Geheimtipps gegen das Post-Holiday-Syndrom

Hatten Sie einen schönen Urlaub? Weicht die mühsam antrainierte Urlaubsfrische langsam dem Büroblues? Dann haben Sie das Post-Holiday-Syndrom. Und damit sind Sie nicht allein. Der Psychologe Dr. Martin Morgenstern zeigt Ihnen, wie Sie Ihre Urlaubsfrische konservieren und sukzessive abrufen … Dann haben Sie mehr von Ihrem Urlaub. Das haben Sie sich verdient!

Neuere Studien zeigen, dass bei immer mehr Menschen die Erholung eines Urlaubs bereits nach weniger als einer Woche verflogen ist. Weg ist das Gefühl des Nicht-gehetzt-seins und des Durchatmen-könnens. Doch warum ist das so und was können wir dagegen machen? Wie gelingt es uns die Urlaubserholung zu konservieren und sukzessive abzurufen? Antworten liefert der Psychologe Dr. Martin Christian Morgenstern.

Warum das so ist, hat ganz einfache Gründe. Das menschliche Gehirn reagiert auf jede nicht kontrollierbare Situation oder Person mit Stress, sobald man etwas verlieren könnte. Zeitdruck oder zu viele Aufgaben zum Beispiel sagen dem Gehirn, das ein Verlust oder Ärger droht. Daraufhin wird sofort eine Stressreaktion ausgelöst, als laufe ein hungriger Grizzlybär hinter einem her. Gleichzeitig werden die Gehirn-Areale für Denken abgeschaltet. So kocht man dann im Stress hoch und wird gleichzeitig auch noch ineffektiver.

Der Grund dafür liegt in unserer evolutionären Vergangenheit. Der Mensch ist zoologisch betrachtet nämlich ein Mitglied der Familie der großen Menschenaffen und hat sein letztes funktionales genetisches Update vor mehr als 40.000 Jahren erhalten. Deswegen ist auch der vermeidlich moderne Mensch eigentlich eher ein biologischer Oldtimer. Er ist auch heute immer noch gebaut, sich als Jäger und Sammler in einer rauen Natur zu behaupten. Und alles, was da nicht unter Kontrolle ist, kann ziemlich schnell den Tod bedeuten. Deswegen heißt es bei allem nicht kontrollierbaren, wie zum Beispiel der Begegnung mit Raubtieren oder krawalligen Menschen, sich entweder durch Weglaufen oder Bekämpfen körperlich zu retten.

Termindruck, Zeitmangel, Geldsorgen, Arbeitsverdichtung und Pausenmangel, das gibt es in der Natur in der Regel nicht. Das alte Stressprogramm des Menschen macht bei unkontrollierbaren Situationen oder Personen heute deswegen so einen Alarm, weil es jedes Mal denkt, ein Grizzly oder eine keulenschwingender Höhlenmensch sei hinter ihm her …

Kaum sind wir also aus unserem schönen „grizzlyfreien“ Urlaub zurück, da geht schon wieder die Post ab. Viele Aufgaben und Mails haben sich während unserer Abwesenheit angestaut. Ab dann flitzen die Stresshormone wieder durch Körper und Geist und saugen den liebevoll aufgeladenen Akku wieder leer. Warum der Akku so schnell wieder leer geht, hat auch einen Grund. Grundsätzlich ist der Mensch für Stress gebaut (schließlich wimmelt es in der puren Natur wie zum Beispiel in Afrika nur so von Gefahren von 0 bis 8 Beinen). Allerdings ist das mit dem Stress wie mit dem Benzinverbrauch bei Autos. Je mehr man aufs Gas tritt, desto höher ist der Verbrauch und um so schneller der Tank leer. Je mehr Stress wir also haben, desto schneller sind wir erschöpft. Aber auch wenn wir nur den motivierenden und verbrauchsarmen Stress entwickeln, ist irgendwann der Akku leer.

