Ist die Zukunft noch zeitgemäß?

Die Zeit rast davon, immer mehr lebt man in dem „Immer-erreichbar-sein-Modus“, kaum ein ruhiges Gespräch, keine Bahnreise, Schwimmbadbesuch oder Grillparty, ohne dass nicht immer mal wieder auf das I-Phone geschaut wird, ob eine E-Mail eingegangen ist. Die Angst etwas im Hier und Jetzt versäumt zu haben ist groß. Angst und Sorge scheint sowieso das wichtigste Wort in der Gegenwart geworden zu sein. Typisch deutsch könnte man jetzt wieder einwenden, doch wer macht den Einwand laut? Die, die nicht wollen, dass der Finger auf die Wunde gelegt wird? Oder diejenigen, die bestimmte Fakten nicht wahrhaben wollen? Die, die sich gerne von der Realität abwenden? Wer weiß? Merkwürdigerweise sind es verlässlich die gleichen, die gerne mal von Ursache und Wirkung sprechen, von Weitsicht und Zukunftsorientierung – allerdings in einer Form, die eine Kritik, Bestandsaufnahme, ein sich Besinnen oder Betrachten nicht vorsieht.

Es gibt Wichtigeres im Leben, als beständig dessen

Geschwindigkeit zu erhöhen. (Gandhi)

Nichtsdestotrotz halten wir die Welt für einen Moment an und üben Kritik: Es herrscht die Angst und Sorge vor Arbeitsplatzverlust, Armut, sozialem Abstieg, Geldverlust, Entfremdung, Vereinsamung, Terror, Krieg, Börsencrash, Kostenexplosionen und darüber, dass sich die berühmte soziale Schere weiter öffnet. Mittlerweile bekommen auch immer mehr Sorge darüber, ob Freiheit, Privatleben und Selbstbestimmung in Zukunft noch möglich sein werden.

Kann es sein, dass der Glaube an die Zukunft verlorengegangen ist, dass man das Gefühl hat, dass sie mit uns und unserem Leben gar nichts zu tun hat? Doch wann beginnt die Zukunft? Der Rest dieses Artikels liegt schon in der Zukunft und in drei Minuten, wenn er gelesen wurde, ist er schon wieder Vergangenheit. Morgen, in zwei Tagen, nächste Woche … ist Zukunft und wir gehören dazu, wir leben und erleben sie. Aber ist die Zukunft überhaupt noch zeitgemäß?

Wie denken wir über Morgen und Übermorgen? Was denken wir über die Zukunft, über unsere eigene und die unserer Kinder und Enkelkinder?

„Wir sind die Generation die die Straße baut,auf der die nächste Generation einmal gehen wird“, so soll es Konfuzius einmal formuliert haben. Dabei ist zu bemerken, dass wir, wenn wir älter sind, ebenfalls eine Weile mit auf dieser Straße gehen. Zukunft ist nicht erst in 50 Jahren, sondern Morgen, Übermorgen und im nächsten Jahr.

Deshalb ist es entscheidend, ob wir einen Plan haben, wie diese Straße aussehen soll. Die kritische Frage lautet: Passt das zu den Interessen und Bedürfnissen im Hier und Jetzt? Haben wir Lust daran zu denken, geschweige daran an einer solchen Straße mitzubauen? Haben wir in unserem von Terminen und Erfolgsjagd geprägten Tag überhaupt noch Platz und Zeit dafür? Ja ist die Zukunft wirklich noch zeitgemäß?

Die Zukunft von Früher

Noch vor 50 Jahren war es normal, dass man sich bewusst und mit viel Sorgfalt mit der Zukunft beschäftigte. Wissenschaftler, Erfinder und Unternehmen machten sich Gedanken über das Morgen, Übermorgen und sogar über das nächste Jahrzehnt. Die Automobilindustrie brachte zum Beispiel in Abständen von sechs Jahren neue Modelle heraus, weil sie gereift und durchdacht sein sollten, weil der Kunde die beste Qualität erhalten sollte. Und heute? Jedes Jahr ein neues Modell mit mind. einer neuen Innovation und nicht selten mit eingebauter Rückholaktion. Wie klingen da die Worte:

„Ich werde für kurzfristige Erfolge nicht meine langfristigen Ziele verkaufen“ (Werner von Siemens)

Wie wird heute eine solch wahre Begebenheiten wie die von Wilhelm Conrad Röntgen empfunden? Trotz genialer Erfindung verzichtete er auf eine Patentierung seines Experimentes, wodurch sein Röntgenapparat schneller Verbreitung fand. Auf Anfrage sagte er der AEG, er sei der Auffassung, „dass seine Erfindungen und Entdeckungen der Allgemeinheit gehören und nicht durch Patente, Lizenzverträge und dergleichen einzelnen Unternehmungen vorbehalten bleiben dürften“.

