Guter Rat ohne Argumente! Wie Sie Ihr Bauchgefühl tranieren

Ihr Gesprächspartner ist auf einem ganz anderen Gleis unterwegs als Sie erwartet haben? Sie haben keine Erklärung dafür? Dann ist der Moment gekommen – selbst für den eingefleischten Analytiker – sich seinem Bauchvotum bewusst zu machen. Doch dem Bauchfgefühl zu trauen, fällt uns meist nicht leicht. Denn um ihm zu folgen fehlen die rationalen Argumente. Dennoch ist das Bauchgefühl kein schlechter Ratgeber und es lässt sich trainieren …

Die Tatsache allein, dass Sie grundsätzlich ein Bauchgefühl haben, heißt noch nicht, dass Sie es wahrnehmen und bewusst einsetzen können. Um dahin zu kommen, braucht es ein Stück weit Training. Dieses Training gliedert sich in vier Bausteine, die Sie – einen nach dem anderen – immer wieder bewusst üben können, und zwar indem Sie lernen:

  • Ihr Bauchgefühl mit den richtigen Informationen zu versorgen,

  • Ihr Bauchgefühl wahr- und ernst zu nehmen,

  • Ihr Bauchgefühl zu hinterfragen undIhr Bauchgefühl auch umzusetzen.

Legen Sie die Scheuklappen weg

Ihr Gegenüber bietet Ihnen vor und während des Gesprächs jede Menge Informationen an. Wenn Sie im Kopf ausschließlich auf die sachliche Argumentation fokussiert sind, dann entgehen Ihnen diese Signale. Sie entziehen damit Ihrem Bauchgefühl wichtigen Input, den es braucht, um Ihnen guten Rat zu geben.

Der erste Baustein beim Training Ihres Bauchgefühls ist deshalb, dass Sie Ihre Scheuklappen bewusst ablegen. Das heißt: Lassen Sie bewusst solche Eindrücke zu. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf das, was Ihnen Ihr Gesprächspartner über seine Worte hinaus mitteilt.

Folgende Fragen können Ihnen helfen, in Übung zu kommen:

  • Wie wirkt Ihr Gegenüber? Entspannt oder eher genervt, überzeugt oder skeptisch?

  • Wie ist seine Körpersprache?

  • Wie reagiert er auf Ihre Kommunikation? Beobachten Sie, wie Ihre Worte bei ihm ankommen.

  •  Was scheint ihn zu öffnen, wo macht er eher zu?Geht es in Ihrem Gespräch wirklich um das Thema, um das sich die Worte drehen? Oder steht da etwas ganz anderes stumm und doch unüberhörbar im Raum?

  • Wie fühlen Sie sich in der Situation? Stehen Sie total verkrampft da und beißen die Zähne aufeinander? Oder sind Sie locker und fühlen sich wohl?

  • Wie ist die Atmosphäre im Raum?

  • Ist die Luft zum Schneiden dick oder wird auch mal gelacht?

Stellen Sie sich diese und noch mehr Fragen in jedem Gespräch, das Sie führen – ganz einfach, damit es Ihnen in Fleisch und Blut übergeht. Mit der Zeit werden Sie sich nicht mehr so darauf konzentrieren müssen, all diese Informationen zu registrieren. Es geschieht ganz nebenbei.

Lauschen Sie!

Genauso wie Sie sich – wenn Sie noch ungeübt sind – darauf konzentrieren, die nötigen Informationen wahrzunehmen, müssen Sie sich bewusst darauf konzentrieren, Ihr Bauchgefühl kognitiv zu bemerken. Gerade wenn Sie es jahrelang möglichst vermieden haben, sich davon »verunsichern« zu lassen.

Deshalb: Nehmen Sie Ihr Bauchgefühl wahr! Konditionieren Sie sich selbst darauf, in jeder Situation, in der Sie vor einer Entscheidung stehen, für die Ihr Kopf kein hundertprozentig klares Urteil bereit hält, aktiv nach innen zu hören. Ich sage nicht, dass Sie dieser inneren Stimme immer folgen müssen. Zu der kritischen Überprüfung komme ich gleich noch. Kennen sollten Sie das Votum des Bauchgefühls auf jeden Fall.

