So wie immer – Überzeugen Sie mit Gewohneiten

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Und diese Bequemlichkeit lässt sich für Verkäufer und Unternehmen hervorragend nutzen. Schauen Sie nur mal in Ihren Warenkorb beim nächsten Einkauf und fragen Sie sich, warum genau dieses Produkt im Korb gelandet ist. Der Psychologe Reiner Neumann verrät Ihnen, wie man gezielt Gewohnheiten bei anderen etabliert.

Eine ähnlich bedeutsame Rolle wie Regeln spielen Rituale und Gewohnheiten. Viele unserer Verhaltensweisen sind automatisiert. Sicheres Autofahren zum Beispiel wäre unmöglich, wenn wir permanent jede unserer Aktionen bewusst steuern müssten. Wir erlernen komplexe Handlungen schrittweise, verbinden die einzelnen Schritte miteinander und lassen sie dann in immer größeren Handlungsblöcken quasi automatisch ablaufen. Dieses Vorgehen spart mentale Energie und ermöglicht uns, unsere Aufmerksamkeit auch während dieser gewohnheitsmäßig ablaufenden Handlungen auf andere Aktivitäten zu richten.

Der Erwerb dieser Gewohnheiten ist leichter, wenn das Erlernen der einzelnen Schritte mit Belohnungen verknüpft ist. Die wiederholte Durchführung der so erworbenen Handlungsmuster verstärkt die Gewohnheit. Vom Autofahren bis zum Zähneputzen, vom Rauchen in der Pause bis zum Schnaps nach dem Essen regeln diese Gewohnheiten die Mehrheit unserer täglichen Verrichtungen. Einige dieser Gewohnheiten sind kollektiv verankert – so reichen Sie einem Bekannten beim Wiedersehen ohne nachzudenken die Hand oder umarmen ihn, je nachdem. Einige Gewohnheiten sind hingegen sehr individuell. Zum Beispiel Frühstücksgewohnheiten. Der eine braucht sein Müsli, weil er sich daran gewöhnt hat, ein anderer hingegen begnügt sich mit einem Kaffee, vielleicht sogar to go.

Wenn Sie sich nun fragen, wie man jemanden mit seinen Gewohnheiten überzeugen soll, dann lohnt es sich genau, die Welt zu betrachten. Eine Vielzahl von Unternehmen lebt extrem gut von unserem Hang zu Gewohnheiten. Schauen Sie einmal in Ihren Warenkorb und überlegen Sie, wie viele Produkte Sie immer wieder kaufen, ohne auch nur im Geringsten zu überlegen. Die meisten Markenartikel haben ihren Erfolg unserem Hang zu Kauf- und Konsumgewohnheiten zu verdanken.

Wenn andere unsere Gewohnheiten ausnutzen, dann profitieren sie vor allem davon, dass einmal etablierte Gewohnheiten sich nur schwer ändern lassen. Für unser Gehirn bedeutet es eine besondere Anstrengung, einmal erlernte Automatismen wieder abzulegen.

Charles Duhigg liefert in seinem Buch The Power of Habit eine umfassende Analyse zu diesem Thema. Nach Duhigg erfordert es zunächst die genaue Analyse der Gewohnheit und der sie stützenden Bedingungen. Dann muss ich die Gewohnheit in einzelne Handlungsschritte aufbrechen und diese allmählich ändern.

Wenn es Ihnen also gelingt, in Ihrem Umfeld und speziell im Umgang mit anderen Menschen Gewohnheiten zu etablieren oder deren Gewohnheiten zu steuern, üben Sie einen erheblichen Einfluss auf ihr Verhalten aus. Je einfacher sich die von Ihnen angebotenen Verhaltensweisen erlernen lassen und je erstrebenswerter die damit verbundene Belohnung ist, desto eher wird sich die in Ihrem Sinne erwünschte Gewohnheit entwickeln. Es bedarf in der Folge einer bewussten Anstrengung der Person, sich von dieser Gewohnheit wieder zu lösen.

Denken Sie beispielsweise an den Einkauf bei Amazon. Amazon tut alles, um Ihnen das Einkaufen und vor allem das wiederholte Einkaufen so leicht wie möglich zu machen. Sie können dort mit nur einem Klick bestellen, die Rücksendung der Ware bei Nichtgefallen ist oft kostenfrei und Amazon garantiert Ihnen die Erstattung des Kaufpreises. Das gilt nicht nur für Produkte von Amazon, sondern auch für die Angebote von Tausenden integrierter Partnershops. Je öfter Sie bei dem amerikanischen Versender einkaufen, desto mehr wird es zur Gewohnheit. Vor diesem Hintergrund ist sehr gut zu verstehen, warum Amazon heute fast alles anbietet. Amazon möchte, dass Sie den Einkauf im Internet mit dem Einkauf bei Amazon gleichsetzen. Der Erfolg gibt dem Internetriesen bisher recht.

Manipulation mit Gewohnheiten und Regeln

Unternehmen investieren erhebliche Mittel, um bei den Konsumenten solche Gewohnheiten zu entwickeln und zu verankern. Dazu müssen wir gar nicht an Süchte wie das Rauchen von Zigaretten denken. Es beginnt bei der Markenkommunikation – Nutella gehört auf jeden Frühstückstisch –  und findet sich ebenso in der identischen Gestaltung von Geschäften einer Marke: vertraute Wege zu vertrauten Produkten und gleichzeitig Aushängeschilder für das Unternehmen. Die Flagship-Stores von Apple sind ebenso ein Beispiel wie die immer gleiche Ladenarchitektur bei Aldi, weniger glamourös, aber genauso wirkungsvoll. Wenn wir uns einmal an die Marke oder an den Weg gewöhnt haben, werden wir genau diese Variante bevorzugen und meist unreflektiert zugreifen. Bekannte Produkte oder Geschäfte bevorzugen wir.

Regeln und Normen werden nicht selten einfach verkündet und dann wartet das Unternehmen oder die Person möglichen Widerspruch ab. Findet der nicht statt und haben Menschen erst einmal eine Zeit lang diese Regeln befolgt, sind sie meist etabliert und im Nachhinein schwer zu ändern. Gerne wird auch darauf verwiesen, dass es bestimmte Traditionen gibt, die durch ihre bloße Existenz nahelegen, dass man sie auch zu befolgen habe. Wenn wir diese Regeln oder Traditionen akzeptieren und ihnen unreflektiert folgen, ist es schwer, aus diesen Gewohnheiten wieder auszubrechen.

Mehrheiten und Mengen werden gerne und häufig bemüht, um bestimmtes Verhalten zu begründen oder zu verstärken. Nicht immer sind diese Angaben begründet, nicht immer tun es die Betreffenden aus eigenem Antrieb oder aus Überzeugung. Folgen Sie einfach nur der Mehrheit oder lassen Sie Ihren Kopf arbeiten und überprüfen die Meinung oder das Verhalten? Wenn es nicht wirklich begründete Vorteile bietet, handelt es sich meist um Manipulation.

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