Bitte behandeln Sie meine Bewerbung vertraulich!

Jobwechsel sind oft eine heikle Sache. Denn Chefs und Kollegen sollten davon möglichst nichts erfahren. Diskretion ist im Bewerbungsprozeß oberstes Gebot und so eine Sache. Wie diskretes Bewerben funktioniert, verrät die Personalberaterin Diana T. Roth.

Menschen entscheiden sich, ihren Job zu wechseln. Oft bleiben sie in der gleichen Branche, denn ihre Branchenerfahrung ist Gold wert. Diskretion ist (nicht nur) hier die oberste Pflicht in jedem neuen Bewerbungsprozess.

Die Datenschutzgesetze in Deutschland, der Schweiz und in Österreich unterscheiden sich zwar in Einzelheiten, doch gemein ist ihnen: Sie sind der Rahmen für jedweden Umgang mit relevanten und persönlichen Daten, selbst wenn das trotzdem manchmal schiefgeht.
Für geschulte und verantwortungsvolle Personaler ist datenschutzkonformes Handeln eine Selbstverständlichkeit. Gleichzeitig warne ich an dieser Stelle vor der Annahme, Bewerbungsabsichten und -unterlagen würden immer auch vertraulich behandelt werden. Vertrauen Sie dem gesunden Misstrauen und seien Sie sich bewusst: Dem ist nicht so!

Dabei ist Vertraulichkeit gerade hier entscheidend für die Karriere. Bekommt Ihr jetziger Arbeitgeber nämlich Wind von Ihrer Wechsel-Absicht, gelten Sie nicht nur als illoyal, sondern es kann bei weiteren Karriereschritten durchaus hinderliche Auswirkungen haben.

Bewerber nutzen daher oft und meist in Fettdruck in Ihren Bewerbungsschreiben den Sperrvermerk »Meine vertrauliche Bewerbung um die Stelle als …« – alternativ auch zu finden im Schlusssatz: »Bitte behandeln Sie meine Bewerbung vertraulich …«
Mag sein, dass Bewerber sich damit besser fühlen, ich sehe einen solchen Vermerk als absolut irrelevant an. Gleiches gilt übrigens für die völlig nutzlose Phrase »Dieses Arbeitszeugnis ist uncodiert« in Arbeitszeugnissen. Das hieße ja, es gäbe auch Zeugnisse, die codiert sind.

Ob mit oder ohne Vermerk: Eine Firma handelt, wie sie eben handelt. Nach bestem Wissen und Gewissen, und kaum in böser Absicht. Überall handhabt man den Umgang mit diesen hoch vertraulichen Daten unterschiedlich. Selbst wenn eine ISO-Zertifizierung verbrieft ist: Es sind die Menschen, die es unterschiedlich handhaben, trotz Prozesslandkarte und Zertifizierung.

Als Personalerin möchte ich Sie ermutigen, möglichst mit gesundem Misstrauen an einen Bewerbungsprozess heranzugehen. Hoffen Sie auf hochprofessionelle Abläufe und rechnen Sie auch mit dem Gegenteil.
Bleiben Sie selbst vertraulich
Wenn Sie die vertrauliche Handhabung Ihrer Bewerbung möchten und nicht gleich zu viel riskieren wollen, können Sie selbst schon einiges dafür tun.

  • Verzichten Sie darauf, Ihre Büro-Telefonnummer als Kontakt anzugeben. Anders dürfen Sie sich nicht wundern, wenn Sie genau dort angerufen werden, um zu einem Interview eingeladen zu werden. Rekrutierer machen keine Recherchearbeiten und suchen aufwendig ihre private Telefonnummer heraus.
  • Versenden Sie Ihre Unterlagen nicht in Briefumschlägen mit Corporate Design Ihres aktuellen Dienstgebers. Oder über Ihre dienstliche Mailadresse, womöglich mit detaillierter interner Absendersignatur.

Aber selbst, wenn Sie hier alles richtig machen: Sie wissen nicht, wie die andere Seite agiert.

