Morgens halb zehn in Deutschland … Das Meeting ist in vollem Gange, die Teilnehmenden sind engagiert. Außer einem. Kollege Thomas lehnt lässig in seinem Stuhl, runzelt die Stirn und zieht die Mundwinkel zurück. „Ich glaube nicht, dass du das wissen kannst“, attackiert er plötzlich die Vortragende, „überschätze mal nicht deine Kompetenz!“ Was ist bloß in ihn gefahren? Iris Zeppezauer illustriert, was dahintersteckt und wie wir auf verbale Angriffe Schlagfertig reagieren können.
Der Angriff aus dem Nichts
Steffi ist sprachlos. Obwohl sich häufig präsentiert, irritiert sie diese Feindseligkeit aus dem Nichts und ohne offensichtlichen Anlass. Warum macht der Kollege das? Instinktiv wehrt sie sich sofort: „Doch, das weiß ich schon. Ich habe mich mit den Hintergründen eingehend beschäftigt!“ rechtfertigt sie sich. „Ja, ganz bestimmt“, säuselt Thomas zynisch. Was soll sie jetzt machen? Soeben wurde sie vor dem Kollegium als inkompetent hingestellt und nun hat sie keine Argumente. Zwar hat jeder im Raum registriert, dass es eine unfaire Attacke war – dennoch bleibt der Schmutz an ihr, der Vortragenden, kleben. Sie merkt, dass sie Sicherheit und Führung verliert. Zwei andere Teilnehmende haben bereits zu flüstern begonnen. Thomas sendet weiter geringschätzige nonverbale Signale in ihre Richtung, schüttelt immer wieder den Kopf. Steffi beschließt, in die Offensive zu gehen: „Möchtest du mir etwas sagen, Thomas?“ „Nein, ich habe nur gerade an einen schwierigen Kunden gedacht, mit dem ich nachher telefonieren muss“, redet er sich heraus. Mühsam gewinnt sie die Fassung zurück und setzt den Vortrag fort. Doch sie merkt, dass das Problem woanders liegt und nicht gelöst ist. Hinterher in Büro schäumt sie vor Wut. Das darf doch nicht wahr sein!
Angriff als Störfaktor behandeln
Was Steffi passiert ist, fällt unter eine sehr subtile Art unfairer Rhetorik: Andere werden bloßgestellt, auf Anfrage wird ein Vorwand eingeschoben und dann geht es heiter weiter. Hier muss klar sein, ein Vorwand ist noch lange nicht der wahre Grund für verbale Angriffe. Vielmehr versucht sich der Angreifer damit herauszureden, um nicht zur Verantwortung gezogen zu werden oder sein wahres Motiv preisgeben zu müssen.
Wichtig ist, Angriffe als Störfaktoren zu sehen und auch als solche zu behandeln. Störfaktoren lenken vom Thema ab und sollten daher umgehend beseitigt werden – andernfalls werden die anderen Teilnehmenden zum Publikum, verfolgen das Gefecht und sind vom eigentlichen Thema abgelenkt. Auch im Gespräch zu zweit lohnt es sich, den Angriff ehest aus dem Weg zu räumen, um nicht durch Ablenkungsmanöver den roten Faden zu verlieren.
Rasche Lösung, zurück zum Thema
In Steffis Fall bieten sich zwei Möglichkeiten zur Lösung an: Einerseits kann sie den Angriff sofort parieren, ohne das Motiv zu hinterfragen. Dazu nimmt sie nur Thomas‘ ersten Satzteil („Ich glaube nicht, dass du das wissen kannst“) auf und ignoriert den zweiten Teil („überschätze mal nicht deine Kompetenz“): „Ganz im Gegenteil – es ist heute meine Aufgabe, euch über dieses Thema zu informieren.“ So lässt sie dem Angreifer die Würde, führt ihn nicht vor, steckt jedoch klar die Grenzen ab.
Andererseits kann sie nach dem Motiv suchen und den Angreifer so zur Räson bringen: „Wie kommst du zu dieser Einschätzung?“ oder härter: „Wie kommst du zu dieser Fehleinschätzung?“
Wichtig ist, dass Steffi als Vortragende nicht an ihrer Kompetenz zweifelt und sich souverän zeigt. Rechtfertigung ist niemals eine Lösung, sie wird den Angreifer eher zum Weitermachen motivieren.
Angreifer testen stets ab, ob sie mit ihrem Verhalten erfolgreich sind, also das Ziel ihres Angriffes zum Opfer machen können oder nicht. Gibt sich das Gegenüber sicher und kontert selbstverständlich, so wird dem Angreifer rasch klar: Das wird nicht einfach. In den meisten Fällen sinkt das Interesse des Angreifers an weiteren feindlichen Aktionen signifikant. Schließlich möchte er nicht aufgedeckt werden und sein wahres Motiv zeigen müssen – in Thomas‘ Fall könnte es Neid auf Steffis Position sein. Und wer will das schon zugeben?
Somit kann Steffi umgehend zurück zum Thema kehren und verliert keine wertvolle Präsentationszeit.
Angriff und Vorwand: Wie Sie auf verbale Angriffe schlagfertig reagieren
#Sicherheit. Zeigen Sie sich gelassen und souverän.
#Körpersprache. Wenden Sie sich dem Angreifer zu, er soll wissen, dass Sie ihn registriert haben.
#Rhetorik. Rechtfertigen Sie sich nicht! Kontern Sie lieber mit „Ganz im Gegenteil“ oder fragen Sie nach dem Grund der Einschätzung.
#Fokus. Kehren Sie rasch wieder zum eigentlichen Thema zurück.

Iris Zeppezauer steht für exzellente Kommunikation im Business. Sie ist Wissenschaftlerin, Hochschuldozentin und Beraterin. Seit über zehn Jahren coacht sie Persönlichkeiten, die in jeder Situation ihre Meinung klar, aber wertschätzend transportieren müssen.