Telefonieren – Souverän auch in brisanten Situationen

Wer viel mit Kunden telefoniert kommt früher oder später in brisante Situationen. Aufgebrachte, verärgerte Kunden, maßlose Forderungen bis hin zu Beleidigungen. Solche Situationen bedürfen Fingerspitzengefühl. Sabin Bergmann verrät, wie Sie die guten Seiten in Ihren Kunden wecken.

Wichtig ist es, Ihren Anrufern ein gutes Gefühl geben. Sobald Sie diese verinnerlicht und Ihre eigenen Formulierungen entwickelt haben, werden Sie merken, dass das schon wichtige Bausteine für die Beruhigung aufgebrachter Anrufer sind:

  • Durch die klare Meldeform bieten Sie zum Gesprächsbeginn keine Angriffsfläche für aggressive Fragen wie »Wer ist da?!« oder »Mit wem spreche ich?«
  • Wenn Sie einen aufgebrachten Anrufer nicht verbinden können und sich dabei lösungsorientiert ausdrücken sowie eine Alternative anbieten, gießen Sie kein unnötiges Öl in das innere Feuer Ihres Kunden.
  • Durch den Verzicht auf Reizwörter und Callcenter-Floskeln sowie den richtigen Einsatz positiver Formulierungen reagieren genervte Anrufer weniger gereizt.
  • Indem Sie Ihren Fokus zunächst auf die individuelle Situation des Kunden richten und erst danach die Kundendaten erfragen, fühlen sich wütende Anrufer ernster genommen und beruhigen sich schneller.
  • Wenn Sie durch Zusammenfassungen und deutliche Signale des Zuhörens zeigen, dass Sie verstanden haben, worum es einem enttäuschten Anrufer geht, und Sie Ihr Gespräch durch Fragen aktiv führen, verkürzen Sie die Dauer der Aufregung Ihres Kunden.

 

Diese Methoden führen in 90 Prozent aller Fälle dazu, dass ein aufgebrachter Anrufer nicht weiter zur Weißglut getrieben wird. Denn genau das ist die größte Gefahr am Telefon: Ein enttäuschter Kunde ruft in einem Unternehmen an und seine Laune wird durch negative Erlebnisse mit den Mitarbeitern noch schlechter. Und dadurch eskaliert die Situation.

Wenn Sie sich die neuen Strategien zur Gewohnheit gemacht haben, werden Sie in der täglichen Praxis sehr häufig erleben, dass sich aufgebrachte Anrufer fast wie von selbst beruhigen und sich die Stimmung nicht noch weiter aufheizt.

 

 

Doch was ist mit den Extremfällen? Mit Anrufern, die persönlich, ausfallend, beleidigend und aggressiv werden?

Erwarten Sie jetzt die »fünf besten Strategien, die jeden Anrufer ruhigstellen«? Oder »die drei knallhärtesten Sätze, die jeden Kunden in seine Grenzen verweisen«? Von solchen Methoden werden Sie jetzt nichts lesen. Wut lässt sich nicht durch Maßregelungen lindern!

Keine Maßregelungen!

Wut wird nicht durch einen Gegenangriff gelindert. Stattdessen lernen Sie jetzt viele neue Gedanken und Strategien kennen, um auch extrem aufgebrachte Anrufer wirklich gekonnt und mit Empathie zu beruhigen. Ich bin sicher, dass Ihnen diese Vorgehensweisen auch selbst besser tun werden, als mit einem aufgebrachten Kunden in den Kampf zu gehen.

Wie im Leben haben wir auch am Telefon immer die Chance, entweder die positiven oder die negativen Seiten in einem Menschen zu wecken. Sehen Sie es sportlich und nehmen Sie sich vor, die guten Seiten in Ihrem Anrufer zu wecken!