Vor fünfzehn Jahren, ich war in einer Festanstellung als Dozentin, las ich eine interessante Stellenausschreibung von einem namhaften Headhunter. Zufällig wusste ich, dass Tamara L., eine meiner HR-Studentinnen, dort arbeitete. Als Kontaktperson war sie Gott sei Dank nicht angegeben und so schrieb ich an den mir unbekannten Ansprechpartner, ich wäre sehr interessiert, würde meine Bewerbungsunterlagen aber ausschließlich persönlich abgeben wollen.

Ich erhielt umgehend eine automatische Rückantwort: »Zurzeit befinde ich mich in den Ferien, Frau Tamara L. wird sich Ihrer Anfrage annehmen!« Schon eine Stunde später hatte ich wieder Mailpost – dieses Mal von Tamara: »Hallo Diana, du hast Interesse an der offenen Stelle? Schicke mir doch einfach deine Bewerbung!«

Ich hatte mich vertraulich bewerben wollen, nun wollte meine Studentin die Unterlagen. Dass ich bereits im nächsten Unterricht mehrfach auf meine Wechselwünsche hin angesprochen wurde, bestätigte mich in meinem Entschluss, mich zumindest bei diesem Headhunter niemals zu bewerben.

Wenig geheim: Branchengeheimnisse

Branchengeheimnisse werden mehr breitgetreten, als darüber geschwiegen wird. Es scheint, der Mensch hütet sie einfach nicht gerne.

Als Personalerin erhalte ich immer wieder Bewerbungen, in denen es beispielsweise heißt: »Seit 2010 arbeite ich bei einem namhaften Unternehmen in der IT-Branche.« Der Bewerber möchte also den Arbeitgeber nicht nennen, weil er weiß, diese Information könnte missbraucht werden. Das ist legitim. Allerdings muss er jetzt in letzter Konsequenz auch auf das Beilegen eines möglicherweise vorhandenen Zwischenzeugnisses verzichten – sonst wäre die Einlassung für die Katz.

Gleiches gilt für Chiffre-Inserate, die einfach nicht totzukriegen sind. Immer noch finden sich in Tageszeitungen Stelleninserate, die völlig anonym eine Bewerbung verlangen. Meine eindrückliche Warnung: Bitte, bewerben Sie sich nicht. Sie würden Ihr ganzes berufliches Leben offenbaren und mit Lebenslauf an unbekannt senden. Es gibt einen Haken, ich bin mir sicher. Warum sonst könnte ein Arbeitgeber nicht offen ausschreiben? Zudem zeigt die Erfahrung: Chiffre-Kandidaten erhalten selten eine Antwort, schon gar nicht eine Absage.

Vertrauliche Arbeit passiert durch vertrauliche Handhabung auf beiden Seiten

Wie das schiefgehen kann, zeigt auch das folgende Beispiel: Theresa entdeckte in der Lokalzeitung ihre Traumstelle. Ein Chiffre-Inserat beschrieb Aufgaben, die ihr Herz höherschlagen ließen. Sie sprach mit mir darüber, ließ sich aber von meinen Einlassungen nicht beirren und bewarb sich erwartungsfroh. Sie hatte ihre jetzige Arbeitsstelle so richtig satt.

Freitags war die Bewerbung abgeschickt und am Montag bat ihr Chef sie ins Büro. Er fragte, ob sie noch zufrieden sei oder etwaige Abwanderungsgedanken hegen würde. Theresa verneinte heftig, obwohl sich die Misstrauenssouffleuse bereits meldete. Wortlos legte der Chef ihre vollständige Bewerbung auf den Tisch – die vom Freitag – und meinte süffisant: »Das sieht aber anders aus!«

Es stellte sich raus: Nicht nur Theresa war unglücklich in ihrem Job, auch der Arbeitgeber war wenig glücklich mit ihr. So hatte er diese Chiffre-Annonce geschaltet und sich ausgerechnet Theresa darauf beworben. Damit war es jetzt offenkundig: Das Vertrauen war gebrochen und eine Trennung unausweichlich.

