Kreativwashing – wenn ein Bild viel weniger als tausend Worte sagt

Strategiebilder und Graphic-Recording sind die Eye-Catcher schlechthin. Doch nüchtern betrachtet ist es mehr Schein als wirklicher Nutzen. Denn anstatt wirkliche Informationen zu liefern, Inhalte begreifbar zu machen, sind sie oftmals reines Kreativwasching: Sie sollen Unternehmen den Anstrich von agil, kreativ und innovativ geben. Eine gelungene Illusion, die Modernität, Attraktivität verspricht und besonders sinnsuchende junge Mitarbeiter anziehen soll. Ein bunter Kreativanstrich – viel mehr ist es nicht.

Genauso, wie „Green“ zu sein, wollen viele Unternehmen heute ebenfalls agil, kreativ und innovativ wirken. Das verspricht Modernität, Attraktivität und zieht besonders sinnsuchende junge Mitarbeiter an.

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Innovative Kreativität in Unternehmen zweifelsohne ein wettbewerbsentscheidender Punkt– aber nur, wenn diese Haltung gelebt wird und doch nicht nur ein Marketinghype ist. 

Visualisierungen stellen Informationen einprägsam und kreativ dar

So ist es nicht verwunderlich, dass bei immer mehr Veranstaltungen Visionen, Ideen oder Strategien in gesketchten Visualisierungen entwickeln und festzuhalten werden. Visuelles Storytelling berührt mehr als trockene Zahlen, Daten und Fakten. Visualisierungen sind der emotionale Türöffner für den Intellekt. Deshalb werden diese  inspirierende Bilder gerne angeschaut, bewundert und geteilt. Der Aufmerksamkeitsfaktor ist viel größer, als bei üblichen Powerpointslides. Diese Visualisierungen sind nicht nur ein Hingucker bei Veranstaltungen, sondern werden häufig als attraktive Abbildungen in Dokumentationen oder für die Social Media Auftritte genutzt.

Wo setzt nun die Kritik an?

Künstlerische Qualität vs. gehaltvoller Inhalt

Die künstlerisch-ästhetische Qualität dieser Visualisierungen ist über die letzten Jahre immer professioneller geworden. Kein Wunder, denn inzwischen haben immer mehr professionelle Illustratoren, Graphiker und Zeichner diesen Markt zum Geldverdienen entdeckt. 

Doch hohes künstlerisches Niveau ist eigentlich nicht, worauf es beim Notieren und Zusammenfassen mit dem Stift geht. Sketches sind sichtbar gemachte Gedanken, sind clevere, merkWÜRDIGE Zusammenfassungen. Also kommt es auf die Qualität der Gedanken an. Auf die Fähigkeit, das Gehörte zu verstehen, zu interpretieren und intelligent auf den Punkt zu bringen. 

Je mehr Fachkenntnis der/die VisualisiererIn zu dem jeweiligen Thema einbringen kann, je wacher sein Geist ist, umso gehaltvoller wird die Visualisierung werden. Und hier liegt das Problem und die Kritik: Diese Fachkenntnis, bringt ein hervorragender Kreativer nicht per se mit.

So könnte das Wandbild eines sketchenden Ingenieurs oder einer Personalverantwortlichen weitaus mehr Substanz haben, als das eines begnadeten Profi-Zeichners. Und deshalb ist der hübsche Augenschein eines Graphic Recording nicht das einzige Kriterium. Genausowenig, wie das glänzendes Geschenkpapier mit Goldschleife oder eine glänzend poliertes Karosserie. Es kommt darauf an, was unter der Haube steckt, was mit dem Geschenkpapier eingewickelt worden ist.

Visuelle Kommunikationskultur statt Konsumhaltung

Warum haben nicht mehr Unternehmen den Mut, statt dem üblichen Graphic Recording, die Teilnehmenden des Events an-den-Stift-zu-bringen. Aus Betrachtende Akteure zu machen. Und das nicht nur beim Event, wo nach dem Betrachten das Buffett lockt, sondern täglich am Arbeitsplatz.

Viele Unternehmen würden davon profitieren, wenn nicht nur das eindrucksvolle Wandbild der Profis im Fokus wäre, sondern die vielen kleinen Sketches im Geschäftsalltag. Denn gerade die Visualisierungen der Mitarbeiter und Führungskräfte helfen Gedanken zu entwickeln und zu teilen. Das Beuys’sche „Jeder ist Künstler“ würde zum „Jeder ist SketchnoterIn“. Und dann wird das eindrucksvolle professionelle Wandbild ein Teil der visuellen Kommunikationskultur des Unternehmens – und eine noch viel wertvollere Inspiration.

Ein zu hoher Anspruch hemmt – fangen Sie einfach an!

Das gilt nicht nur, wenn es um Visualisierungen geht. Zu exzellenten Ergebnissen schaut man bewundert auf. In dieser Das-kann-ich-nie-Haltung vergleicht man allzu schnell seine Anfänger-Ergebnisse mit den der Profis. Dass Könner in ihre Fähigkeit tausende Stunden investiert haben weiß man zwar, wird aber im Vergleichsfrust oft vergessen.

Das gute am Visualisieren, bzw. Sketchnoting lernen ist aber, dass es um Sprachenlernen geht und nicht um Kunstler zu werden. Visualisieren ist eine einfache Sprache, die Sie als Kind schon einmal perfekt konnten – bis Ihnen vielleicht im Kunstunterricht die Noten den Spaß verdorben haben, sich mit Zeichnungen und Bildern auszudrücken. 

Die Grundlagen, Gedanken visuell zu Papier zu bringen, kann man schon in wenigen Stunden lernen. Man wird schon nach wenigen Stunden Übung erleben, wie diese Skizzen nützlich sind.  Nicht nur in der Geschäftskommunikation! Fangen Sie das Visualisieren ganz einfach an, mit wenigen visuellen Worten. Und trauen Sie sich von Anfang an diese Sprache zu sprechen. USie werden schnell merken, dass dieser Elementarwortschatz Sie täglich weiterbringt. Also üben Sie weiter. Durch dieses Lernen-durch-Tun, sprechen können Sie sich bald fließend visuell ausdrücken. Und auch hier ist es wie bei einer Fremdsprache – manches fehlende Wort und witzige Umschreibungen für fehlende Worte sowie ein Akzent wirken besonders sympathisch. 

Vom Sprachenlernen wissen Sie auch, dass gezielte Übungen und Impulse zusätzlich zur täglichen Sprachpraxis nützlich sind. Lassen Sie sich inspirieren. Und wenn Sie etwas selber leidenschaftlich tun sind die Visualisierungen der Profis dann Ansporn.

Was spricht gegen eine kreativ-visuelle Kommunikationskultur in Ihrem Unternehmen?

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