Dann brauchen wir eine Erholungspause. Je tiefer der Akku nun entladen ist, desto länger brauchen wir unsere Ruhe. Und da liegt bei den meisten Menschen das Problem im Alltag. Wer viel Stress hat, der hat meistens auch wenig Zeit zum Regenerieren. Wenn wir also nach dem Urlaub sofort wieder Vollgas geben und die dann nötigen längeren Regenerationszeiten nicht einhalten, dann ist der Akku schon in wenigen Tagen wieder leergesaugt. Denn der Akku kann genau wie ein Tank im Auto nicht mehr als voll gemacht werden. Und dann hält der menschliche Akku im vollen Ladezustand stets immer nur ein paar Tage, bevor er wieder an das Ladegerät muss.

Sollten Sie sich gerade hier wiederfinden, dann bekommen Sie jetzt schon einmal eine ganz wichtige Information. Sie verbrauchen mehr Energie als der Energiespeicher Ihres Körper zur Verfügung stellt. Normalerweise sollte ein Leben eine Balance zwischen Belastung (Stress) und Erholung bieten. Natürlich gibt es immer Phasen wie Kinder, Hausbau, Jobwechsel, Projekte etc., die an den Kräften zehren. Das aber sollte die Ausnahme sein, nicht die Regel. Ansonsten wird es auf die eine oder andere Weise ungesund.

Stellen Sie sich dazu einmal vor, wir hetzten einen Schimpansen und ließen ihn kaum zur Ruhe kommen. Es würde sicherlich niemanden wundern, wenn der Affe irgendwann krank werden würde. Genau so ist das bei uns Menschen(affen) auch. Dauerstress belastet das Herz-Kreislauf-System enorm. Bluthochdruck und Herzinfarkte sind Krankheitsbilder, die daraus resultieren können. Das Verdauungssystem wird auch gestört, weil Verdauen eigentlich in der Ruhephase stattfinden soll. Nur wenn es kaum Ruhephasen gibt?! Magengeschwüre und Co. lassen grüßen.

Auch müssen Sie unbedingt wissen, dass sich unter Stress die Körperzellen nicht gerne erneuern. Aber genau dass müssen sie regelmäßig. Denken Sie in dem Zusammenhang mal an Hautschüppchen. Aber nicht nur die Haut erneuert sich permanent. Auch die Zellen der Organe tun dies und das ziemlich emsig. Und wenn wir uns im Dauerstress befinden, werden die Zellen immer weniger erneuert und damit anfällig für diverse Krankheiten. Daneben wird das Immunsystem durch Dauerstress immer schwächer und bietet Erregern aller Couleur täglich mehr Spielraum. Auch kann es sein, dass der Körper irgendwann so erschöpft ist, dass er depressiv zusammenbricht. Er ist dann ausgebrannt, man spricht dann von Burn-out.

Zeit, dass wir uns den Lösungen zuwenden!

Stress gehört zu jedem Leben dazu. Viel Stress kostet einfach viel Kraft und fordert deshalb auch viel Erholung. Weil die meisten Menschen aber nicht alle zwei Wochen in Urlaub fahren können, sollte man versuchen den Urlaub in jeden Tag zu integrieren. Bereits wenige Minuten abzuschalten, tankt den Akku wunderbar auf und verhindert die Tiefenentladung. Ein idealer Zeitpunkt dafür ist, wenn wir sowieso müde sind. Das ist in der Regel natürlicherweise ungefähr alle vier Stunden der Fall. Auch nach dem Mittagessen, wenn der Körper alle Energie in die Verdauung investiert, ist ein guter Zeitpunkt für einen Kurzurlaub.
Es gibt viele verschiedene Techniken, um abzuschalten und Kraft zu tanken. Ich werde Ihnen im Folgenden drei Techniken vorstellen, die ich persönlich für besonders gut halte.

Einen Baum pflanzen

Machen Sie es sich für diese Technik an einem beliebigen Ort bequem und reservieren Sie sich ein Zeitfenster von fünf bis zehn Minuten. Wenn Sie danach terminlich eng sind, stellen Sie sich einen Wecker, denn manchmal schläft man dabei auch gerne ein.