Ein anderes Beispiel: Letztes Jahr rekrutierte Maria bei ihrem Arbeitgeber, einer großen Stadtverwaltung, einen neuen Sozialarbeiter. In dem unstrukturierten Prozess wirkten acht Leute plus Azubi mit: die Personalassistentin, der Personalleiter, der Leiter der Abteilung, der Bereichsleiter, der Finanzchef, die Empfangsdame und zwei Mitarbeitende aus dem Team. Der Azubi im dritten Lehrjahr erledigte am Ende die persönlichen Absagen. Ich muss nicht extra betonen, dass die Bewerbungsunterlagen natürlich durch alle Hände gegangen waren. »Bitte behandeln sie meine Bewerbung vertraulich!« – es scheint, das liegt doch immer wieder auch im Auge des Betrachters.

Gesundes Misstrauen im Bewerbungsprozess

Tatsächlich, die Nuancen sind feiner geworden, aber gleichwohl ist einem Bewerbungsprozess doch immer mit gesundem Misstrauen zu begegnen.

Mein bester Freund Markus bewarb sich vor gut einem Jahr als Informatiker in einem großen Konzern. Der Bewerbungsprozess war professionell und nach allen Regeln der Kunst. Im ersten Bewerbungsgespräch führte das HR das Gespräch. Im zweiten Bewerbungsgespräch der Vorgesetzte und im dritten, entscheidenden Gespräch führten es drei zukünftige Teamkollegen.

Nicht nur das war eine Überraschung, weil nicht im Vorfeld angekündigt, sondern vielmehr, dass diese drei Interviewer seine kompletten Bewerbungsunterlagen in Kopie vor sich liegen hatten und auch einige Zeugnispassagen markiert worden waren. Es wurde kreuz und quer gefragt, irrelevante Fragen und bereits gestellte Fragen wurden in einem zweistündigen Verhör – man kann es einfach nicht anders bezeichnen – abgeschossen. Schon während des Gesprächs war das Vertrauen zum potenziellen neuen Arbeitgeber gebrochen. Man hatte es nicht für nötig gehalten, Markus über Teilnehmer und das Vorgehen in diesem Gespräch zu informieren, noch war zur Weitergabe seiner Unterlagen sein Einverständnis eingeholt worden.

Eine ungeheuerliche Geschichte – und sie ist hier noch nicht zu Ende: Markus fuhr nach dem Gespräch nach Hause und wollte Gespräch und Verfahren erst einmal sacken lassen, obwohl er jetzt schon sicher war, dass er seine Bewerbung zurückziehen würde. In der Tiefgarage traf er seinen Nachbarn Uli: »Hey Markus, ich habe es schön gehört. Du hast dich bei Firma XYZ beworben. Herzlichen Glückwunsch, du hast dich ja verdammt gut geschlagen. Mein Schwager hat dich heute interviewt und freut sich schon echt auf seinen neuen Teamkollegen.«

Der Schwager hatte die Adresse im Lebenslauf gesehen, wusste, dass Uli in der gleichen Straße wohnt und hatte ihn gleich mal befragt.

Diese unglaubliche Geschichte ist wahr und sie hat mich als Personalerin sehr erschüttert. Am nächsten Tag machte ich Vertrauen in Bewerbungsprozessen zum Thema auf meinen Profilen in Xing und LinkedIn. In einem Post machte ich meinem Unmut über solche Verfahrensweisen ziemlich energisch Luft. Es dauerte nicht lange, da schrieb mir ein Bereichsleiter: »Was ist das Problem, Frau Roth? Das machen wir dauernd. Ich finde es nur legitim. Wissen Sie, ich schicke mir sogar alle Bewerbungen per Mail nach Hause und lasse dann meine Frau die Unterlagen prüfen. Die hat so ein untrügliches Bauchgefühl …«

Vertraulichkeit ist ein frommer Wunsch und hat so gar nichts mit der Realität zu tun. Wenn Sie mit diesem Wissen einen Bewerbungsprozess antreten, kann Ihnen fast nichts passieren. Fast …

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