Erst am Ende kommt das Wort

Was ist Kommunikation überhaupt? Wenn ich diese Frage in Workshops stelle, kommen viele Antworten. Sprechen, schreiben, Körpersprache und Mimik sind meistens dabei. Die generische Antwort wäre: Kommunikation ist der Austausch von Information. Information kann nun in verschiedenen Formen daherkommen. Worte sind dabei nur Krücken – selten vermögen sie es, die Komplexität des Gedachten oder Gefühlten ausreichend abzubilden. Will ich eine Botschaft vollständig erfassen, brauche ich neben den Worten auch die Information aus Körpersprache, Mimik und Emotion!

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Dass es neben Worten für Kommunikation auch Emotion und Körper braucht, leuchtet ein, wenn man sich klarmacht, dass es den Homo sapiens zwar schon seit zweihunderttausend Jahren in der heutigen Form gibt, aber eine entwickelte Sprache erst seit circa dreißig- oder vierzigtausend Jahren. Bereits ohne Sprache haben unsere Vorfahren aber miteinander kommuniziert, und zwar erfolgreich. Neben Tönen gibt es in der Natur unzählige chemische und physikalische Wege der Kommunikation. Emotionen sind ein physikalischer Weg der Kommunikation.

Eines der bekanntesten Kommunikationsmodelle ist das Eisberg-Modell, wonach die wesentlichen Vorgänge von Kommunikation unterhalb der Oberfläche ablaufen. Unterhalb der Oberfläche bedeutet hier: unterhalb des Bewusstseins und damit auch der Sprache. Unterhalb der Wasseroberfläche finden sich Begriffe wie »Persönlichkeit« und die damit verbundenen Wünsche, Erfahrungen, Bedürfnisse, alles letztlich mündend in Emotion.

Der rote Faden dieses Buches, die Körperlogik-Kette, greift dies auf und bringt die unterhalb der dargestellten Wasseroberfläche liegenden, also unbewussten Elemente von Kommunikation in eine körperlogische Reihenfolge. Die Reihenfolge der Elemente leitet sich aus dem Tempo ab, mit dem diese aktiv werden. Das Basiselement der Kette ist die Persönlichkeit, mit der wir auf die Welt kommen, es folgen die Emotionen, unsere Handlungstreiberinnen, dann der Körper mit Körpertonus, Bewegungsmuster, Mimik und Gestik, gefolgt von der Atmung, die zusammen mit der muskulären Spannung die Stimme beeinflusst und am Ende dem Wort.

Daher mein Motto: Am Ende kommt das Wort, da ist eigentlich schon alles gesagt.

Biologik-Check: Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung

Der dänische Wissenschaftsautor Tor Nørretranders hat in seinem Buch »Spüre die Welt« versucht, die Kapazität der Informationsverarbeitung im Gehirn in Bits umzurechnen. Demnach schicken die Augen pro Sekunde zehn Millionen Bits an das Gehirn, die Haut etwa eine Million, die Ohren einhunderttausend, der Geruchssinn weitere einhunderttausend und der Geschmackssinn noch einmal tausend Bits – alles in allem mehr als elf Millionen Bits, die Sekunde für Sekunde in unserem Hirn eintreffen. Hirnforscher schätzen, dass uns davon weniger als 0,1 Prozent bewusst wird. Man hat auch versucht, den Arbeitsspeicher des bewussten Verstandes in Bits zu erfassen. Er erwies sich als erschreckend klein; maximal fünfzig Bits pro Sekunde. Beim Rechnen sinkt sie Zahl auf unter zwölf Bits pro Sekunde. Das heißt, der bewusste Verstand kommt im Vergleich zum Unbewussten nur mit minimalen Datenmengen klar. (Kast 2007)

Und nun kommt das Entscheidende: Wir drehen den Eisberg um und machen damit das bislang Unbewusste bewusst trainierbar und für Kommunikation nutzbar. Jetzt steht die Persönlichkeit oben beziehungsweise am Anfang. Je weiter vorn in der Kette du ansetzt, desto größer die Wirkung, denn der Rest der Elemente wird körper-logisch folgen. Du packst deine Fragen sozusagen an der Wurzel. Und das bedeutet, wenn du auf der Ebene Emotion eine Lösung findest, hast du die danach folgenden Elemente, wie zum Beispiel Gestik oder Wortwahl gleich mit gelöst. Es ist wie ein Dominostein, den du anstößt, der Rest der Steine fällt von selbst.

