Vorsicht ansteckend

Sie wissen natürlich, welches der wichtigste Faktor ist, der zum konkreten Interesse und letztendlich zur Kaufentscheidung führt: Mundpropaganda. Die wahrscheinlich älteste und vielleicht auch effektivste Form des Marketings. Egal, ob es sich um Produkte oder Dienstleistungen handelt. Schlimmer noch – selbst die Steigerung der Bekanntheit einer Marke wird immer häufiger zur kostenintensiven Luftnummer, wenn Unternehmen heute noch ausschließlich auf klassische Werbung setzen. Konsumenten sind gegenüber solchen Werbebotschaften mittlerweile so kritisch eingestellt, dass ihr persönlicher Abwehrschild von vornherein einen so großen Widerstand aufbaut, dass er nur selten eine Lücke für neue Produkte und Dienstleistungen lässt.

Die entscheidende Frage ist jedoch: Kann Mundpropaganda gezielt ausgelöst und zur Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen eingesetzt werden? Die Antwort ist ein klares „Ja“. Es bedarf jedoch genauer Planung und Kreativität sowie eines grundlegenden Verständnisses der zwischenmenschlichen Kommunikation. Insbesondere der Kommunikation im Web, denn das ist ja unser Thema.

Vorsicht ansteckend – Viral Marketing?

Viral Marketing wird häufig von Marketern mit Mundpropaganda gleichgesetzt. Das ist aber falsch. Viral Marketing kann höchstens eine Vorstufe, ein Auslöser oder ein Katalysator von Mundpropaganda sein. „Viral“ bedeutet, dass die Botschaft innerhalb kürzester Zeit von Mensch zu Mensch übertragen wird, ähnlich wie bei einem uns nur zu gut bekannten Krankheitserreger.

Dabei werden Botschaften oder Informationen mehr oder weniger unauffällig gestreut, um das Interesse der Zielgruppe zu wecken. Ist das einmal geschafft, entwickelt sich oft eine erstaunliche Eigendynamik.

Der Erfolg ist, gemessen am minimalen finanziellen Aufwand, in der Regel überproportional groß, lässt sich aber letztendlich nicht genau messen (wie ja oft in der klassischen Werbung sich die Wirkung auch nicht messen lässt), sondern nur abschätzen, da eine genaue Kontrolle der Verbreitung per se nicht möglich ist.

Ein gutes Beispiel für Viral Marketing war das „Moorhuhn“, ein Computerspiel, das im Auftrag von Johnny Walker entwickelt wurde. Innerhalb kürzester Zeit erreichte das Spiel eine unglaubliche Popularität, die sich letztendlich auch auf die Marke Johnny Walker übertrug.

Das Ziel von Viral Marketing ist immer, eine möglichst schnelle und weitreichende Verbreitung über die unterschiedlichsten Kommunikationskanäle zu erreichen. Die Werbung muss also nicht B2C geschehen, sondern wird B2B „übertragen“.

Empfehlungen von Kunden versus Viral Marketing

Woran denken Sie zuerst, wenn Sie den Begriff „Mundpropaganda“ hören? Wahrscheinlich an Empfehlungen oder positive Berichte, die von zufriedenen Kunden weitergegeben werden.

Sie wollen sich ein neues Handy anschaffen. Wahrscheinlich recherchieren Sie im Internet, lassen sich in dem einen oder anderen Geschäft beraten oder – Sie fragen einen Freund oder Kollegen, von dem Sie wissen, dass er sich mit Mobiltelefonen auskennt. Falls er mit Handys von Apple gute Erfahrungen gemacht hat, wird er Ihnen wahrscheinlich empfehlen, sich auch ein Gerät von diesem Hersteller anzuschaffen, und nennt Ihnen auch gleich eine Handvoll Vorzüge. Noch deutlicher wird der Effekt bei Dienstleistungen, die seit jeher von der klassischen Werbung ausgeschlossen waren. Um eine vertrauenswürdige Putzfrau, einen guten Rechtsanwalt oder einen pfiffigen Steuerberater zu finden, führt kaum ein Weg an Empfehlungen vorbei.

Für das Viral Marketing ist diese Art von Empfehlungen jedoch weniger interessant, da sie auf einer innigen – teilweise jahrelangen – Beziehung zwischen Unternehmen und Kunde basieren. Die Einflussmöglichkeiten des Unternehmens auf Zahl und Art der Empfehlungen sind vergleichsweise gering. Nur wer seine Kunden von Anfang an mit der Qualität seiner Leistung überzeugt, hat eine Chance darauf, solche Weiterempfehlungen zu erhalten.

Normalerweise sind kurzfristige Beziehungen nicht besonders förderlich im Marketing. Anders beim Viral Marketing. Hier kommt es auf situatives, spontanes Handeln an. Findet jemand ein Produkt, eine Dienstleistung oder eine Information interessant oder witzig, teilt er sie mit Menschen aus seinem Bekanntenkreis oder auch mit Fremden über soziale Netzwerke und Blogs.