Kann man sich das heute noch vorstellen, in einer Zeit wo Marktanteil, Marketing und Gewinnmaximierung als Manifest des Globalen Markts gilt?

Apropos Globaler Markt: es vergeht kein Tag, in dem nicht in Zeitungen, Interviews und Talkshows dieser Begriff erwähnt und als die Herausforderung unserer Zeit benannt wird. Altbundeskanzler Helmut Schmidt bemerkte dazu, dass es den Globalen Markt schon immer gab. Er ist keine Errungenschaft der Moderne, schon die Hochkulturen der Ägypter, Griechen und Römer hatten einen Globalen Markt. Der Unterschied zu heute ist, dass er früher kleiner war und heute schneller ist. Also nichts Neues, nichts Außergewöhnliches, nichts fundamental Anderes – da ist also doch noch Platz für die Zukunft, mit all ihrer Verantwortung und Pflicht der nächsten Generation gegenüber.

Sind wir nicht alle ein bißchen….global

Wie auch immer man das bewerten will, eins ist Fakt, dass scheinbar alle am Globalen Markt und am Trend der Zeit teilhaben wollen – oder glauben zu müssen. Doch in Ruhe und mit Vernunft betrachtet kommt doch niemand auf die Idee, dass es klug sei, einfach unkontrolliert mit jeglichem Trend mitzulaufen. Das Risiko ist viel zu hoch die eigene Gesundheit, die Beziehung, Familie, Erholung, das Lebensglück aufs Spiel zu setzen und es wird gefährlich, wenn keiner mehr bemerkt, wann man eigentlich ausgebrannt und fremdbestimmt ist. Kaum ein Unternehmer kann ernsthaft Interesse an Mitarbeitern mit Burn-Out und psychosomathischen Erkrankungen haben. Doch wie oft – vielleicht unbewusst – rennt man im kollektiven JETZT-GILTS-WAHN mit und so werden für die Zukunft nicht immer die günstigsten Voraussetzungen geschaffen. Die Zukunft muss wieder zeitgemäß werden.

Zurück in die Zukunft

Zu jeder kritischen Betrachtung gehören auch die Sichtweisen für Chancen und Möglichkeiten und die gibt es in der Tat. Zunächst muss die Frage, ob die „Zukunft überhaupt zeitgemäß sein kann“ beantwortet sein. Ja sie kann, ist und muss es sein, denn heute wissen oder ahnen wir es bereits, es wird nicht besser, wenn alles so weitergeht! Schwarzmalerei? Was ist mit der Ölpest vor den USA? Was mit der Finanzkrise, den Kriegen und den Hungersnöten, etc. – Schwarzmalerei oder Realtität? Gibt es jemanden, der sagen kann: es wird in der Zukunft besser, wenn wir alles so weiter machen wie bisher? Sicher nicht und deshalb ist es an der Zeit die Chance zu ergreifen und einen bewussten Umgang mit der Zukunft zu pflegen.

Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.(Albert Einstein)

Wenn es so etwas wie ein Rezept gibt, um die Zukunft wieder zeitgemäß zu machen, dann ist es das richtige und zeitgemäße „FRAGEN“ können. Rezept ist deshalb ein guter Begriff, weil ein Rezept zwar ganz genau vorgibt, wann welche Zutaten in welcher Reihenfolge und Menge beigemengt werden sollen, aber der/die pfiffige Koch/Köchin in der Regel die eine oder andere Änderung vornimmt, um dem Gericht eine persönliche Note zu geben.

So kann das Grundrezept heißen: hinterfragen und prüfen, Bewährtes bewahren und Nichtbewährtes korrigieren, verändern oder sogar eliminieren. Nun kann man leicht hergehen und mal wieder alles den Mächtigen, Reichen und Regierenden zuschieben – sie hinterfragen, in Frage stellen und anmahnen. Viel spannender ist es doch selbst Verantwortung zu übernehmen. Daraus ergibt sich die Chance selbst etwas beizutragen, etwas zu bewegen und den Erfolg in vielen kleinen Schritten zu genießen.

Was ist zu befragen? Vieles, was in dem Artikel schon in Frage gestellt wurde, kann man also genauso benutzen, um daraus Möglichkeiten zu entwickeln – kurz, Fragen zu stellen.