Und noch etwas: Nehmen Sie Ihr Bauchgefühl ernst. Ihr Gegenüber tut das vielleicht ebenfalls.

Thomas ist unzufrieden in seinem Job. Seine drei Kollegen sind weder leistungsstark noch -willig. Sie haben gefühlt ihre Hängematten im Büro aufgehängt und die ganze Arbeit bleibt hauptsächlich an ihm hängen. Deshalb spricht er bei seinem Chef vor:

Thomas: »Die drei gefährden den Erfolg der gesamten Abteilung. Lange halte ich das nicht mehr durch.«

Chef: »Ich weiß ja, dass du recht hast. Aber was soll ich machen? Die sind unkündbar. Und wo sollte ich denn Ersatz herbekommen: Der Arbeitsmarkt ist leergefegt. Aber wenn es dich beruhigt: Ich rede mal mit denen und mache ihnen klar, dass das so nicht weitergeht. Einverstanden?«

Thomas nickt und verlässt das Büro. Er lauscht in sich hinein und sein Bauchgefühl sagt: »Der wird noch nicht einmal das Gespräch suchen, weil er eh schon aufgegeben hat. Such dir einen neuen Job.«

Der Chef sitzt in seinem Büro und vernimmt ein dünnes, inneres Stimmchen: »Der Thomas wird nicht mehr lang da sein. Besser du schaust dich schon mal nach Ersatz um.«

»So ein Blödsinn, was ich mir da zusammenfantasiere!«, antwortet sich der Chef selbst und mit fester Stimme. »Wo soll er schon hin? Hier am Ort gibt es keine andere Stelle für ihn und pendeln wird er nicht wollen. Dann bleibt er doch lieber hier und murrt halt ein bisschen. Ich glaube, ich schenke mir auch das Gespräch mit den drei Faulpelzen: Die ändern sich eh nicht mehr.«

Zwei Monate später sitzt der Chef mit Thomas’ Kündigung in der Hand in seinem Büro und rauft sich die Haare: »Verdammt, wieso habe ich nicht auf meinen Bauch gehört?«

Mein Tipp: Überlegen Sie nicht nur, was Ihr Bauchgefühl sagt, sondern schreiben Sie es auf. Damit zwingen Sie sich dazu, Ihr Gefühl wirklich in Worte zu kleiden und es auf diese Weise greifbar zu machen. Machen Sie sich dieses Notieren so lange zur Gewohnheit, bis Sie merken, dass Ihnen die »Übersetzung« des Gefühls in Worte ganz leicht von der Hand geht. Das Ausformulieren hat noch einen weiteren Vorteil: Es erleichtert es Ihnen, Ihr Bauchgefühl zu hinterfragen.

Was will es mir sagen?

Das Bauchgefühl liefert Ihnen keine Fakten, sondern es ist eben ein Gefühl, das Sie selbst prüfen und bewerten müssen. Es lässt sich an keinen objektiven Maßstäben messen und ist allein aus diesem Grund rational gepolten Menschen mit wenig Selbstvertrauen suspekt.

Üben Sie deshalb auch, die Intuition, die Sie wahrnehmen, zu prüfen. Denn wie gesagt können im Bauchgefühl neben Erfahrungen auch Emotionen mitschwingen, die gar nicht zur aktuellen Situation passen. Um diese Differenzierung zu leisten, darf und soll Ihr analytischer Verstand wieder ran: Besehen Sie sich dieses Gefühl genau. Worauf gründet es? Gibt es Anteile, die bei der Bewertung nichts zu suchen haben, wie alte Ängste und Befürchtungen, rosarote Illusionen oder Vorurteile? Halten Sie Ihr Gegenüber nur deshalb für seriös, weil er perfekt gekleidet ist? Oder trauen Sie der Blondine nur deshalb nichts zu, weil die Haarfarbe Sie zu einem negativen Urteil verleitet?

Ziehen Sie diese Einflüsse ab und schauen Sie noch mal hin: Was bleibt übrig? Deutet Ihr innerer Zeiger immer noch beharrlich in eine Richtung? Dann ist da wohl was dran und Sie können es in Ihre Entscheidung einbeziehen.

