Das Mindset der Rulebreaker

Elon Musk, Michael O’Leary, Roger Bannister – alles Rulebreaker, von denen dur sicherlich schon gehört hast. Es sind Menschen, die die Welt verändert haben oder verändern. Aber sie verändern nicht nur die Welt, sondern auch Unternehmen, sie schaffen Fortschritt und Innovationen, sprengen Grenzen und gehen neue Wege. Doch was genau machen Regelbrecher anders als andere Menschen? Wie denken sie? Und was macht sie so erfolgreich?

Um diese Fragen zu beantworten, muss hinter die Fassade der Rulebreaker geschaut werden. Eines steht fest: Es muss fundamentale Unterschiede zu Menschen geben, die Regeln befolgen und ihr Leben danach ausrichten – und die gibt es auch.

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Rulebreaker sind nicht brav

Rulebreaker leben kein Leben nach einem vorgefertigten Muster oder zeigen regelkonformes Verhalten. Sie sind anders. Sie denken anders. Und sie handeln anders. Regelbrecher sind keinesfalls schlauer und intelligenter als andere Menschen. Vielmehr bringen sie eine gewisse Kaltschnäuzigkeit mit. Sie beherrschen das freie und radikale Denken. Sie kennen die Regeln, sind ihnen gegenüber aber respektlos. Sie sind rücksichtlos. Nicht gegenüber anderen Menschen, aber gegenüber den Umständen. Sie sind stets in der Lage, sich anzupassen und flexibel zu sein, sollten die äußeren Umstände sie dazu zwingen.

Ihr Weg verläuft selten geradlinig, ihre Ziele verlieren sie aber niemals aus den Augen. Rulebreaker brechen nur zu gerne mit festgefahrenen Strukturen, veralteten Verhaltensmustern und vorgefertigten Glaubenssätzen. In der Wirtschaft stellen sie bestehende Geschäftsmodelle infrage. Im gesellschaftlichen Leben hinterfragen sie die Nützlichkeit von Regeln. Sie wollen verändern, transformieren und weiterentwickeln. Das ist ihr innerer Motor, der sie antreibt. Dabei nutzen sie ganz oft das Momentum der Überraschung und die Trägheit der anderen zu ihrem Vorteil, denn sie wissen: Der Schnellere gewinnt und der Schnellere ist immer der Rulebreaker.

Sie haben den Mut, auch die eigenen Gesetze des Handelns bewusst zu brechen. Aber bedenke: Regelbrecher sind keine kriminellen Menschen. Sie brechen Regeln, aber keine Gesetze. Sollten sie Gesetze brechen, dann nur, wenn die möglichen Konsequenzen so gering wie möglich sind und der Mehrwert des Regelbruchs diese rechtfertigt.

Dadurch, dass sie Widersprüchlichkeiten aufzeigen, sind sie schwer zu kontrollieren und gewissermaßen unberechenbar. Das macht sie gefährlich. Nicht für die Menschheit, denn von ihren positiven Veränderungen profitiert die breite Masse gleichermaßen. Gefährlich werden können sie nur für Menschen, die sie unterschätzen und sie nicht ernst nehmen. Es liegt in der Natur der Sache, dass Menschen mit verrückten Ideen und unorthodoxen Denkweisen wenig Anklang bei der Allgemeinheit finden. Als Ryanair mit dem Konzept »Billigflieger« den europäischen Markt betreten hat, wurde sie von der Konkurrenz ausgelacht. Niemand nahm das Unternehmen ernst. Der Rest ist Geschichte.

Rulebreaker rebellieren nicht der Rebellion wegen

Sie haben ein Ziel vor Augen und fokussieren sich auf dessen Erreichung. Viele Menschen fürchten das Scheitern, sozialen Abstieg oder den Verlust von Anerkennung – Rulebreaker nicht. Sie sind frei und ausgestattet mit dieser Freiheit handeln sie. Es kommt sogar sehr häufig vor, dass sie nichts mehr zu verlieren haben. Auch das macht sie gefährlich, denn wer nichts mehr zu verlieren hat, kann alles machen.