Haben Sie dabei nicht den Anspruch, dass der Ort völlig ruhig ist. Das gibt es meistens nur auf Friedhöfen. Die Kunst ist, unter auch nicht optimalen Bedingungen abschalten zu lernen.

Schließen Sie nun Ihre Augen und stellen sich vor, Sie drücken ein Samenkorn in den Boden. Nun stellen Sie sich in Ihrer Phantasie vor, wie aus dem Samenkorn ein kleiner Stamm aus dem Boden erwächst. Jetzt nehmen Sie alle Wahrnehmungen und Gedanken, die Ihnen gerade durch den Kopf gehen, und lassen Sie mit ihnen den Baumstamm immer dicker und größer werden.

Wenn der Stamm durch Gedanken und Wahrnehmungen genährt, richtig groß und stark geworden ist, dann lassen Sie in der Baumkrone schöne grüne Blätter wachsen. Jetzt dürfen Sie Ihren Baum ein wenig bestaunen!

Was ist das für ein Baum? Wie sieht der Stamm genau aus? Wie sehen die Blätter genau aus? Wie sieht der Boden unter den Füßen aus? Wie sieht es in der Umgebung aus? Ihre Umgebung kann ja zum Beispiel einem Lieblingsort aus einem Urlaub ähneln …

Vielleicht können Sie ja auch noch Geräusche wahrnehmen? Vielleicht spüren Sie etwas Wind oder Sonne auf Ihrer Haut, oder Gerüche?

Je mehr Sie sich nun in der Welt versenken, desto entspannter werden Sie. Sie schöpfen neue Kraft und tanken Erholung. Mit dem Wecker oder dem natürlichen Öffnen der Augen beenden Sie dann Ihren Kurzurlaub. Aber Sie wissen, dass Sie ab jetzt jederzeit hier hin wieder zurückkehren können.

Die Schritte in Kurzform:

  • Tageszeitpunkt leichter Müdigkeit wählen
  • Zeitfenster von fünf bis zehn Minuten nehmen und eventuell Wecker stellen
  • Augen schließen
  • In der Phantasie Samenkorn in den Boden drücken
  • Baumstamm wachsen lassen und alle Gedanken und Wahrnehmungen dort reindrücken
  • Blätter wachsen lassen
  • Umgebung entstehen lassen
  • Weitere Eindrücke wie Geräusche, Wahrnehmungen oder Gerüche suchen

Die kleine Atempause

Nehmen Sie sich dazu ein Zeitfenster von rund fünf Minuten und stellen Sie ruhig einen Wecker dazu ein. Machen Sie es sich gemütlich. Wenn Sie wollen, können Sie auch noch etwas Musik oder andere stimmungsfördernde  Mittel einsetzen. Dann konzentrieren Sie sich zu Beginn nur auf das Einatmen durch die Nase. Stellen Sie sich dabei einfach vor, sie atmen durch den Bauchnabel ein.

Dabei können Sie feststellen, wie sich Ihre Lungen von der Tiefe aus mit frischer Luft füllen und sich der Brustkorb immer mehr erweitert. Das Einatmen sollte ungefähr vier bis fünf Sekunden dauern. Anfänglich können Sie ruhig mit der inneren Stimme mitzählen.

Nach dem Einatmen lassen Sie einfach los und atmen langsam durch den leicht geschlossenen Mund aus.

Wenn Ihre Gedanken oder andere Wahrnehmungen wie Geräusche Ihre Aufmerksamkeit von der Atmung abziehen, ist das normal. Versuchen Sie, wenn Sie es merken, dann einfach wieder auf die Atmung – mit Schwerpunkt Einatmen – zurückzukehren.