Wenn Sie ganz sichergehen möchten, ob Ihr Bauchgefühl stimmt, dann eröffnen sich oft im Gespräch Möglichkeiten dafür. Wenn es die Beziehung zu Ihrem Gegenüber hergibt, dann können Sie durchaus direkt fragen: »Ich habe das Gefühl, dass Sie eine wichtige Information noch unerwähnt gelassen haben. Kann das sein?« Dann hat Ihr Gegenüber die Gelegenheit, Ihnen zu sagen, worum sich die Unterhaltung eigentlich dreht.

Sie können aber auch subtiler vorgehen und sich zum Beispiel vorsichtig zu dem heißen Eisen vortasten, das Sie vermuten: »Ich nehme an, dass Sie an die Kosten denken müssen …« So rollen Sie Ihrem Gesprächspartner einen roten Teppich zu dem heiklen Thema aus, von dem der bisher nicht wusste, wie er es ansprechen soll.

Prüfen Sie also bewusst erst für sich und dann auch in der Kommunikation mit Ihrem Gegenüber, ob und in welche Richtung Sie Ihr Bauchgefühl deuten können. Wie bei den anderen Bausteinen ist das eine Sache, für die ein bisschen Training nötig ist: Schließlich ist es im Gespräch schwer, den Partner zu bitten, sich doch eine halbe Stunde zu gedulden, bis Sie fertig überlegt haben, was Sie antworten wollen. Fangen Sie deshalb im Kleinen an: in alltäglichen Gesprächen, in wenig konfliktträchtigen Situationen. Sie steigern so im Trainingsbetrieb Ihre Geschwindigkeit und können immer schneller auch in schwierigeren Situationen Ihr Bauchgefühl abklopfen.

Schärfen Sie Ihr Bauchgefühl durch Reflexion

Der letzte Baustein in Ihrem Bauchgefühl-Training ist, dass Sie Ihr Bauchgefühl nicht nur bewusst einsetzen, sondern sofort auch wieder auf Empfang schalten: Wie reagiert Ihr Gesprächspartner darauf, was Sie intuitiv als nächsten Schritt gewählt haben? Scheint das Ihr Bauchgefühl zu bestätigen oder nicht?

Und reflektieren Sie diesen Ablauf nicht nur im Kleinen Schritt für Schritt, sondern auch in der Rückschau für das gesamte Gespräch: Wo hat Ihr Bauchgefühl ins Schwarze getroffen? Wo lag es daneben? Haben Sie sich von eigenen Vorurteilen in eine falsche Richtung lenken lassen? Welche waren das? Inwieweit sollten Sie sie für das nächste Mal korrigieren?

Allein dass Sie darüber nachdenken, gibt Ihrem Bauchgefühl die Möglichkeit, sich selbst nachzuschärfen.

Doch auch hier gilt: Schicken Sie sich anfangs bewusst in dieses Training. Beobachten und reflektieren Sie ganz gezielt noch im Gespräch die Reaktion auf Ihr intuitives Handeln. Nehmen Sie sich hinterher die Zeit, über das Gespräch nachzudenken. Was hat funktioniert und was nicht? Bitte seien Sie in diesem Punkt offen und ehrlich mit sich. Schreiben Sie sich Ihre Gedanken dazu ruhig auf, denn das hilft Ihnen, konzentriert bei der Reflexion zu bleiben.

Durch die ständige Übung fällt Ihnen mit der Zeit sowohl die Ad-hoc-Reflexion als auch die Reflexion in der Rückschau immer leichter. Sie wird Ihnen sogar zur Gewohnheit. Und das ist das eigentliche Ziel, denn dann perfektionieren Sie Ihr Bauchgefühl: beim Wahrnehmen, beim Formulieren, bei der Differenzierung und auch darin, wie Sie Ihre intuitiven Optionen umsetzen können.

Merke! Das Bauchgefühl eröffnet Ihnen über die Ratio hinaus Handlungsoptionen. Bauchgefühl hat jeder, doch nur der, der es wahrnimmt und bewusst nutzt, genießt den Vorteil. Dennoch sollten Sie Ihr Bauchgefühl hinterfragen. Intuition können Sie üben, indem Sie Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Bauchgefühl reflektieren und schärfen.

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