Thomas Tuchel war der erste Fußballbundesliga-Trainer, der seine Mannschaft mit verschiedenen Spielsystemen hat spielen lassen. Der Profifußball wurde von einer Regel dominiert: »Spiel ein System und das ziemlich gut.« Tuchel sah das anders und brach die Regel. Nicht, weil er Lust dazu hatte. Dieser Regelbruch resultierte aus dem Gefühl der Unterlegenheit. Tuchel hielt seine Mannschaft für nicht konkurrenzfähig. Neue Spieler stellte ihm die Vereinsführung nicht zur Verfügung. Er hatte nichts zu verlieren, denn alles andere als der Abstieg in die zweite Liga wäre ein Wunder gewesen. Also suchte er in der Manier eines Rulebreakers nach etwas, das seine Mannschaft konkurrenzfähig machte. Er analysierte jeden Gegner und arbeitete dessen Spielsystem heraus. Dieses System ließ er von seiner Mannschaft spiegeln. Mit welchem System kann auf das gegnerische System am besten reagiert werden? Diese Frage stellte er sich – die Antwort ließ er von seiner Mannschaft auf dem Platz spielen. Damit kamen viele Gegner nicht zurecht.

Heute ist es im Profifußball völlig normal, dass Mannschaften mehrere verschiedene Systeme spielen. Teilweise wird das System während eines Spiels gewechselt, sollte es nicht Erfolg versprechend sein. Initiator war Thomas Tuchel, indem er alle geltenden Regeln brach hat. Er spielte die erfolgreichste Saison der Vereinsgeschichte und qualifizierte sich für das europäische Geschäft. Mit einer Mannschaft, die eigentlich nicht konkurrenzfähig war. Er hatte nichts zu verlieren und hat alles gewonnen – mit einem einfachen Regelbruch.

Rulebreaker lieben die Herausforderung

Das zeigt zugleich den nächsten fundamentalen Unterschied zwischen Rulebreakern und anderen Menschen: Rulebreaker lieben die Herausforderung. Gibt es Aufgaben, die als unlösbar gelten, sind sie zur Stelle. Sie ziehen solche Aufgaben schier magisch an. Es ist der innere Drang, das Unmögliche möglich zu machen. In solchen Situationen finden sie den Kick, den andere beim Fallschirmspringen oder Bungee-Jumping suchen. Sie fühlen sich in unsicheren Situationen wohl. Müssen Regelbrecher zwischen einem sicheren und unsicheren Weg entscheiden, wählen sie den unsicheren, angetrieben von dem Reiz des Außergewöhnlichen und des Risikos. Sie wollen wissen, ob sie in der Lage sind, etwas entgegen aller Meinungen und Wahrscheinlichkeiten zu schaffen. Liegt die Wahrscheinlichkeit zu einem Prozent auf Erfolg, sehen sie darin eine Herausforderung und bringen die Neugier und den Mut mit, derer es bedarf, um sich solchen Herausforderungen zu stellen. Das stellt einen der größten Unterschiede zu Menschen dar, die Regeln stets befolgen. Mit Risiko kann sich die Allgemeinheit nicht identifizieren.

Die Forschergruppe um Andreas Kuckertz, Christoph Mandl und Martin P. Allmendinger von der Universität Hohenheim hat sich näher mit der Kultur des Scheiterns in Deutschland befasst. Im Rahmen dieser Studie wurde eine repräsentative Umfrage über ein Online-Panel durchgeführt. Ohne großartig ins Detail gehen zu wollen, hier das Ergebnis: Wir Deutschen scheuen das Risiko! Rulebreaker suchen es.

Auch hierfür gibt es einen Grund: die Fähigkeit des rationalen Denkens. Rulebreaker sind in der Lage, out of the box zu denken. Sie sehen in vielen Situationen Chancen, wo viele andere eine Bedrohung sehen. Chancen, die außerhalb der Vorstellungskraft und des Horizonts vieler Menschen liegen, die in ihrer konvergenten Art zu denken gefangen sind.