Die Schritte in Kurzform:

  • Fünf Minuten Zeit nehmen und Wecker stellen
  • Bequem machen
  • Konzentration auf das Einatmen durch die Nase
  • In der Vorstellung wird durch den Bauchnabel eingeatmet
  • Beim Ausatmen einfach loslassen und durch den leicht geschlossen Mund ausatmen
  • Wenn die Gedanken abschweifen, einfach wieder auf das Einatmen konzentrieren

Das Abschaltritual

Körper und Geist entspannen in der Freizeit meist automatisch. Denn in der freien Zeit machen Menschen das, wonach ihnen ist. Ganz egal, ob Sie zum Beispiel Fernsehen gucken, ein Buch lesen, mit anderen Menschen sprechen, im Internet surfen, spazieren gehen oder Sport treiben. In Abhängigkeit zur Energie machen sie meist entweder herausfordernde oder eher entspannende Dinge.

Das alles funktioniert aber nur dann, wenn der unbewusste Teil des Gehirns sich gedanklich von der Arbeit verabschiedet. Der Geist nimmt aber nicht selten Arbeitsthemen mit nach Hause. Dann klappt das Abschalten nicht gut, weil die Gedanken an die Arbeit immer weiter Stress im Körper auslösen.

Um sich von belastenden Arbeitsgedanken zu lösen, bedarf es eines Rituals. Möglicherweise wenden Sie bereits schon eins mehr oder weniger bewusst an. Manche Menschen legen mit der Berufskleidung den Job ab, andere trinken erstmal eine Tasse Tee oder legen zehn Minuten die Füße hoch.

Eine Idee von mir für ein Ritual findet am Türschloss statt. Wenn Sie zu Hause ankommen und den Schlüssel ins Schloss stecken, atmen Sie einmal so langsam wie Sie können durch die Nase ein und so langsam wie es geht durch den leicht geschlossenen Mund wieder aus. Betreten Sie dann Ihre Wohnung, schenken sich selber ein freundliches Lächeln und sagen sich „Ich wünsche mir jetzt eine erholsame und schöne freie Zeit!“ Stellen Sie sich dabei vor, mit der Türschwelle eine Linie zu überqueren.

Eins ist noch wichtig! Wenn wir sehr gestresst nach Hause kommen, dann flitzen immer noch viele Stresshormone im Körper rum. Wenn sie jetzt versuchen würden in die Freizeit zu wechseln, würden sie wahrscheinlich trotzdem keine innere Ruhe finden. Ihr angetriebener Körper treibt jetzt weiter den Geist an. Meine Empfehlung wäre jetzt das zu tun, wofür Stresshormone da sind: Bewegung! Ob Sie jetzt körperlich im Haus oder Garten arbeiten, zügig spazieren gehen oder zum Sport, das bleibt Ihnen überlassen. Wichtig ist nur, dass Sie Ihre Stresshormone vor dem Abschalten verbrauchen!

Die Schritte im Einzelnen:

  • Beim Aufschließen so langsam wie es geht durch die Nase einatmen
  • So langsam wie es geht durch den leicht geschlossenen Mund ausatmen
  • Die Wohnung mit einem freundlichen Lächeln betreten und sich bei der Türschwelle vorstellen, eine Linie zu überqueren
  • Sich selbst ein erholsame und schöne freie Zeit wünschen
  • Stresshormone verbrauchen durch körperliche Aktionen und Bewegung
  • Alternativ ein anderes Ritual des Übergangs suchen und üben

Lieber Leser, ich hoffe es ist mir gelungen, Ihnen ein paar neue Ideen für Ihre Gelassenheit geben zu können. Natürlich führen alle Wege nach Rom und es gibt viele weitere tolle Tipps und Techniken. Wichtig für Sie noch zu wissen ist, dass wir gar nicht so viele Techniken brauchen. Lieber nur zwei bis drei Techniken, aber diese regelmäßig anwenden. Denn mit jeder Wiederholung gelingt eine Technik mit ihrem positiven Effekt immer leichter, bis sie dann fast automatisch läuft. Und das ist gerade in stressigen Zeiten so wichtig. Der römische Philosoph Seneca sagte dazu sehr schön: „Der wahre Steuermann zeigt sich im Sturm.“ In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Erfolg und Erkenntnisse auf Ihrem Weg zur Gelassenheit!

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