Wie man Mitarbeiter entwickelt

Man kann nicht nicht lernen … Eine Weisheit, die in vielen Unternehmen noch nicht angekommen ist. Sie jammern, das gute Mitarbeiter weglaufen, denken aber nicht über die Ursachen nach. Doch genau mit diesem Nachdenken beginnt Mitarbeiterentwicklung. Die schweizer Personalexpertin Diana Roth illustriert, was bei der Personalentwicklung alls schiefläuft.

»Lernen ist doof!«, schrie Max, warf den Schulranzen in die Ecke, rammte die Katze und schmiss sich theatralisch auf den Boden. Irgendwann musste es doch mal aufhören mit dem Lernen und das schöne Leben würde beginnen, oder?

Man kann nicht nicht lernen! Unmöglich. Wir lernen den ganzen Tag, und sobald wir die Schule, die Uni verlassen, geht’s erst richtig los. Wir lernen im Leben, vom Leben, fürs Leben. Wir entwickeln Persönlichkeit, Qualifikation und Strategien – privat und beruflich. Und finden dabei unter Umständen auch am Arbeitsplatz Unterstützung – vorausgesetzt, das Unternehmen weiß um den Wert guter Personalentwicklung. Solche Unternehmen wollen mit der sogenannten Personalentwicklung die Wettbewerbsfähigkeit der Mitarbeitenden stützen, weil sie wissen, dass das deren Flexibilität und Motivation erhöht. Und gut ausgebildete, motivierte und flexible Mitarbeiter sind ein Garant für langfristigen Unternehmenserfolg – Win-win-Situation!

Doch in vielen Unternehmen scheint diese Nachricht noch nicht angekommen zu sein. Sie jammern, dass ihnen die guten Leute weglaufen, und denken keinen Augenblick darüber nach, dass sie in ihren Prozessen etwas ändern und damit die Situation zu ihrem Vorteil verbessern könnten. Schon allein die Personalentwicklung verringert die Fluktuation. Das wird besonders offensichtlich bei der beruflichen Grundbildung. Das Ausbilden ist mehr als eine soziale Verantwortung, der ein moderner Arbeitgeber nachgeht – es ist Nachwuchsplanung. Fachleute sind auf dem Markt immer schwerer zu finden. Wie gut ist es da, diese selbst heranzuziehen, auszubilden und dann im eigenen Unternehmen weiterzuentwickeln?

Personalentwicklung in der Praxis

Die meisten Mitarbeitenden kennen die unterschiedlichsten Weiterbildungsprogramme oder Modelle zur Qualifizierung von Führungskräften. Doch was gut gemeint ist, sind oftmals nur aus einer prekären Situation heraus verordnete Einzelmaßnahmen ohne Anbindung an langfristige Ziele und Bedürfnisse des Mitarbeiters oder Unternehmens. Beispiele dafür gibt es zur Genüge und diese Liste könnte ellenlang weitergeführt werden:

Da finden Verkaufsschulungen mit High-Performance-Verkaufstrainern statt. Ordnerweise wird Wissen zur Einwandbehandlung vermittelt, obwohl eine Kundenumfrage deutlich machte, dass das Produkt reparaturanfällig ist.

Ein Mitarbeiter wird zu einem Korrespondenzkurs geschickt, weil er in einer Kundenmail die Anrede klein geschrieben hat. Er arbeitet als Servicetechniker und hat ganz selten Mailkontakt.

Teams werden zum Floßbauen an den Rhein abgeordnet. Man nennt es Teamentwicklungsprozess, und alles nach Ende der offiziellen Dienstzeit wird als Freizeitspende für die gute Sache gefordert. Ein bisschen Spaß und mächtig Sonnenbrand hat es gebracht, mehr nicht: Mobbing und Versetzungsanträge beeinträchtigen weiterhin die Produktivität. Aber immer noch glauben viele Vorgesetzte fest daran, eine Teamentwicklung könnte in knappen sieben Stunden passieren.

Für intellektuelle Verstopfung ist also in den meisten Firmen gesorgt – wenn auch oft nur in Form einer Alibiübung, aber zumindest der Bereich Personalentwicklung ist beruhigt.

