wechsel der Perspektive und des Bezugsrahmens (Reframing). Das heißt: Ein neues Entscheidungsmodell muss her. Eine Lösungsmöglichkeit wäre ein Wechsel vom Problemrahmen zum Zielrahmen. Bezogen auf Buridans Esel würde das bedeuten: Weg von »Welchen Haufen soll ich wählen?« hin zu »Überleben oder nicht?« Oder: Hätte Buridans Esel sich nicht zwischen die Heuhaufen, sondern außen neben einen der Haufen gestellt und sich vorgenommen, den erstbesten Haufen zu fressen, wäre er wohl nicht verhungert. Er hätte sich in die Lage seines Magens versetzen können, der ja die Heuhaufen nicht sehen kann und dem es völlig egal ist, welcher Heuhaufen gefressen wird. Mannigfaltige Lösungsmöglichkeiten – wenn man nur kreativ wird.

In jedem Fall sollten Sie mit Varianten spielen. Spiel ist ein hervorragendes Lerntool. Nicht umsonst ist trial and error ein bewährtes Gestaltungsinstrument der belebten Natur. Es hebt feste Muster auf und kreiert neue Möglichkeiten. Lassen Sie also keine Denkverbote und keine Tabus zu, lassen Sie Ihre Fantasie schweifen.

Ein interessantes Entscheidungsmodell ist das aus der systemischen Strukturaufstellung stammende Tetralemma (Kibéd und Sparrer 2009). Die verschiedenen Entscheidungspositionen bekommen entsprechende Positionen im Raum (siehe Abbildung 17). Dabei wird das Dilemma (A oder B) um drei Positionen erweitert. Die dritte Position stellt das Dilemma dadurch infrage, dass sie A und B gemeinsam zulässt (beides). Die vierte negiert A und B (keines) und die fünfte Position stellt alle anderen Positionen infrage (weder das eine noch das andere). Die Entscheidung wird damit auf eine höhere Ebene verschoben, bei der sich der Betrachtungsrahmen ändert. Hier ist alles erlaubt: Sie können die anderen Positionen verschieben, einzelne entfernen. Wichtig ist auch hier wieder die Imagination der jeweiligen Zustände mit allen sinnlichen Modalitäten . Dieses Verfahren lässt sich auch im Rahmen eines Teamcoachings hervorragend einsetzen.

Verlieren Sie aber niemals die Zielperspektive. Egal, wofür Sie sich entscheiden: Prüfen Sie, ob das Ziel noch stimmt. Entscheidungen ohne Zielperspektive sind etwa so wie Fliegen ohne Flugschein: Man hebt ab und kommt auch irgendwie und irgendwo wieder runter, nur riskiert man eine Bruchlandung. Klar ist aber auch, dass echte Entscheidungen immer mit Unsicherheiten behaftet sind. Ohne erfahrungsgesteuerte, emotionale Bewertungsmuster würde uns das paralysieren. Wir wären schlicht nicht entscheidungsfähig. Um das zu vermeiden, müssen wir unser Gehirn füttern: Nicht nur mit Informationen, sondern vor allem mit konkreten Wahrnehmungen. Dazu müssen wir imaginäre Modelle bauen, eine möglichst genaue Vorstellung davon entwickeln, wohin wir kämen, wenn wir gingen. Nur so können wir zu kongruenten Entscheidungen kommen. Kongruent sind sie dann, wenn unsere Vernunft und unser Bauchgefühl zum gleichen Ergebnis kommen. Denn nur dann erscheinen sie uns als gut.

Mut zu Entscheidungen!

Was können Sie nun von alldem für Entscheidungssituationen mitnehmen? Fassen wir einmal zusammen:

  • Entscheidungen sind Voraussetzung für Veränderungsprozesse. Nur durch Entscheidungen produzieren Sie neue Realitäten. Wer verändern will, muss entscheiden. Entscheidungen reduzieren durch Festlegungen Komplexität.

  • Sie erhöhen damit Ihr psychisches Gleichgewicht. Entscheidungen sind immer unsicher, sonst gäbe es nichts zu entscheiden. Fassen Sie Mut! Entscheidungen benötigen Prämissen. Sie müssen Maßstäbe entwickeln, an denen

  • Sie Alternativen messen können. Werte, Haltungen und Ziele sind starke Prämissen. Um gut entscheiden zu können, müssen Sie Ihrem emotionalen Bewertungssystem Futter geben: sinnlich fassbare Imaginationen, reale Informationen oder Erfahrungen. Dilemmata lassen sich nur durch Perspektivenwechsel und Reframing lösen.

  • Stellen Sie gegebene Muster und Perspektiven infrage und entwickeln Sie spielerisch neue. Probieren Sie aus! Gehen Sie mit Entscheidungen spielerisch um. Trennen Sie sich von linearer Kausalistik (wenn – dann, entweder – oder) und selbstbeschränkenden Glaubenssätzen.

Entscheidungen sind immer kreative Prozesse mit hohem Lernpotenzial. Sie benötigen dazu Ihren Verstand ebenso wie Ihre emotionalen Kompetenzen. Und Sie benötigen einen starken freien Willen. Lassen Sie sich den nicht ausreden, auch von Neurobiologen nicht.

Kompakt: Auch wenn unser Verhalten zum großen Teil von unbewussten Prozessen dominiert wird, haben wir mit unserem Reflexionsvermögen ein Korrektiv, das uns den freien Willen bewahrt. Echte Entscheidungen sind immer durch Unsicherheit, Risiko oder ein Dilemma gekennzeichnet. Unser implizites Erfahrungswissen, das sich in Form von Gefühlen äußert, liefert uns eine unentbehrliche Entscheidungshilfe in komplexen Situationen. Es führt aber nicht immer zu guten Entscheidungen. Wenn wir bewusst entscheiden, sollten wir zum einen ausreichend Informationen verfügbar haben, aber deren Komplexität so weit reduzieren, dass wir noch den Überblick behalten können. Werte und Ziele sind starke Maßstäbe für gute Entscheidungen. Wir sollten das Ergebnis einer Entscheidung imaginieren können. In schwierigen Situationen hilft meist ein Wechsel der Betrachtungsperspektive oder eine Neubewertung der Situation (Reframing).

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