Wecken Sie die guten Seiten in Ihrem Anrufer

Fragen Sie sich im ersten Schritt, was aus Sicht des Kunden so schiefgelaufen ist, dass er Ihnen gegenüber zunächst seine schlechten Seiten zeigt. »Zunächst« ist hierbei das entscheidende Wort, denn Sie können die Stimmung Ihres Gesprächspartners verändern. Sobald Sie der Art, wie Ihr Anrufer zunächst auftritt, nicht mehr so viel Bedeutung beimessen und sich stattdessen fragen, warum er es tut und was er jetzt braucht, um seine positiven Seiten zu zeigen, sind Sie einen entscheidenden Schritt weiter: Sie haben eine andere innere Einstellung und strahlen mehr Souveränität und Sicherheit am Telefon aus. Stellen Sie sich also folgende Fragen:

Warum reagiert mein Kunde zunächst so? Was fehlt ihm? Was braucht er jetzt?

Wenn Sie sich auf diese Fragen konzentrieren, lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die Gefühlslage des Anrufers und geben Ihren inneren Gedankenkommentaren und Bewertungen weniger Raum. So behalten Sie einen klaren Kopf, um sich im zweiten Schritt auf das zu konzentrieren, was jetzt wichtig ist: Für einen unzufriedenen Kunden ist entscheidend, ob er sich wahrgenommen oder abgewiesen fühlt. Versuchen Sie, das momentane Verhalten Ihres Kunden nur zur Kenntnis zu nehmen. Denn sein Verhalten ist im Moment nicht wichtig. Wichtig ist, dass sich der Kunde überhaupt bei Ihnen gemeldet hat.

Dadurch haben Sie die Chance, ihn noch als Kunden zu halten. Zieht er nach einer schlechten Erfahrung mit Ihrem Unternehmen seine Konsequenzen und entscheidet sich beim nächsten Mal für Ihren Wettbewerber, ist nichts mehr zu retten. Und es kann sogar noch schlimmer kommen: Stellen Sie sich die Auswirkungen eines unzufriedenen Kunden vor, der nicht bei Ihnen reklamiert, sondern seinem Ärger in Internetforen oder bei der Presse Luft macht.

Tipp: Geben Sie Kunden am Customer-Touchpoint-Telefon vor allem dann ein gutes Gefühl, wenn mal etwas schiefgelaufen ist. Menschen vergessen im Laufe der Zeit, was sie einmal reklamiert haben. Sie vergessen jedoch nie, wie sich dabei behandelt fühlten.

Schauen wir also zu den Gedanken und Schlüsseln, mit denen sich auch sehr aufgebrachte Anrufer gut behandelt fühlen.

Den Menschen wahrnehmen und Berührung schaffen

Lassen Sie Ihren Kunden zunächst im wahrsten Sinne des Wortes ausreden, geben Sie Zuhörsignale und denken Sie daran, nicht dem Sachbearbeiter-Ego zu verfallen, das sofort nach Kunden-, Bestell- oder Lieferscheinnummern fragen möchte. Hören Sie einfach nur aktiv zu und nehmen Sie Ihren Kunden als Menschen wahr.

Welches Bedürfnis hat ein reklamierender Kunde? Klar, dass seine Reklamation sofort behoben wird. Hierbei wird jedoch oft übersehen, dass sich ein Kunde auch als Mensch wahrgenommen fühlen möchte. Das klappt durch Nähe zum Kunden sehr viel besser als durch distanziertes Verhalten.

Schaffen Sie eine Berührung, statt mit Abweisung zu reagieren

Gehen Sie einen Schritt auf Ihren Kunden zu und schaffen Sie eine Berührung – statt kurz angebunden zu reagieren und ihn für sein Verhalten zu bestrafen. Kurze Sätze, die gleich zum Gesprächsbeginn Empathie ausdrücken, nehmen sehr schnell Wind aus den Segeln. Hier sind einige Beispiele:

»Sie haben völlig recht, das darf nicht passieren.« (Recht geben)

»Gut, dass Sie sich sofort melden.« (Loben)

»Danke, dass Sie gleich Bescheid sagen, dass die Ware noch nicht da ist.« (Sich bedanken)

»Entschuldigung, ich habe einen Fehler gemacht und Ihren Rabatt übersehen.« (Sich entschuldigen)