Eine Trainerin, die ich in meiner Funktion als Personalerin für einen Feedbackkurs angefragt hatte, sagte mir nach dem ersten Gespräch: »Frau Roth, ich denke, das Geld ist besser angelegt, wenn der Vorgesetzte sich mit der Abteilung in einem Vergnügungspark einen schönen Tag macht!«

Sie hatte erkannt, dass die von uns genannten zahlreichen Ziele mit einem Tageskurs »Feedback geben und nehmen« nicht zu erreichen waren. Eine Trainerin mit Rückgrat!

Wer wird weiterentwickelt und warum?

Um diese Frage zu beantworten, stelle ich ein Führungstool vor, das Bestandteil der Führungskraftausbildung in der Schweiz ist. Es wurde in der Finanzwirtschaft entwickelt und dann auf den Personalbereich übertragen. Dieses sogenannte Personal-Portfolio rät Vorgesetzten, ihre Mitarbeitenden in vier Kategorien einzuordnen:

1. Dead woods oder Low performer. Hierbei handelt es sich um Mitarbeitende, die weder Leistung noch Potenzial zeigen. Zum Beispiel Udo, der Bruder des Chefs. Er fristet seit vielen Jahren sein berufliches Dasein im Archiv, tief unten im Keller der Firma. Lustlos, unmotiviert und längst nicht mehr beachtet, geht er seiner Arbeit nach, wissend, dass man ihn nicht rauswerfen kann: Der Firmengründer und ihrer beider Großvater hatte es seinerzeit testamentarisch so festgelegt. Udo wird weder bewegt, noch bewegt er sich. Wozu auch?

»Dead woods« werden einfach nur ertragen. Man sitzt das Problem aus, in der Hoffnung, dass es sich irgendwann von selbst lösen wird. Vorschläge und mögliche Maßnahmen aus der Personalabteilung werden seitens der Vorgesetzten mit »Vergebliche Liebesmüh!« abgewiegelt. Eine Personalentwicklungsmaßnahme wird »Dead woods« selten angeboten, da ein Mehrwert für beide Seiten nicht erkennbar ist. Außerdem trifft man bei den »Dead woods« nicht selten auf kräftigen Widerstand.

Warum sich also Stress machen? Solange er sich ruhig verhält und keinen Ärger macht … Doch merke: Unternehmen und Mitarbeitende spiegeln sich ständig. Glaubt man dieser Aussage, dann heißt das: Jedes Unternehmen beschäftigt die Mitarbeitenden, die es verdient, und hat sie teilweise sogar selbst in diese Position gebracht.

Oftmals werden Abteilungsleichen dieser Art erst, wenn ein neuer Vorgesetzter übernimmt, mit einem deutlichen Auftrag, sie zu entlassen, »übergeben«. So steht auch gleich die Führungskompetenz des Neuen auf dem Prüfstand.

2. Problem employees. Sie sind Mitarbeitende, die ein hohes Potenzial haben, aber ungenügende Leistung bringen. Dies meist, weil sie sehr viele Probleme – privat oder geschäftlich – haben.

Wie zum Beispiel Kevin. Er ist der kreative Kopf der Marketingabteilung, sprudelt nur so vor innovativen Ideen, die im Team ausgearbeitet und umgesetzt werden. Leider hält er sich nicht an die Kleiderregeln des Unternehmens, hat erhebliche finanzielle Probleme und kann es einfach nicht lassen, hübschen Auszubildenden nachzustellen. Pünktlichkeit ist für ihn ein sehr dehnbarer Begriff und oftmals hängt er belastenden Gedanken aus seiner privaten Vergangenheit nach.

Unternehmen investieren bei dieser Mitarbeitergruppe gerne in Kurse oder sogar in eine Weiterbildung. Gerne genommen werden auch Nachdiplomkurse zum Themenfeld Sozialkompetenz. Bemerkenswert: Im Jahr 2017 soll es tatsächlich circa 19.000 unterschiedliche Studiengänge mit diesem Schwerpunkt in Deutschland gegeben haben.

3. Workhorses. Das sind die Mitarbeitenden, die täglich eine hohe Leistung mit guter bis sehr guter Qualität erbringen. Aber: Ihr Potenzial ist kaum ersichtlich.