 

  • Wann habe ich das letzte Mal ein Wochenende ohne Handy gehabt?
  • Wie sehr ist mir die Auswirkung meines Handelns bewusst?
  • Kann ich meine Routine erklären?
  • Welche Ideale habe ich (gehabt) und bin ich ihnen treu (geblieben)
  • Ist regelmäßiges Regenerieren nicht die Pflicht eines Mitarbeiters?
  • Was habe ich schon alles versäumt – und hat es mich unglücklich gemacht?
  • Was passiert mit mir/uns, erleichtert es wirklich die Zukunft?
  • … und tausend andere mögliche Fragen

Ein STOP für die Zukunft?

Liest man ein Rezept in einem Kochbuch, steht sehr häufig auch dabei, zu welchem Anlass die eine oder andere Speise besonders gut passt, z.B. der Putensalat für warme Sommernächte. So kann man das auch mit den Fragen zur und für die Zukunft handhaben und der beste Anlass für diese Speisen sind – der Alltag, ob Beruf oder privat.

Es passiert täglich hundertfach: der Mensch nimmt etwas wahr, interpretiert und bewertet es, voraus eine Handlung oder ein Verhalten resultiert.

  • Wahrnehmung
  • Interpretation/Bewertung
  • Handlung/Verhalten

Dies geschieht zum größten Teil aus Routine bzw. unbewusst, was auch gut ist, denn nur so ist der Alltag zu bewältigen. Doch Routine ist nur dann eine Hilfe, wenn diese auch bewusst erklärt werden kann, also die Frage nach: „Was mache ich hier genau?“ beantwortet wird. Das ist die Chance für ein STOP, ein Innehalten, ein Sich-bewusst-werden, ein Überprüfen, neu ordnen und wenn notwendig sich von einer Routinehandlung auch mal trennen.

  • Wahrnehmung
  •  STOP = INNEHALTEN/BEWUSST WERDEN
  •  Interpretation/Bewertung
  •  Handlung/Verhalten

Wenn jeder schon in seinem Alltag mit einem STOP beginnen würde, wäre einiges erreicht. Wenn Unternehmen, Gruppen, Parteien, ja die Gesellschaft an sich, öfter das Tempo rausnehmen würden und Mut zu einer STOP-Kultur zeigen könnte – dann wäre das ein STOP für unsere und unserer Kinder und Enkelkinder ZUKUNFT

  • STOP ist das wirklich so, wie es scheint?
  • STOP woher wissen wir das?
  • STOP wer sagt uns das und mit welchem Motiv?
  • STOP was bedeutet das für die Natur, Menschheit und Zukunft?
  • STOP wie sind die Auswirkungen auf andere – zum Vor- oder Nachteil?
  • STOP müssen wirklich so viele Menschen hungern?
  • STOP ist so manche Idee nicht Feind der nächsten Generation?
  • usw.

Es gehört oft mehr Mut dazu, seine Meinung zu ändern, als ihr treu zu bleiben. (Friedrich Hebbel)

So wie einst Martin Luther King seine Vorstellung über die Zukunft beschrieben hat, so soll es einmal klingen, wenn unsere Kinder und Kindeskinder über uns sagen werden:

Diese Generation hat eine Straße gebaut, die uns heute ein lebenswertes Leben schenkt und auf der es sich lohnt zu gehen, weil sie voller Hoffnungen und Chancen ist. Diese Straße konnte von unseren Vätern und Müttern gebaut werden, weil sie sich der Verantwortung uns gegenüber bewusst waren, weil sie nicht tatenlos zugeschaut haben, wie sich eine Gesellschaft spaltet, sie haben nicht zugelassen, dass der Aktionismus die Vernunft und Verantwortung verdrängt, sie haben zur rechten Zeit STOP gesagt, innegehalten, geprüft, korrigiert, verändert und die Nachhaltigkeit als Maßstab angelegt. Sie haben innegehalten und in die Vergangenheit geschaut und gelernt, was schon vor ihrer Zeit als Weisheit galt: Alles ist erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist erlaubt, aber nicht alles baut auf. Niemand suche das Seine, sondern was dem anderen dient. (1.Korinther 10,23)

Aus diesem Wissen haben sie Regeln und Normen für Denken, Fühlen und Handeln entworfen nach dem Prinzp:

„Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als

Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.“ (Kant)

Fazit

Einmal Stop sagen, innehalten und bewusst Entscheidungen für sich und andere treffen können, ist ein kleiner Schritt für einen selbst und ein großer für die Zukunft, sie ist nämlich auch immer unsere gemeinsame. Die Zukunft ist ein hohes Gut, denn sie kann Chance, Hoffnung und Perspektive geben und dass ist von Vorteil, denn so kann es für das JETZT Antrieb, Motivation und Entschlossenheit hervorrufen. Deshalb ist die Zukunft auch zeitgemäß und soll es auch bleiben. O.G.

 

 

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