Wenn Sie noch nicht genau einschätzen können, was passiert ist, oder sich Ihr Anrufer über Kollegen beschwert, sind solche Ausdrucksweisen sinnvoll, mit denen Sie keine Position beziehen, sondern rein auf die Gefühlslage des Kunden eingehen:

»Es tut mir sehr leid, dass Sie das so erlebt haben.« (Mitfühlen)

»Ich verstehe, dass Sie das so sehen.« (Verständnis zeigen)

Recht geben statt rechtfertigen

Rechtfertigungen beruhigen aufgebrachte Kunden nicht. Aussagen wie »Im Moment ist Urlaubszeit und wir arbeiten mit lauter Aushilfen. Außerdem hatten wir auch noch einen Programmabsturz, darum wurde Ihre Gutschrift noch nicht erstellt« bringen uns am Telefon nicht voran. Drehen Sie den Spieß um! Sagen Sie Ihrem Kunden, dass er völlig recht damit hat, eine zugesagte Gutschrift auch zeitnah zu erwarten.

Den Kunden verstehen, statt ihn um Verständnis zu bitten

Warum sollte ein geladener Kunde Verständnis für Ihre Interna aufbringen? Erklärungen wie »Bitte verstehen Sie uns auch. Wenn wir die Kataloge versenden, rufen immer so viele Kunden an und dann können wir nicht immer gleich ans Telefon gehen. Manchmal sind auch so viele Kunden hier im Laden, dann dauert es in der Warteschleife halt mal länger« werden kaum einen Kunden dazu bewegen, sich zu beruhigen.

Wählen Sie genau den anderen Weg und verstehen Sie Ihren Kunden! Wenn Sie den konkreten Ärger Ihres Kunden spiegeln, wird er sich von Ihnen wahrgenommen und verstanden fühlen.

Eine Möglichkeit ist beispielsweise: »Ich kann so verstehen, dass Sie sich doppelt ärgern: Erst warten Sie auf unseren Rückruf und jetzt beim Hinterhertelefonieren darauf, dass jemand ans Telefon geht. Es tut mir sehr leid. Aber jetzt bin ich für Sie da! Was kann ich für Sie tun?«

Lösungen Anbieten statt Schuldige oder Ursachen Suchen

Stellen Sie sich vor, Sie haben neue Möbel für Ihren Konferenzraum bestellt, die bis 13:00 Uhr angeliefert werden sollten. Es passiert jedoch nichts. Um 14:00 Uhr rufen Sie bei Ihrem Lieferanten an, um zu fragen, wo die Möbel bleiben. Schließlich war es so vereinbart und Sie hatten für den Nachmittag geplant, alles neu einzurichten.

Was möchten Sie jetzt erfahren? Natürlich die Uhrzeit, zu der die Möbel ankommen.

Was interessiert Sie in diesem Moment überhaupt nicht? Dass die beauftragte Spedition Schuld an der Verspätung hat. Dass ein Fahrer krank geworden ist und der Kollege heute alle Kunden allein anfährt. Der Stau in der Innenstadt. Die Reifenpanne des LKW. Der verloren gegangene Haken bei Expresszustellung durch den Systemfehler im Onlineshop …

Sprechen Sie mit aufgebrachten Kunden ausschließlich über Lösungen. Alles andere bringt einen tobenden Kunden nur noch weiter in Rage. Nutzen Sie dabei ausschließlich lösungsorientierte Ausdrucksweisen. Für einen genervten Kunden macht es einen großen Unterschied, ob Sie sich problem- oder lösungsorientiert ausdrücken:

Problemorientierung :-(: »Ich weiß im Moment leider nicht, in welchem Stadtteil die Fahrer gerade sind, das müsste ich erst klären.«    

Lösungsorientierung :-): »Ich kläre schnell, wann die Fahrer bei Ihnen eintreffen, und rufe Sie innerhalb der nächsten fünfzehn Minuten zurück.«

Tipp: Nehmen Sie den Menschen wahr und schaffen Sie Berührung, indem Sie recht geben, statt sich zu rechtfertigen, Verständnis für den Kunden zeigen, statt um sein Verständnis zu bitten, und Lösungen finden, statt Ursachen zu erklären.

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