Wie im Fall von Silvia: Sie ist seit zwanzig Jahren die verlässliche, treue Seele der Steuerabteilung. Tagein, tagaus tippt sie konzentriert unzählige Daten in den Computer. Fehlerlos. Schnell. Einwandfrei. Punkt acht Uhr beginnt sie ihren Dienst, um siebzehn Uhr macht sie Feierabend.

Experten sagen, dass in einem Unternehmen mindestens fünfzig Prozent der Mitarbeitenden »Workhorses« sein sollten. Denn sie sind die stillen Mitarbeitenden, die ihren Job gut machen, aber keine Lust haben, nochmals einen Zeitmanagementkurs zu besuchen oder einen Teamentwicklungsprozess zu unterstützen. »Workhorses« wollen einfach ihre Arbeit machen. Nicht mehr. Nicht weniger.

4. Die Stars. Sie sind die Krone der Mitarbeiterschöpfung, die Crème de la Crème eines jeden Unternehmens. Hohes Potenzial und sehr hohe Leistungsfähigkeit zeichnen sie aus.

Sie arbeiten entweder unmenschlich viel oder sind Glückskinder, ausgestattet mit Charisma oder unglaublichem Charme, manchmal mit beidem. Für sie wäre die soziale Bedeutungslosigkeit im Job der blanke Horror.

Rückblickend auf meine bisherigen Berufsjahre waren für die Unternehmensleiter stets die Spitzenverkäufer die »Stars«. Diejenigen, die den mächtigen Gewinn generiert haben. Die, »die Kohle reingeholt haben, während die anderen auf dem Stuhl klebten und nur kosteten«, so ein Zitat aus dem Verwaltungsrat.

Die Stars dürfen sich alles herausnehmen. Diesen Diven wird jede Extrawurst schnellstens besorgt. Solange sie maximal liefern, gehören sie zu den Unberührbaren – insbesondere, wenn eine einflussreiche Größe im Unternehmensumfeld die schützende Hand über sie hält.

So schöpfen diese Stars der Unternehmensleitung gerne alle angebotenen Personalentwicklungsmaßnahmen aus. Weiterbildungsmöglichkeiten liegen zu lassen, können sie nur schwer ertragen. Sie haben die Tendenz, Wissensriesen zu werden und als Spezialisten aufzusteigen. Ihnen wird der Master, der Fachhochschulabschluss oder das völlig überteuerte Coaching liebend gern bezahlt, auf eine Rückzahlungsvereinbarung von Fall zu Fall schon mal verzichtet. Dem Unternehmen ist wichtig, diese High Performer lange bei der Stange zu halten. Denn man weiß, dass sie auf dem Arbeitsmarkt und bei der Konkurrenz gesucht sind.

Wie würdest du dich und dein Team einschätzen?

Natürlich entspringt eine solche Einschätzung nur der subjektiven Sichtweise des Beurteilenden. Aktive Arbeitgeber umwerben gute Mitarbeiter mit für beide Seiten sinnvollen Personalentwicklungsmaßnahmen. Respektvoller, unterstützender Umgang ist der beste Garant, damit Mitarbeiter sich weiterentwickeln. Auf Lippenbekenntnisse in Hochglanzbroschüren und abgedroschene Worthülsen darf getrost verzichtet werden. Wertewandel, Menschlichkeit, Anstand und Respekt können in der Summe beinahe jede teure Trainingseinheit, die extern für viel Geld eingekauft werden muss, überflüssig machen. Auch deshalb sind Unternehmen, die Individualität fördern, ein attraktiver Arbeitgeber und haben selten Probleme mit Fluktuationen oder Fachkräftemangel.

Mitarbeitende handeln immer nach ihren besten Möglichkeiten. Sich selbst zu erkennen ist schon der halbe Schritt zum Erfolg – wie immer du dieses Wort für dich auch definierst. Die anderen zu erkennen ist ein nächster Schritt. Laotse sagt dazu: »Wer andere kennt, ist klug, wer sich selbst kennt, ist weise.«

Und nun zu deinem Team: Wer ist welcher Typ? Wo sind die Förderer und Zögerer, die Mutigen, die Diven, die Fleißigen und die, denen alles egal ist?

Bereite das Ganze grafisch auf und lass es einfach mal so auf deinem Schreibtisch liegen. Aber Vorsicht! Es könnte sein, dass du ordentlich Staub aufwirbelst.

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