Die Körperlogik-Kette beginnt mit der Persönlichkeit eines Menschen. Um genau zu sein: dem angeborenen Teil der Persönlichkeit. Jede und jeder von uns wird einzigartig geboren – und doch gibt es Muster, die in verschiedenen Persönlichkeitsmodellen eingefangen worden sind. Deine Persönlichkeit, das ist, wie dort genauer beschrieben, dein ganz persönlicher Mix aus Emotionen, mit denen du an einem normalen Tag morgens startest. Jeder kennt das: Die einen haben gute Laune, auch wenn es draußen regnet, andere brauchen trotz Sonnenschein erst mal ein bisschen, bis sich ein Lächeln auf ihre Lippen verirrt. Die Persönlichkeit ist also schon da, bevor uns Impulse von außen beeinflussen.

Nun kommt ein Impuls von außen und damit geht das Spiel los. Das nächste und für die Körper-Biologik entscheidende Kettenglied ist die Emotion. Da wir alle verschieden sind, reagieren wir individuell und unterschiedlich auf einen Impuls. Das gilt erst recht, wenn wir neben der angeborenen Persönlichkeit die eigene Biografie mitdenken. Je nach Persönlichkeit sind dir die einen Emotionen vertrauter als andere. Wenn du die primären Emotionen oder Grundemotionen führen gelernt hast – und dafür bekommst du eine Gebrauchsanleitung –, sind die übrigen Ebenen, also Körper (bestehend aus Gestik, Mimik, Muskeltonus), Atmung, Stimme, Wort leicht zu erobern. Wenn du diese Toolbox der Grundemotionen zur Verfügung hast, finden sich dein überzeugender Auftritt, deine präsente Ausstrahlung, stimmige Worte für schwierige Gespräche und herausfordernde Menschen und das richtige Gesamtsetting für deine Botschaften fast wie von selbst ein.

In der Reihenfolge der Körperlogik-Kette folgt der Körper, der gespeist von den Bausteinen Persönlichkeit (Individualität) und Emotion (Situation) konkrete Bewegungsimpulse erhält. Wie wir sehen werden, gehört zu einer Emotion ein bestimmtes Muster, welche Muskeln wie agieren, das gilt für die klassischen Körpermuskeln (Gestik) genauso wie für Gesichtsmuskeln (Mimik) und auch für Atemmuskeln und die Stimmbänder – daher reihen sich Atmung und Stimme als nächste Glieder in der Kette ein.

Ich beschreibe dir die anatomischen Grundlagen für Selbstwahrnehmung und Kommunikation und wie du sie im Alltag für dich nutzt. Du eichst deinen Körper für die richtige Frequenz.

Zentraler Ausdruck des körperlichen Zustands ist die Atmung. Umgekehrt kannst du über die Beeinflussung der Atmung dein Befinden verändern. Du lernst die Atmung als Zugang zum vegetativen Nervensystem kennen. Die zentrale Rolle des Zwerchfells für Atmung und auch für die Wahrnehmung verdient einen eigenen Abschnitt. Man kann anhand der Stimme sehr gut hören, wie es einem Mitmenschen oder auch einem Mitsäugetier geht. Das liegt daran, dass die Stimmbänder als Muskeln von den drei in der Körperlogik-Kette davor liegenden Einflüssen abhängig sind. Unser Hören ist zudem darauf optimiert, diese feinen emotionalen Nuancen herauszuhören. Wenn wir sprechen, senden wir also Informationen auf drei Arten:

  • durch das, was wir sagen,
  • durch das, was der Körper sagt,
  • und dadurch, wie das Gesagte klingt.

Indem du das Wie gezielt über die Emotion beeinflusst, kommt deine Botschaft authentisch an.

Erst ganz am Ende der Körperlogik-Kette steht das Wort beziehungsweise die Sprache, denn Sprache ist die evolutionsbiologisch jüngste Errungenschaft. Um etwas zu verbalisieren, muss es zunächst die Wasseroberfläche des Bewusstseins durchstoßen, wenn wir in der Metapher des Eisberges der Kommunikation verbleiben. Das Wort ist in gewisser Weise auch das schwächste Glied, da die davor liegenden Elemente älter und damit mächtiger sind.

Die Körperlogik-Kette stellt die Reihenfolge der trainierbaren Aspekte – Emotion, Körper, Atmung, Stimme, Wort – anhand ihrer Geschwindigkeit dar. Am längsten – also wirksamsten – ist der Hebel über die Emotion. Wenn du gelernt hast, die primären Emotionen körperlich zu steuern, bist du automatisch authentisch, weil Körpersprache, Stimme und Worte die gleiche Botschaft senden, wie die darunter liegende Emotion. Dadurch wirst du wirksam in jeder Lebenslage.

Und ein angenehmer Nebeneffekt: Wenn du beginnst, gezielt und bewusst auch körperlich mit dem Thema »Emotion« zu arbeiten, ist Persönlichkeitsentwicklung eigentlich unvermeidlich. Es erschließt sich ein Weg, auch unbewusstes Verhalten trainierbar zu machen. Wie das geht, erkläre ich jetzt gleich.

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