Rulebreaker sind oftmals Einzelkämpfer

Allerdings macht sie ihre Fähigkeit, anders zu denken, oftmals zu Einzelkämpfern. Das ergibt sich schon aus der Tatsache, dass sie Regeln brechen, während die Mehrheit sie befolgt. Wer aus der Reihe tanzt, wird von der Masse schnell ausgegrenzt. Deswegen verfügen Regelbrecher auch über die »Wadenbeißer-Mentalität«, die sich zwangsläufig aus dem Einzelkämpfer-Dasein ergibt. Aufgeben ist für sie nur selten eine Option, was auch auf ihre Leidensfähigkeit zurückzuführen ist. »Never give up« ist für sie kein Motto, sondern eine tief greifende Lebenseinstellung. Rückschläge sind in ihrer Welt kein Grund, etwas aufzugeben. Ganz im Gegenteil: Sie werden genutzt, um stärker und besser zu werden. Man muss sich von dem Gedanken frei machen, dass Rulebreaker mit ihren Regelbrüchen stets erfolgreich sind. Wir hören und lesen zwar immer nur von den erfolgreichen Geschichten, aber sie haben auch zahlreiche Misserfolge einzustecken. Oftmals übersteigen die Misserfolge sogar die Erfolge, was selbstredend ist. Wer viel und öfter ein Risiko eingeht, hat auch mehr Chancen zu scheitern. Das ist triviale Mathematik.

Apple-Gründer Steve Jobs wurde sogar aus seinem eigenen Unternehmen entlassen – auf Betreiben von John Sculley. Dabei hatte er selbst den ehemaligen Pepsi-Manager als Geschäftsführer in das Unternehmen geholt. 1983 stellte er ihn ein. Ein Jahr später brachte Apple den ersten Macintosh-Computer mit einer legendären Werbekampagne auf den Markt. Allerdings verkaufte sich der erste Computer mit dem Apfellogo nicht so wie erwartet. Apple musste das erste Mal in der Unternehmensgeschichte einen Quartalsverlust einstecken und war sogar gezwungen, Mitarbeiter zu entlassen. Es kam zu einem internen Machtkampf zwischen Jobs und Sculley, infolgedessen der Verwaltungsrat Steve Jobs rausschmiss. Und was machte er? Er gründete die Computerfirma NeXT als Konkurrenz zu Apple. Elf Jahre später übernahm Apple NeXT, Jobs kehrte zurück und entwickelte den ersten iMac, den iPod, das iPhone und das iPad. Unter der Ägide von Jobs wurde der Konzern zur wertvollsten Marke der Welt und veränderte mit seinen Produkten unser Leben.

Regelbrecher wie Steve Jobs, Elon Musk und Richard Branson folgen der Überzeugung, dass jede Niederlage in Wirklichkeit ein Gewinn ist. Das macht sie gleichzeitig zu positiven Menschen. Und dass, obwohl sie chronisch unzufrieden sind. Man kann den Eindruck gewinnen, dass sie sich über nichts freuen. Sie sind permanent unzufrieden und fühlen sich im Prinzip nie am Ziel angelangt. Haben sie ein Ziel erreicht, ist es für sie nichts Außergewöhnliches mehr. Immerhin hat man den Erfolg schon seit vielen Jahren vor dem geistigen Auge gesehen – und noch zahlreiche weitere Dinge, die es zu erreichen gilt. Ihnen scheint ein andauernder Drang nach Veränderung innezuwohnen. Dieser Drang lässt sie unzufrieden erscheinen und genau so fühlen sie sich oft auch.

Von ihrem Umfeld werden sie daher oft als Griesgram bezeichnet. Diese Unzufriedenheit ist allerdings nicht mit einer negativen Grundeinstellung gleichzusetzen. Innerlich sind Rulebreaker äußerst positiv eingestellt. Ihre Unzufriedenheit kann als innerer Motor gesehen werden, der sie antreibt. Der Regelbruch an sich ist somit oftmals das Ergebnis innerer Unzufriedenheit.

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