Dazu zählen unspezifische Empfehlungen wie Gerüchte und Geschichten, aber auch spezifische Tipps wie etwa der Hinweis auf eine interessante Website, die Empfehlung eines Shareware-Programms oder eines lustigen Werbeclips. Wahrscheinlich haben Sie auch schon mal eine (mehr oder weniger) lustige Powerpoint-Präsentation oder ein Bild per E-Mail erhalten, das Sie so lustig fanden, dass Sie es anschließend gleich an ein paar Freunde weitergeleitet haben, oder? Ich bekomme zumindest oft von einer Freundin aus Melbourne in Australien solche Dinge geschickt, wenngleich ich meistens davon absehe, weitere Freunde und Bekannte damit zu „erfreuen“. Haben Sie mal darauf geachtet, wer der Urheber dieser witzigen Powerpoint-Präsentation ist? Oft sind es Unternehmen, die derartige Sachen in Umlauf bringen, um schließlich Ihre eigene Bekanntheit zu steigern.

Das Internet ist natürlich das ideale Medium für Viral Marketing. Durch die hohe Geschwindigkeit der Kommunikation können sich Nachrichten über E-Mails, Blogs oder Tweets extrem schnell und weit verbreiten. Einmal als „Ich-Sender“ den „Weiterleiten“- oder „Retweet“-Button geklickt, schon lesen hunderte oder gar tausende weiterer Nutzer die Botschaft.

Mundpropaganda kann auch anders funktionieren, nämlich durch objektive Empfehlungen existierender Kunden. Ähnlich wie die Weiterempfehlung der Putzfrau oder des Handys. Dabei muss der Kunde noch nicht einmal mit dem Interessenten direkt Kontakt aufnehmen. Er hinterlässt einfach seine Empfehlung im Web. Entweder direkt auf der Seite des Unternehmens oder auf einer externen Bewertungsseite wie ciao.de oder testeo.de.

Auch wenn Menschen von den marketingtechnisch angepriesenen Vorzügen eines Produktes begeistert sind, ist die Skepsis häufig recht groß. „Stimmt das denn wirklich? So gut kann es doch nicht sein? Irgendwo muss doch ein Haken sein!“ Die Empfehlung eines zufriedenen Nutzers dieses Produkts ist dann häufig der Eisbrecher, der den Kaufimpuls auslöst.

Der Klassiker für dieses Prinzip ist die Auktionsplattform ebay

Hier hat der Aufbau von Vertrauen für Verkäufer und Kunden gleichermaßen hohe Priorität. Liefert mir ein Verkäufer schnell den ersteigerten Artikel und ist dieser auch in dem vorher beschriebenen Zustand, bin ich als Kunde zufrieden und gebe dem Verkäufer eine positive Bewertung. Umgekehrt war es bis vor einiger Zeit auch für den Verkäufer möglich, seinen Kunden positiv, neutral oder negativ zu bewerten (für den Fall, dass die Bezahlung auf sich warten ließ oder ganz ausblieb). Inzwischen ist es für Anbieter nur noch möglich, einen Kunden positiv oder gar nicht zu bewerten, was für viele ebay-Nutzer eine fragwürdige Einschränkung darstellt.

Dennoch liefern die Bewertungen häufig ein Entscheidungskriterium für oder eben gegen einen Handelspartner.

Der Online-Händler Amazon, bei dem sie vielleicht auch dieses Buch erworben haben, hat sich das Empfehlungsprinzip schon früh zunutze gemacht. Kunden kaufen ein Produkt und berichten anschließend auf der Produktseite von ihren Erfahrungen und Meinungen dazu. So können sich Interessenten ein halbwegs objektives Bild von dem Produkt machen und sowohl Vorteile als auch Nachteile aus erster Hand erfahren. Nun kann es Amazon relativ egal sein, welches der Bügeleisen oder Bücher Sie kaufen. Eines werden Sie schon nehmen. Aber vielleicht kaufen Sie ja auch gleich noch ein zweites, weil es so gute Bewertungen von Käufern erhalten hat …

Wenn ein Hersteller solche Kundenbewertungen auf seiner Website zulässt, ist das schon ein mutiger Schritt. Schließlich gibt es ja auch unzufriedene Kunden, die ihre Erfahrungen gerne mitteilen möchten. Und es würde sich sehr schnell herumsprechen, wenn eine negative Produktbewertung gelöscht würde, um ein positives Bild zu erzeugen.

Der Computerhersteller Dell geht mit dem Bewertungsprinzip recht mutig voran. Überhaupt hat Dell die Macht von Social Media früh verstanden und sich zunutze gemacht.

Wenn Sie bei Dell einen Computer gefunden haben, der Ihren Vorstellungen entspricht, sehen Sie auch gleich, was bestehende Käufer von dem Rechner halten. Sie teilen sowohl Vorzüge als auch Nachteile ihres Computers mit. Damit nicht genug – Dell integriert auch gleich Links zu Facebook, digg.it und del.icio.us, mittels derer Sie den jeweiligen Kunden-Testbericht mit einem Klick ins weltweite Netz meißeln können.

Wichtig sind dabei drei Dinge.

  1. Die Kunden können mitmachen. Damit ist eines der grundlegenden Prinzipien von Social Media erfüllt.
  2. Objektive Informationen werden geteilt. Solche Informationen haben einen wesentlich höheren Vertrauenswert als reine Werbebotschaften.
  3. Social Media-Marketing in Form von Kunden-Empfehlungen ist kostenlos!
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